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Kein „hirnloser Kicker"

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„Ich möchte heute lieber weniger Geld verdienen und dafür glücklich sein!" Als sich Friedl Koncilia im Jahre 1969 entschloß, Fußballprofi zu werden und von seiner Geburtsstadt Klagenfurt nach Innsbruck übersiedelte, hätte er nicht geglaubt, daß er einmal diesen Satz sagen würde.

Seine schulische Laufbahn beendete der heute 32jährige nach vier Jahren Realschule und machte dafür eine Installateurlehre fertig. Schon zu dieser Zeit opferte er seine gesamte Freizeit dem Fußball. Außerdem hatte er auch im Privatleben Glück: er fand schon mit 20 Jahren die Frau fürs Leben, was ihm viele Probleme junger Spieler (lange Formkrisen, schwankende Leistungen usw.) ersparte: „Ich halte es für jeden Spitzensportler besser, früh zu heiraten, weil er dann solider lebt, als Mensch ruhiger ist und in der Folge konstante sportliche Leistungen bringen kann."

So stand bei seinen wichtigsten beruflichen Entscheidungen - wie 1969 die Ubersiedlung zu Wacker-Inns-bruck, wo er zehn Jahre lang die größten sportlichen Erfolge als Vereinsspieler feiern konnte, 1979 der Wechsel ins Ausland zu R.S.C. An-derlecht (Belgien) und im letzten Winter die Rückkehr nach Österreich zu Austria-Memphis- nicht nur das eigene Interesse im Mittelpunkt, sondern vor allem das Wohl der Familie, die Friedl praktisch seit Beginn seiner Laufbahn umgibt.

Oft richtete ihn seine Frau Eva in jenen Momenten wieder auf, in denen der emotionelle Tormann „gerne alles hingeschmissen hätte". Das wäre beinahe nach dem berüchtigten WM-Qualifikationsspiel gegen die DDR 1977 in Wien der Fall gewesen, als man Koncilia die Schuld am Gegentor tgab (Endstand 1:1). „Wenn man brieflich beschimpft wird und in der Öffentlichkeit von einem namhaften Trainer (Max Merkel) als hirnloser Mensch hingestellt wird, dann beginnt man sich zu überlegen, wofür man eigentlich in der Nationalmannschaft spielt, wo es soundso nichts zu verdienen gibt", wird Koncilia nachdenklich.

Daß er trotzdem weitergemacht hat, verdankt er zum einen Teil seiner Frau, die ihm vor Augen hielt, wie sehr er sich gerade für die Weltmeisterschaft 1978 in Argentinien vorbereitet habe, und daß er kürz vor so einem großen Ziel wegen solcher persönlicher Anschuldigungen nicht aufstecken solle.

Auch eigene Überlegungen spielten eine große Rolle: „Für mich bedeutete dieses Ereignis einen entscheidenden Wendepunkt in meinem Leben. Ich realisierte zum ersten Mal, daß es noch etwas anderes im Leben gibt, als fanatisch einem Ball nachzujagen."

Vielleicht eine ähnliche Erkenntnis, wie sie Niki Lauda zum Rücktritt bewog?

„Nein, nein, ich spiele sehr gerne Fußball, und es macht mir großen Spaß, aber mir wurde bewußt, daß du als populärer Sportler auch eine große Aufgabe hast: die Verpflichtung, den jungen Leuten soviel wie möglich von dem mitzugeben, was du einmal als junger Spieler von den älteren bekommen hast. Einfach aus Dankbarkeit." Neben seiner intensiven Beschäftigung mit der Jugend -ob es nun um das persönliche Beantworten von Fanpost oder das offene Plaudern mit jedem einzelnen bei Autogrammstunden geht - ist Koncilia bestrebt, sich auch mit geistigen Dingen zu beschäftigen: Lesen, Theater-, Konzertbesuche und - Religion.

Friedl wurde katholisch erzogen, war Ministrant und hat auch heute noch eine sehr gute Einstellung zur Kirche. Nach seiner Meinung hat sich die Kirche seit den letzten zehn Jahren äußerst zum Positiven entwik-kelt, es sei für die Menschen heute leichter, zum Glauben zu kommen. Er selbst bezeichet sich als sehr gläubig, auch wenn es ihm nicht ausgeht, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen.

Der „Tormann Koncilia" hat sich immer bemüht, den „Menschen Koncilia" nie zu Gunsten des Sports zu vernachlässigen. „Das Aufhören würde mir heute leichter denn je fallen, weil ich weiß, daß es für mich jetzt wichtigeres als Fußballspielen gibt: die Familie." Seiner Frau und den beiden schulpflichtigen Kindern zu Liebe schlug er vor kurzem ein toi' les Angebot von New York Cosmos aus. Als Familienmensch hat er auch schon für die Zeit nach dem Kicken vorgesorgt und sich beruflich bei einer Sportartikelfirma abgesichert.

Doch bedeutet dies keineswegs schon leichte Resignation: „Im Gegenteil! Jeder meiner Tormannkonkurrenten soll sich sagen, er sei besser und durch Leistungen versuchen, mich zu verdrängen. Aber ich werde nicht tatenlos zusehen."

Obwohl Friedl Koncilia seinen Sport als harten Beruf bezeichnet, meint er: „Im Grunde sind wir Fußballer alle große Kinder geblieben. Denn für jedes Spiel muß man ein Kind sein." Und er ärgert sich auch nach jedem erhaltenen Tor wie ein Kind ...

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