Ein Wagnis ist sicherer, als nichts zu tun

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Großpfarrren mit drei bis fünf Priestern, Filialgemeinden, von Laien ehrenamtlich geleitet: Die Wiener Diözesanleitung plant den Wurf einer großen Strukturreform. Die FURCHE holte Positionen dazu ein.

"E in wichtiger und mutiger Schritt für ein neues Verhältnis von Priestern und Laien.“ Auf diesen Punkt bringt der Grazer Pastoraltheologe Rainer Bucher seine Bewertung des Projekts in der Erzdiözese Wien, das Christoph Schönborn letzten Mittwoch präsentierte. Der Kardinal kündigte "die größte Strukturreform seit Joseph II.“ an. Einem Experten wie Rainer Bucher, der nicht an der Entwicklung des Konzepts, das auf einen Umbau der Diözese in Großpfarren mit vielen von Laien ehrenamtlich geleiteten Filialgemeinden hinausläuft (vgl. unten), mitgewirkt hat, nötigt das Respekt ab.

Freiraum oder Zentralismus?

Auch die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak meint: Zumindest für die Großstadt eröffne das Projekt einen erstaunlichen Freiraum, aus dem die Laien etwas machen könnten. Polak sieht die Möglichkeit, dass starr gewordene Pfarrgemeinden in Bewegung kommen. "Gut, dass man vom reinen Reparieren abgeht“, meint auch Erhard Rauch, Provinzial der Salvatorianer und Generalsekretär der Superiorenkonferenz der Männerorden. "Mut zu Neuem“ bescheinigt Rauch dem Programm.

Dass sich auch in der Kirche von Wien angesichts schwindender Katholikenzahl und dramatischem Priestermangel etwas tun muss, war klar. Die kirchlichen Konflikte der letzten Jahre - Pfarrer-Initiative etc. - waren auch ein Streit um den rechten Umgang mit dieser Lage. Die Auseinandersetzung wird weitergehen, auch wenn der Kardinals-Ankündigung zunächst weder ein Aufschrei noch feurige Zustimmung gefolgt war.

Für Helmut Schüller allerdings geht der Plan von Schönborn und seinem Team nicht in die richtige Richtung: Es handle sich einmal mehr um ein "zentralistisches Vorgehen“. Der Sprecher der Pfarrer-Initiative plädiert für den umgekehrten Weg: Die Gemeinden sollten sich fragen, was sie sein wollten und welche Zukunft sie sähen; dann erst sollte sie der Bischof fragen, was er für sie tun könne. Schönborns Leitlinien bezeichnet Schüller als "das Gegenteil davon“. Auch beim Thema Laien, die Schüller lieber als "Kirchenbürger“ tituliert, ist er nicht zufrieden. Denn wenn diesen wirklich Leitung übertragen werde, dann gehöre auch die "Leitung der zentralen Feier“ dazu. Genau dazu sagten die Leitlinien nichts.

Veronika Prüller-Jagenteufel, als Leiterin des Wiener Pastoralamtes ein Mastermind hinter dem Projekt, gesteht das unumwunden zu: Diskussionen über Zulassungsbedingungen zum Priesteramt seien zu führen, aber das sei ein anderes Kapitel. Das Wiener Projekt dagegen sei der Versuch, unter gegenwärtigen Rahmenbedingungen an der Aktivierung aller Getauften zu arbeiten. Generell kommen die Christen in der Gesellschaft in immer kleineren Gruppen zusammen, sagt Prüller-Jagenteufel. Das Konzept soll dem Rechnung tragen. Zum einen gelte es, die Strukturen an die heutigen Gegenbeheiten anzupassen. Dass es da auch dem (Priester-)Mangel zu begegnen gilt, sei keine Frage. Aber: Vielleicht sei die Verknappung der Priester ja auch eine "List des Heiligen Geistes“, damit die Laien neue und aktive Rollen bei der Evangelisierung einnehmen.

Die Perspektiven sind für Prüller-Jagenteufel ermutigend. Zu Jahresbeginn hat man in Wien-Favoriten einen Pilotversuch der Reform gestartet - der Abschlussbericht dazu soll bald vorliegen. Dort werde man viel schneller als in zehn Jahren die Strukturreform abgeschlossen haben. Vor allem in rechtlicher Hinsicht sei vieles aber noch zu klären, meint die Pastoralamtsleiterin.

Welche rechtliche Absicherung?

Für Theologin Regina Polak ist dieser Punkt essenziell: Die Reform stehe und falle auch mit der rechtlichen Absicherung. Wenn es nicht gelinge, Kompetenz und Gemeindeleitung von Laien auch rechtlich zu verankern, werde sich kaum jemand finden, der sich "das Ganze antut“. Vergleichbares bringt Ordensmann Erhard Rauch ein: Fast die Hälfte der Wiener Pfarren wird zurzeit von Ordensleuten geleitet. Ohne die Einbindung der Orden und deren Sicht werde die Reform nicht gelingen.

Auch Rainer Bucher sieht diese Probleme, meint aber, nicht das Kirchenrecht sei der Horizont, sondern es gehe darum, die Kirche näher an die Lebensrealität zu bringen. Das Wiener Projekt ist, so Bucher, ein Wagnis. Der Pastoraltheologe paraphrasiert dazu ein Wort Karl Rahners: "Aber das Wagnis ist sicherer, als nichts zu tun.“ (Siehe auch Kommentar, Seite 10 )

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