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150 Jahre „NationalÜecT

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„Ich spiele dieses Lied an jedem Morgen und oft habe ich Trost und Erhebung daraus genommen in den Tagen der Unruhe“. Diese schlichten Worte.. hatte H a y d n zu I f f 1 a n d gesprochen, als Iffland dem von seinen 76 Jahren schwer gebeugten Komponisten in seinem Häuschen in der Vorstadt Windmühle, Untere Steingasse Nr 84 (heute Haydngasse Nr. 19), einen Besuch gemacht hatte. Sie galten seiner Lieblingsschöpfung: der österreichischen Volkshymne. Diese ist ein Völkslied geworden, das weit zurückführt bis in das Jahr 1797, in jene Zeit, da die entscheidenden Siege Napoleons in Italien und sein erster Einbruch in Österreich drohend die Gefahr ankündigten, die dann nur zu bald die Grundlagen des Reiches erschüttern sollte.

Es war am 12. Februar 179 7, am Geburtstage des Kaisers Franz,' als die Hymne in seiner Anwesenheit im „k. k. Hoftheater nächst der Burg“, das audi die offizielle Bezeichnung „National-Theater“ führte, zum erstenmal gespielt wurde. Die Zuhörerschaft stimmte stehend in den Gesang ein und auf stürmisches Verlangen mußte H a y d n, der Chor und Orchester dirigierte, die Hymne einige Male wiederholen. Die Komposition hieß damals das „Nationallied“, die offizielle Bezeichnung als „Volkshymne“ ist erst später entstanden.

„Die Melodie der österreichischen Volkshymne“, so schrieb Adalbert Stifter im September 1853 an den Minister des Innern, „ist ein Meisterwerk der Tonkunst. Kenner setzen sie den berühmt gewordenen englischen (von Händel) und russischen Weisen derselben Art an die Seite. Vaterlandsfreunde ziehen sie alle vor, besonders wenn sie im Zeitmaße des Gebets aufgeführt wird . . .“ Tatsächlich hat die Melodie der Komposition H a y d n s einen stark ans Kirchliche anklingenden Charakter und das Lied ist vielleicht von Haydn ursprünglich als Kirchenlied komponiert worden.

Jedenfalls hat diese Melodie ihrem Schöpfer große Volkstümlichkeit, auch außerhalb des Reiches, eingetragen. So hat der englische Strumpffabrikant William Gardner an Haydn ein halbes Dutzend baumwollener Strümpfe geschickt, in welche die Melodie der Volkshymne eingewirkt war.

Im Laufe der Zeiten hat man allerdings die Autorschaft des Komponisten Haydn geleugnet und in Abrede zu stellen versucht. In den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wollte das Mailänder Blatt „Cos-morama Teatrale“ das geistige Eigentum der Volkshymne dem Italiener Zingarelli zuschreiben und brachte zur Bekräftigung dieser Behauptung folgendes Titelblatt zum Abdruck: ..Gott erhalte Franz den Kaiser! Dio salvi l'Imperatore Francesco! Inno pa-triotico degli Austriaci, transportato in lingua italiana da Giuseppe de Carpani nobile milanese P. A. e posto in musica dal Sign. Nicola Zingarelli. A Vienna presso Artaria e Comp.“. Das italienische Blatt wurde, so rasch es bei den damaligen Post-und Zeitungsverhältnissen möglich war, eines Besseren belehrt.

Noch heute befinden sich fünf Handschriften der Komposition von Haydns Hand im Besitze der Nationalbibliothek: der erste Entwurf für eine Singstimme, der Quartettsatz mit dem vom Regierungs- und Polizeipräsidenten Graf Franz Saurau am 28. Jänner 1797 erteilten ..Imprimatur“, die Bearbeitung für Unisonochor und Orchester, auf die Haydn selbst den Titel geschrieben hat: „Volkslied“, endlich das herrliche C-Dur-Quartett, das deshalb den Titel „Kaiser-Quartett“ führt.

Die Melodie hat vermöge ihrer Schlichtheit. Innigkeit und Würde die größte Volkstümlichkeit erlangt, als Leitmotiv des Patriotismus hat sie sich von Geschlecht zu Geschlecht durch mündliche Überlieferung verpflanzt, sie erklingt auch außerhalb der Reichsgrenzen zu Kundgebungen der Vaterlandsliebe (..Deutschland. Deutschland über alles!“) und selbst noch in katholischen Kirchen Deutschlands, Belgiens und Frankreichs ist sie im Gebrauch, und zwar für' den Vortrag des metrisch damit übereinstimmenden Tantum ergo.

Während sich die Haydnsche Melodie seit 1797 in ihrer angeborenen Frische unverändert erhalten hat, hat ihr Text inzwischen schon manche Um- und Nachdichtung erfahren.

Mit der Abfassung des Textes der Volkshymne ist seinerzeit der Kustos der Universitätsbibliothek, Leopold H a s c h k a, betraut worden. Die Dichtung Haschkas be-

gann bekanntlich mit den Versen: „Gott! Erhalte Franz, den Kaiser — Unsren guten K,aiser Franz“. Diese Verse kehrten auch /als Refrain am Schlüsse jeder der vier Strophen wieder. Schon in diesen ersten zwei Zeilen ist der Charakter des Gebetes ausgesprochen, den Haschka dem ganzen Liede gegeben hat. Dies war in jener ersten Form schon durch die Interpunktion unterstrichen, indem es hieß, „Gott! Erhalte Franz, den Kaiser!“, während in der Bearbeitung unter Kaiser Ferdinand die ersten Zeilen des Liedes lauteten: „Gott erhalte unsren Kaiser!“

Sehr überraschend klingen für uns in der dritten Strophe der Dichtung Haschkas folgende Verse: „Brich der Bosheit Macht, enthülle — Jeden Schelm- und Bubenstreich!“ Wie kommt dieser leidenschaftliche Ton in die weihevolle Hymne? Nach einer Auffassung sollen sich diese Verse offenbar auf die angebliche Jakobinerverschwörung in Wien beziehen, die man 1793 entdeckt haben wollte. Sie hatte den berüchtigten Prozeß zur Folge, dem so viele ehrenhafte Männer bloß ihrer freieren Gesinnungen wegen zum Opfer gefallen sind.

Da Haydn die Idee der Schaffung einer Volkshymne aus England mitgebracht hat, dürfte auef) der Text der englischen Natio-

nalhymne „Gott save the King“ als Vorbild gewirkt haben. Diese Hymne ist schon im Jahre 1605 entstanden, als die rechtzeitig entdeckte und vereitelte „Pulverver-sdiwörung“ Anlaß zu einer volkstümlichen Verherrlichung des Königtums und zur Verdammung der feindseligen Umtriebe gab. Darauf deutet bezeichnend genug die dritte Strophe der Hymne, die also lautet: „O Lord, our God, arise, — Scatter the ene-

mies, — And let them fall! — Confouttd their politics, — Frustrate their knatvish' tricks! — On Hirn our hops we fix: — God save us all!“

Aus dieser heftigen, lyrisch wirksamen Apostrophe gegen che Vaterlandsfeinde sdiöpfte nun Haschka seine Anregung zu einem „Donnerwetter“ gegen die österreichischen Jakobiner, auf die er denn audi offenbar anspielt mit dem übrigens stank verwässerten Ausruf: „Brich der Bosheit Macht ...“ •

Erst die Fassung, die Johann. Gabriel Seidl der Volkshymne gegeben hat, ist dauernd in Geltung geblieben. Im Jahre 1854 erhielt

sic die kaiserliche Genehmigung, womit sie als „authentisch bestehende Hymne mit der Musik nach der Haydnschen Komposition“ zum offiziellen Text erhoben war. Sie hat als solche manchen Sturm überdauert, sogar die bewegten Jahre der Zeit nach dem ersten Weltkrieg. Ja sie ist auch heute noch lange nicht tot: ihre feine Melodie klingt noch in unseren Tagen durch manche aktuellen Diskussionen ,. t

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