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Serenade aus Alt-Wien

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Robert Fuchs hat sich in zwei Eigenschaften einen Ehrenplatz in der Musikgeschichte erworben: als schaffender Tonkünstler und als Lehrmeister. Sein Lebenswerk stammt aus Wiens besseren Tagen, aus jener zweiten musikalischen Hochblüte der Donaustadt, in der ein Brahms, Bruckner, Hugo Wolf, Johann Strauß, später auch Richard Strauß in ihren Mauern lebten und schufen. Robert Fuchs hatte selbst das große Glück, schon in jungen Jahren von Brahms richtig erkannt und aufs eifrigste gefördert zu werden, namentlich bei Uraufführungen und Drucklegung seiner Werke. Es war Fuchs aber auch beschieden, der Lehrer eines Hugo Wolf, Gustav Mahler, Sibelius und vieler anderer namhafter Musiker zu werden.

Am 15. Februar 1847 wurde er in Frauenthal in Steiermark geboren. Das kinderreiche Schulmeisterhaus hat uns schon manchen großen Mann geschenkt. Auch Franz Schubert entstammt einem solchen, er war das dritt- jüngste von vierzehn Kindern eines aus Nordmähren stammenden Wiener Vorstadtschulmeisters, Anton Bruckner das älteste unter zwölf Kindern eines Öberösterreichischen Dorfschulmeisters, Robert Fuchs unter dreizehn Kindern’ das jüngste. Sein Vater war nicht nur Schullehrer, sondern auch Organist und Kirchenkomponist; den Höhepunkt seines musikalischen Wirkens bedeutete, daß er auf

Schloß Wildbach vor Franz Schubert dessen „Wanderer“ auf dem Klavier begleitete. Auch sonst war reiche und vielseitige künstlerische Begabung in der Familie Fuchs vorhanden. Es ist daher kein Wunder, daß er schon in der Familie selbst den ersten Musikunterricht erhielt, zugleich mit den Volks- schullehrfädjern. In Graz 'besuchte er I860 bis 1865 zuerst die Unterrealschule, dann den pädagogischen Kurs und legte die Lehramtsprüfung für Volksschulen ab. Im Gegensatz zu Schubert und Bruckner übte er jedoch das Amt des Volksschullehrers niemals aus. Daneben komponierte er schon eifrig. Des Siebzehnjährigen Lieder sang seine Landsmännin Amalie M a t e r n a, die spätere Bayreuther Brünhilde und Kundry, mit Erfolg in Konzerten. 1865 bezog Fuchs mit achzehn Jahren das Wiener Konservatorium und war bis 1869 Schüler Otto Dessoffs in Komposition. Nebenbei verdiente er sich den Lebensunterhalt als Musiklehrer, Korrepetitor und Organist in der Piaristenkirche.

In zähem Lebenskampf errang Fuchs eine Stelle für Harmonielehre am Wiener Konservatorium, die dann später durch Vermittlung von Brahms in eine Professur für Kontrapunkt und Komposition umgewandelt wurde, wodurch er engerer Kollege von Bruckner, Grädener und Heuberger wurde. Zu seinen Schülern zählten außer

Hugo Wolf, Mahler und Sibelius noch Franz Schmidt, Franz Schreker, Kamillo Horn, Zemlinsky, Kornauth, Arnold Rosž, Karl Lafite, E. W. Korngold und zahlreiche Virtuosen und Dirigenten. 1912 wurde er nach 37 jähriger Lehrtätigkeit zugleich mit seinem Fachkollegen und Freunde Hermann Grädener auf etwas gewaltsame Weise in Pension geschickt. Aber seine Schaffenskraft blieb trotzdem ungebrochen bis an sein Lebensende, wofür 117 gedruckte und einige noch ungedruckte Tondichtungen zeugen. In der Skizze „Die Schulstiege“ plaudert Carl Lafite über die Großen, denen die Sdiüler auf den Stufen des Konservatoriums oder in dessen geheiligten Räumen begegnet sind: „Wenn man besonders Glück hatce, konnte man Brahms auf der Orgelbank des Großen Musikvereinssaales üben oder Bruckner präludieren hören, konnte dem Brüderpaar J. N. und Robert Fuchs begegnen oder den beiden Hellmesberger, von denen der Vater als Witzbold bekannt und gefürchtet war, oder man konnte in den Saal hineinschlüpfen und Hans Richter bei den philharmonischen Konzertproben belauschen.“ In dieser künstlerischen Umwelt bewegte sich Fuchs täglich in seinen jüngeren Jahren. Während Franz Schubert sich nur in einem engen Kreis gleichaltriger und gleichgestimmter Maler, Dichter und Musiker (wie Schwind, Bauernfeld, Ladiner und anderen) bewegte, Brudcner aber mehr zurückgezogen lebte, seine Dorfheimat nie verleugnete und sich in das großstädtisch bewegte Leben Wiens nie hineinfinden konnte,- pflegte Fuchs außer mit zahlreichen Musikern auch mit Männern der Wissenschaft, mit Ärzten (Billroth, Brücke), mit Juristen, Professoren (Germanist Seemüller, Schulrat Mayr in Admont) und bildenden Künstlern (Maler Jettmar, Bildhauer Bench) Umgang. Im Benediktinerstift Admont war er ein gern gesehener Gast und machte mit den dortigen Prälaten und Äbten häufig Spaziergänge und Ausflüge. Wie im Sommer in der grünen Steiermark, so unternahm er auch von Wien aus selbst im Winter allsonntäglich seinen Ausflug in den Wienerwald, wo die Roberc-Fuchs-Straße bei Hütteldorf noch heute an ihn erinnert. Seine Wandergenossen bildeten die „Robert-Fuchs- Gilde“. Kennzeidinend für seinen großen Bekanntenkreis sind auch die zahlreihen Widmungen seiner Werke an bekannte Wiener Persönlichkeiten.

Das idyllishe Leben des Meisters fand durch einen sanften, shmerzlosen Tod den schönsten Abshluß: Vier Tage nah seinem 80. Geburtstag verschied er auf der Wiedner

Hauptstraße in den Armen eines Schülers, als er auf dem Wege zu den Philharmonikern war, um sih für die Ehrungen zu seinem Jubelfest zu bedanken. Er fand in der Nähe von Beethoven, Shubert, Brahms, Glüh, Hugo Wolf und Johann Strauß seine letzte Ruhestätte.

Den Tondichter Fuhs haben seinerzeit seine fünf Serenaden für Streichorchester berühmt gemäht und ihm den Namen „Sere- nadenfuhs“ eingetragen. Die fünfte Serenade hat er Johann Strauß gewidmet und zum 70. Geburtstag des Walzerkönigs mit dem Konservatoriumsorchester in dessen Wohnung zum erstenmal aufgeführt. Strauß spendete dieser Komposition, in deren Schlußsatz der „Fledermauswalzer“ in kunstvoller Weise verarbeitet ersheint, die wärmste Anerkennung. Dessoff und Hans Rihter brahten alle fünf Serenaden in den Wiener Philharmoishen Konzerten. Noh gehaltvoller sind seine drei Symphonien und die Ouvertüre zu „Des Meeres und der Liebe Wellen“ von Grillparzer, weihe die sanfte Shwermut des shönsten deutschen Liebesdramas in Musik umsetzt.

Auh eine Fülle wertvoller Kammermusik hat uns Fuchs geshenkt: zwei Klavierquartette, vier Streichquartette, mehrere Streich- terzette und Klaviertrios. Auh die spärliche Literatur selten gepflegter Instrumente hat Fuhs durh eigene Tonshöpfungen bereichert. Er shrieb eine Violasonate (op. 86) und Phantasiestücke für Viola und Klavier (op. 117, sein letztes. Werk), ferner eine Sonate und drei Stücke für Kontrabaß sowie eine großangelegte Harfenphantasie. Ferner seien genannt zwei Klavier-, sehs Violin- und zwei Cellosonaten. Ungemein ansprechend sind seine vielen kleinen Stücke für Klavier, vier- oder zweihändig, für Violine oder Cello und Klavier, seine Phantasiestücke, Intermezzi, Amoretten, namentlih aber seine Jugendalbums und Miniaturen, in denen er es versteht, der Jugend in schlichter Weise zu Herzen zu sprechen. Namentlih seine von feiner Poesie erfüllten Klavierstücke gehören zum Besten, was seit Shumanns „Kinderszenen“ und „Jugendalbum“ auf diesem Gebiete geshaffen wurde. Seine Ton- sprahe ist überall von österreihisher Anmut und Natürlichkeit erfüllt, anspruhslos und unpathetish, aber keineswegs oberflächlich oder seiht.

Von seinen Vokalwerken gebührt neben einigen shlihten, innigen Liedern seinen zarten Frauenhören der Vorzug. Seine Männerhöre sind meist einfah und volkstümlich gehalten. Für den eigenartigen Chor mit Harfe „An die Zither an meiner Wohnungstür“ (Text vom Burgtheaterdirektor Freiherrn von Berger) shrieb Fuhs auf Anregung Professor Viktor Keldorfers für den Wiener Schubertbund eine Streiherbegleitung, als ihn der Tod ereilte. Sein größtes Chorwerk ist die Kantante „Mariä Himmelfahrt“ (Vertonung einer Marienlegende von Max Kalbeck). Seine drei Messen stellen eine wertvolle Bvreicherung der geistlichen Literatur dar. Seine beiden Spielopern „Die Königsbraut“ (1889, Wiener Flofoper) und „Die Teufelsglocke“ (1893, Leipzig) sind mehr lyrisch als dramatish.

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