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An historischen Musikstätten

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Im barocken Prunksaal der Nationalbibliothek, einem der repräsentativsten Räume Wiens, dessen Wände die golden-braunen 'Bücherrücken der Bibliothek des Prinzen Eugen schmücken, veranstaltete bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts der Prä-fekt der Hofbibliothek, Gottfried van Swieten, Konzerter hier erklangen, in Mozarts Bearbeitung, Opern und Oratorien von Händel. Von der Wirkung jener Aufführungen konnte man sich eine Vorstellung machen, als der Akademiekammerchor unter Professor E. Großmann in diesem Saal Meisterwerke alter a-capella-Musik vortrug. Univ.-Prof. Dr. L. Nowak, dessen Initiative die Wiederaufnahme dieser Konzerte zu danken ist, hatte ein Programm zusammengestellt und kommentiert, das — von einem Bach-Choral eingeleitet und mit Isaacs Innsbruck-Lied ausklingend — vier- bis sechs6timmige Chöre im Palestrina-Stil umfaßte: von dem Palestrina-Schüler da Vittoria, dem .englischen Pale-strina“ W Byrd sowie von J. Gallus und Michael Haydn, die gleichfalls Stileinflüsse Pierluigis erkennen lassen. — Die Aku6tik dieses Raumes zählt zu den musikalischen Wundern und wirkt, wenn man sie das erstemal erlebt, fast sensationell. Die zartesten Nuancen sind mit vollkommener Deutlichkeit wahrzunehmen, obwohl der auf einer der oberen Galerien aufgestellte Chor geradezu ätherisch klingt. .Zum Klang ward hier der Raum“ — so konnte man, einen Vers aus dem .Parsifal“ variierend, treffend diesen Eindruck zusammenfassen.

Ein völlig anderes Klangbild, das als Stereoskopisch oder plastisch bezeichnet werden kann, erlebte man bei einer historischen Serenade im Hof der Burg Kreuzenstein. Auch hier handelt e6 sich um die Wiederaufnahme einer Tradition (1932 bis 1940 wurden bereits Serenaden abgehalten), di9 im Hinblick auf die ungewöhnlichen akustischen Qualitäten dieses sehr geschlossen wirkenden Hofes zu begrüßen ist. — Das Programm mit Chören und Instrumentalsätzen des 16. Jahrhunderts verriet die Hand eines feinfühligen Fachmanns, und man wünschte sich im stillen eine ähnlich sorgfältige und materialkundige Programmgestaltung auch für unsere „normalen* Konzerte in den großen Wiener Sälen. — Diese Mei6ter des 16. Jahrhunderts, wie Isaac, Jacobus Gallus, Arnold von Bruck, Hofhaimer, Senfl, Gabriele, Gregor Peschin und Lambertus de Sayve, schufen hochdifferenzierte Werke von eigenartiger, ergreifender Schönheit, Kompositionen, die durch die nachfolgende Klassik und Romantik mit ihren weit robusteren Ausdrucksmitteln rasch in den Schatten verdrängt wurden, wo man sie, durch das romantische Klangfarbenorchester geblendet, kaum mehr bemerkte. Erst in jüngster Zeit, etwa seit dem Aufkommen der Jugendbewegung und jener Komponistengeneration, an deren Spitze Paul Hindemith steht (der sich nicht nur durch das Wort, sondern in einer ganzen Werkreihe zu diesem Stil bekannt hat), beginnt man, diesen Reichtum zu erkennen und die Schätze zu heben. Wer hier mithilft, baut (bewußt oder nicht) am Weg der neuen Musik. Die Wiener K a m m e r s i n g v e r e i n i g u ng unter der Leitung von Professor H. S c h e-m i t s c h und der Trompeterchor der Stadt Wien waren die Ausführenden des von Univ.-Prof. L. Nowak zusammengestellten Programms, dessen Ausführung kaum einen Wunsch offen ließ.

Der Wiener Kammersingvereinigung ist auch die Aufführung der „Sechs geistlichen Lieder“ nach Gedichten von Eichendorff von Hugo Wolf zu danken, die nicht nur durch ihre Schönheit, sondern auch durch ihre Kühnheit vieles in den Schatten stellen, was nach ihnen auf diesem Gebiet geschaffen wurde. Der ländliche Hof in Perchtolds-dorf zu dessen Besuch die Hugo-Wolf-Gemeinde eingeladen hatte, bildete einen äußeren Rahmen, wie er eindrucksvoller kaum gedacht werden kann. Natur und Kunst 6ind hier in einzigartiger Harmonie verbunden. In diesem Haus, in diesem Garten und in dem tempelartigen, hochgelegenen „Häuslein Windebang“ hat Hugo Wolf das Italienische und das Spanische Liederbuch geschaffen. (Das Steinbauer-Quartett spielte die „Italienische Serenade“ und einen Satz aus dem d-moll-Streichquartett; Hedwig Seiler sang einen Zyklu6 Möricke-Lieder, von Professor Hans Schemitsch begleitet, der auch den Chor leitete; Dr. E. Schwab sprach einführende Worte zum Gedächtnis Hugo Wolfs.)

Im Fe6tsaal des Palais Pallavicini, das der kunstbegeisterte Graf Fries erbauen ließ und wo Beethoven oft vor seinen Gönnern spielte, veranstaltete die Gesellschaft der Musikfreunde ein Kammerkonzert mit Werken zeitgenössischer Komponisten. Streichquartette von Joseph Marx („in modo classico“) und Theodor Berger sowie das Klarinettenquintett von Egon Kornauth (Klarinette: Prof L. Wlach) wurden vom Schneiderhan-Quartett mit jener Klangkultur gespielt, die gerade diesen Werken besonders angemessen Ist und die sie zu ihrer idealen Verwirklichung brauchen.

Aus der großen Zahl ähnlicher Veranstaltungen mögen wenigstens die wichtigsten genannt werden: die Mozart-Stunde im Hof des Deutschen-Ritterordens-Hauses mit heiteren Vokal- und Instrumentalwerken; eine Haydn-Feierstunde des Collegium mu6icum Wien mit Orchesterwerken und einer Gesangszene im Haydn-H a u s in der Haydngasse; ein Konzert des Ge6amtchors der Wiener Sängerknaben im Augarten, dessen Mittelpunkt die komische Oper „Seme Hoheit“ hat's gesagt“ von Konradin Kreutzer bildete; schließlich die große, dreiteilige Veranstaltung „Singendes, klingendes, tanzendes Wien“ auf einer eigens errichteten Sommerbühne vor dem Schloß Schönbrunn mit einem Singspiel nach Motiven von Johann Strauß (Wiener Sängerknaben), der „Alt-Wiener Romanze“ (Ballett Grete Wiesenthal) und der „Huldigung an das ewige Wien“: ein Zyklus von Walzerchören, die von der Chorvereinigung „Jung-Wien“ ausgeführt wurden. H. A. Fiechtner

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