Konzil vs. Papst - eine uralte Geschichte

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Die Auseinandersetzungen um die Autorität zwischen dem Konzil und dem Papsttum beschäftigen die katholische Kirche seit mehr als 1.000 Jahren.

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Die Auseinandersetzungen um die Autorität zwischen dem Konzil und dem Papsttum beschäftigen die katholische Kirche seit mehr als 1.000 Jahren.

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Mehr Kollegialität. Auf diese Erwartung - oder Hoffnung - kann ein Gutteil der Wortmeldungen gebracht werden, die hierzulande rund um den Papstwechsel publiziert und kolportiert werden. Abgesehen davon, dass auch in dieser Frage der Wunsch Vater vieler Gedanken ist (vgl. dazu auch Józef Niewiadomski, Seite 2 dieser FURCHE), wird darin ein Minenfeld angesprochen, in dem sich die katholische Kirche seit Jahrhunderten bewegt. Auch die immer wieder erhobene Forderung nach einem neuen Konzil, das die beim II. Vatikanum vorgenommenen Weichenstellungen weitertreiben soll, sind in derartigem Kontext zu sehen.

Das I. Vatikanum schreibt fest

Im landläufigen katholischen Bewusstsein markierte das I. Vatikanische Konzil (1869/70) mit der Definition der päpstlichen Unfehlbarkeit und des päpstlichen Jurisdiktionsprimats eine kaum zu überwindende Hürde: Damals sei endgültig festgeschrieben worden, dass der Papst jedenfalls über dem Konzil stehe. Und das behindere die Kirche bis heute bzw. habe auch beim II. Vatikanum einen wirklichen Durchbruch unmöglich gemacht. So die landläufige, nicht falsche Einschätzung.

Beim letzten Konzil verhinderte Papst Paul VI. sogar durch eine persönliche Intervention, dass das Bestreben nach mehr Kollegialität allzu sehr am Primatsverständnis des I. Vatikanums rüttelte.

Diese hier angedeutete Diskussion ist jedoch mitnichten eine Auseinandersetzung des 19. Jahrhunderts, denn das Ringen zwischen Konzil und Papst zieht sich jedenfalls durch das gesamte zweite nachchristliche Jahrtausend.

Ein neues Buch beleuchtet genau dieses wechselvolle Beziehung der zwei Top-Institutionen der katholischen Kirche. Der in Aachen lehrende katholische Kirchenhistoriker Bernward Schmidt hat im Band "Die Konzilien und der Papst" die Kirchengeschichte aus dem Blickwinkel dieser Auseinandersetzung dargestellt. Die jedenfalls für theologisch wie historisch Kundige gut lesbare Publikation fasst eine Fülle von Details und Entwicklungslinien zusammen: Eine Papstzentriertheit der katholischen Kirche prägte sich endgültig im Mittelalter aus. Als es dann aber in der gleichen Epoche zu Schismen kam und gleich mehrere Päpste den Anspruch auf den Stuhl Petri erhoben, schien es geradezu notwendig, eine Institution wie ein Konzil zu etablieren.

Es mag zwar nicht neu oder wenig überraschend sein, dass die Kabalen und Kämpfe um Macht und Einfluss im Mittelalter zwischen weltlichen und geistlichen Herrschern auch eine Fülle lebendiger Geschichte(n) bereithalten. Bernward Schmidt bereitet diese Vorgänge konzise auf und stellt sie in den historischen wie theologischen Kontext.

Spannende Geschichte(n)

Wie etwa der deutsche König Sigismund beim Konstanzer Konzil (1414-18) so agierte, dass schließlich die Westkirche wieder unter einem Papst vereint war, ist eine spannende und wenig bekannte Geschichte. Natürlich ist das bloß ein Aspekt des Ringens um eine je zeitgemäße Form von Kirche, aber auch für die Beurteilung gegenwärtiger Kirchenkonflikte lohnt sich der Blick in die Historie.

Der Konziliarismus, also die Betonung der Bedeutung eines Konzils und dessen Überordnung über die - monarchische - Institution des Papsttums, setzte sich trotz des Erfolgs, das das Konstanzer Konzil darstellte, nicht durch. Bernward Schmidt stellt die Eckpunkte der Entwicklungen, etwa die Ereignisse rund ums 5. Laterankonzil (1512-17) dar, wo dem päpstlichen Anspruch, die oberste kirchliche Autorität zu sein, wieder zum Durchbruch verholfen wurde. Auch die ausführliche Befassung mit dem Konzil von Trient (1545-63), die katholische Antwort auf die Reformation, fehlt nicht. Höhepunkt der Betonung des Papstamtes stellt aber zweifellos das I. Vatikanum dar, der Weg dorthin und die Ereignisse von 1869/70 werden im Buch zusammenfassend dargestellt.

Letztlich lassen sich die Entwicklungen und Verwerfungen, die infolge des II. Vatikanums aufgetreten sind, vor allem die ungelöste Spannung zwischen dem päpstlichen Primat und der Kollegialität der Bischöfe, durch die Kirchengeschichte nachzeichnen. Das liefert zwar keine Antworten auf die Probleme - Buchautor Bernward Schmidt will diese auch nicht geben.

Aber zum Verständnis und zu einem runden Bild liefert das Buch wertvolle Hinweise. Zu keiner Zeit sei in der Kirche das Verhältnis von monarchischen und kollegialen Strukturen abschließend entschieden worden, lautet das Resümee von Schmidt. Das ist immerhin eine tröstliche Erkenntnis, die nicht weniger besagt, als dass das Thema Papst und Konzil jedenfalls immer noch zu diskutieren bleibt.

Die Konzilien und der Papst

Von Pisa (1409) bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-65). Von Bernward Schmidt. Herder 2013,318 S., geb., € 25,70

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