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„Der Urmensch und sein Weltbild“

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Zu der neuen Veröffentlichung von Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Koppen. Herold-Verlag, Wien. 272 Seiten, S 21

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Zu der neuen Veröffentlichung von Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Koppen. Herold-Verlag, Wien. 272 Seiten, S 21

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Der Verfasser ist Ethnologe und Religionshistoriker. Er sieht seine fachwissenschaftlichen Belange in weitem Rahmen. Als Kulturhistoriker hat er es erfahren, daß nur aus einer großen Zusammenschau von Völkerkunde, Prähistorie, Paläoanthropologie und Biologie die letzte Klarstellung und Sicherung der Ergebnisse jedes einzelnen dieser Fachgebiete kommen kann. So schließt er in seinem neuen Werk die Ergebnisse dieser Fachwissenschaften, sie konfrontierend und koordinierend, zu einem einheitlichen Bild zusammen. Der Urmensch wird von verschiedenem Blickpunkt her gesehen Diese Synthese gibt dem Buch seinen einzigartigen Wert; wir besitzen kein zweites Werk dieser Art.

Daß der Ethnologe Köppers als berufener Vertreter seines Faches in der die Vertreter der Wissenschaft, aber auch Außenstehende tiefst- bewegenden Frage nach der Herkunft des Menschen (Abstammungsfrage) das Mitspracherecht der Ethnologie als historischer, geistesgeschichtlicher Wissenschaft anmeldet, wird man gut verstehen. Es war ein solches, nachdrücklich ausgesprochenes Wort an der Zeit und am Platz, da es ja in den vergangenen Jahrzehnten den Anschein batte, als seien in dieser Auseinandersetzung ausschließlich und entscheidend die naturwissenschaftlichen Disziplinen zuständig. Es war für unseren Autor von selbst gegeben, daß er bei Auswahl der Materialien das Geistige im Menschen nicht übersehen, sondern es mehr oder minder bestimmt in den Vordergrund gestellt hat. Daß er hiebei der sachlich-objektiv denkende Forscher und Gelehrte geblieben ist, wird die Durchsicht des Buches zweifelsfrei erhärten.

Selbstverständlich kann und wird auch dieses Werk über den Urmenschen nichts Endgültiges, Letztes bringen. Es verspricht zum voraus keine Lösung; aber es will ab lösen von jenen vordringlichen und selbstsicheren Aufstellungen, die übertriebene Erwartungen, Sensationen schaffen, und es will gesicherte Haltepunkte geben, von denen aus die bisherigen Ergebnisse in genügend weiter Überschau kritisch überprüft und be- urteilt werden können. Professor Köppers hat hier zur Abstammungsfrage das heute einzig mögliche und richtige Wort gesprochen: Zurück, haltung! Die körperliche Abstammung des Menschen aus dem Tierreich ist gegenwärtig noch nicht eine wissenschaftlich erwiesene Tatsache; sie zu verneinen ist ebenso wissenschaftlich unzulässig, wie andererseits sie zu bejahen. Der Verfasser hat recht. Geht es doch um ein wahrhaft säkulares Problem; in einem Jahrhundert noch wird der Menschengeist darüber nicht zur Ruhe gekommen sein.

Thematisch giedert sich das Werk in zwei Hauptabschnitte: Körperliche Abstammung des Menschen und Religion der ethnologischen Alt- und Urvölker. Als Präliminarsatz wird die grundlegende These hingestellt: entgegen der Aussage des extremen Evolutionismus tritt uns der Urmensch als geistig vollwertiger, wirklicher Mensch entgegen. Diese von der Ethnologie her gesicherte Tatsache wird auch von maßgebenden

Vertretern der Prähistorie gestützt. Die Frage der Abstammung des Menschenleibes aus dem Tierreich wird sodann unter dem Gesichtspunkt der biologischen Tatsachen und der paläanthropo- logischen Funde erörtert.

Was von historisch-ethnologischer Seite zur Erkenntnis der Urzeit des Menschen beigesteuert werden kann, wird vorab an der Tradition von „Paradies und Sündenfall" („Goldenes Zeitalter“) aufzuzeigen gesucht. Initiativ greift der Verfasser als Religionsethnologe dieses Thema auf. Was er dazu an Tatsachen und Gesichtspunkten beigestellt hat, verdient ganze Anerkennung und Würdigung. Es wird jetzt weiterhin die Heranziehung eines möglichst umfangreichen Überlieferungsmaterials aus den ältesten und älteren Kulturschichten notwendig sein, um dem religionsethnologischen (also profan- wissenschaiftlichen) Schluß auf die historische Tatsächlichkeit des paradiesischen Urzustandes eine voll tragfähige und einwandfrei überzeugende Unterlage zu schaffen. Die religionsgeschichtliche Forschung auf diesen zentralen Punkt hingewiesen und auch den ersten Schritt schon getan zu haben, wind nicht das geringste Verdienst der neuen Publikation sein.

In der überaus schwierigen Fragestellung nach dem natürlichen oder übernatürlichen Ursprung des Gottesglaubens, der Frage, ob wir in den unter dieser Rücksicht bisher erzielten Ergebnissen auch schon einen „historischen Gottesbeweis auf neuer Basis“ erkennen dürfen, ist Professor Köppers der Schwierigkeit der Entscheidung sich wohl bewußt; er spricht mit begründeter Zurückhaltung. Diese Akribie des Urteils zeichnet die gesamte Behandlung des zur Diskussion stehenden Urmenschenkomplexes aus; sie nötigt zu Vertrauen in des Verfassers Untersuchungen, Urteile und Schlußfolgerungen. — Ein völlig neuer Gesichtspunkt zum Problem des urzeitlichen Menschen wird mit dem Abschnitt über das Verbot der Verwandtschaftsehe in der Urmenschheit (Exogamie) eingeschaltet.

Ausführlich werden wir mit den bedeutsamen Darlegungen zweier Schweizer Biologen, der Professoren J. Kälin und A. Portmann, zur stammesgeschichtlichen Herkunft de Menschenleibes bekanntgemacht. Ein breiter Raum wird der Erörterung der paläoanthropologischen Funde zugewiesen. Diesem Abschnitt dürfte sich ein starkes Interesse der Leser des Buches zuwenden, da hier die neuen und neuesten fossilen Funde (bis 1948) nach ansonst nur schwer zugänglichen Quellen vorgeführt werden. Daß dabei die früh- und mittelpleistozänen homo- sapiensartigen Formen entsprechend zur Geltung gebracht werden, verlangt die überragende Bedeutung dieser bis in die jüngste Zeit überhaupt nicht oder doch nicht gebührend gewürdigten Menschenformen, denen in der stammesgeschichtlichen Entwicklung des Menschen zweifellos eine entscheidende Bedeutung zukommt.

Die zweite Hälfte des Buches ist der Darstellung der Religion der ältesten Manchen eingeräumt. Dabei hat naturgemäß die Religion der Bhil Zentralindiens und der (Ya- mana-) Indianer auf Feuerland eine führende Stellung erhalten; sind doch die vorgelegten re-

ligionsgeschichtlichen Materialien der Ertrag zweier Forschungsreisen des Autors (1938 39, beziehungsweise 1922). Die Einordnung dieser bereits publizierten Materialien (Unter Feuer- land-Indianern, Stuttgart 1924; Die Bhil in Zentralindien, Wien 1948; Geheimnisse des Dschungels, Luzern 1947) in den Rahmen des vorliegenden Werkes entspricht der Absicht des Verfassers, hier ein Gesamtbild des Urmenschen nach seinem physischen Sein wie auch seinem geistig-religiösen Leben vorzuführen. Wertvollster ethnologisch-religionsgeschichtliche Materialien werden zur Geltung gebracht: der Hochgott- (Bhagwan-) Glaube der Bhil, in dessen Strahlungsbereich der Schöpfungsgedanke und die Urflutmythe (nach ihrem Grundgehalt) liegen, wird durch ein weitausgreifende vergleichende Untersuchung als Eigengut der ältesten, urindischen Kulturschicht nachgewiesen.

In dem Abschnitt über „Das Schicksal des Gottesgedankens in den Religionen Indiens“ hat uns der Verfasser einen Abriß der Religionsgeschichte Indiens in einzigartiger, bisher noch nie versuchter ethnologischer Aufgliederung geschenkt und die außerordentlich bedeutsame Tatsache erkennen lassen: für das vor- und nichtarische Volkstum Indiens ist ein ethischer Eingottglaube bezeugt, der gerade bei den Alt- und Urstämmen eine besondere Reinheit und Höhe aufweist. Dieser Hochgottglaube liegt zeitlich weit vor der Einwanderung des Ariercums zurück, ist also nicht der arisch-indischen Geistigkeit zu danken. Die weitere Befassung mit dem Schicksal dieses Gott- gediankens, seiner Erschütterung und Verblassung, führt in die vielgestaltige Geisteswelt des arischen Indien hinein. Als von Professor Köppers seihst zunächst nicht vorausgesehenes, also auch nicht intendiertes Ergebnis seines Eindringens in diese arische Geistigkeit fiel überraschend ein neues Licht auf eines der schwierigsten Probleme der indischen Kulturgeschichte, auf die Entstehung des indischen Kastenwesens, dessen Hauptwurzel er in der indischen Alleinslehre sieht. Im esoterischen Charakter des Wissens um Brahman und die Erlösung war der eigentliche Unterbau der Kastenunterschiede, vor allem Zwischen Brahmanen (den ins Geheimwissen Eingeweihten) und den Nichtbrahmanen gegeben. Das indische Kastenwesen ist also in seinem Kern nicht vom Rassischen oder Volkstummäßigen, vielmehr vom Religiösen her zu verstehen.

Nun, nach Herausarbeitung des urindischen Hochgottglaubens „fügt sich auch Indien in die große Synthese, die W. Schmidt auf Grund jahrzehntelanger Arbeit in seinem Standardwerk ,Der Ursprung der Gottesidee’ dargeboten hat“. Dieser „entscheidungreichen und bahnbrechenden Pionierarbeit“ wird, den religionsethnologischen Teil abschließend, nochmals im besonderen gedacht. Resümierend wird am Ende des Verfassers Stellungnahme zum „Urmono- t h e i s m u s“, der Kardinalfrage der modernen Religionsgeschichte, formuliert.

Weit über die Kreise der betreffenden Fachwissenschaften hinaus wird das neue Buch größtes Interesse erwecken und zweifellos, den deutschen Sprachraum überschreitend, Beachtung finden. Mit Sicherheit kann vorausgesehen werden, daß es eine lebhafte Auseinandersetzung auslösen wird — dem Autor ganz nach Wunsch und Willen, den jede positiv-schöpferische Kritik zu aufgeschlossener Stellungnahme bereit finden wird. Univ.-Prof. DDr. L. Walk

Psychologie als Lehre vom menschlichen Handeln. Von Dr. R. Hauser. Verlag Herder, Wien. 186 Seiten.

Hauser, durch sein vor 1938 für österreichische Mittelschulen approbiertes „Lehrbuch der Psychologie“ und als Lehrerbildner bekannt, wül mit seinem neuen, wieder stark biologisch orientierten Buch zweierlei: erstens eine Einführung in die Psychologie geben, ohne Fachkenntnisse vorauszusetzen, zweitens Psychologie als Lehre vom menschlichen Handeln begreifen. Beides ist ihm geglückt. Mit seinem zweiten Vorhaben verbindet sich noch ein drittes: er will, indem er Psychologie als Lehre vom menschlichen Handeln begreift, auch einen Beitrag dazu leisten, daß die h die verschiedensten Richtungen auseinanderstrebende Psychologie wieder Einheit werde. Damit tritt er bewußt in die Fußtapfen Karl Bühlers, der schon 1934 die Auffassung vertrat, daß die Richtungen der modernen Psychologie im „Faktum der Handlung“ konvergieren. Zuletzt noch ein Wunsch: Hauser würde noch einen wesentlicheren Beitrag zur Einheit der Psychologie leisten, als das vorliegende Buch darstellt, wenn er selbst in dieses, das er eine „Skizze“ nennt, „alle spezielleren Darstellungen aus den letzten Jahrzehnten“ einzeichnete. Daß diese sich einzeichnen lassen sollten, schwebte ihm ja, so sagt er im Vorwort, als Ziel vor. Wir wünschen uns also als nächstes seiner Bücher dieses. Dr. Irmgard G i n d 1

Das kleine Buch vom Sonntag. Ausgewählte Dokumente mit einem Nachwort von Helene Homey er. Verlag Otto Walter, Olten, Schweiz, 1948.

Aus diesen vielgestaltigen Zeugnissen über Tiefe und Sinn des Sonntags weht uns — und das ist das Reizvolle — der Geist in der Sprache aller christlichen Jahrhundert entgegen, angefangen von der Schrift und den Vätern über Staatsmänner und Mystiker bis zu Newman, dem Kirchenvater des 19. Jahrhunderts. Gewiß ließe sich in manchem eine wesenhaftere Auswahl gestalten und es gehörten wohl auch die unvergänglichen Worte des heiligen Augustinus über den siebenten Tag ohne Abend aus den Confessiones XIII., 35, unter die klassischen Zeugen, die die immanente Herrlichkeit des Herrntages aufleuchten lassen, vielleicht auch der heilige Chrysostiomus, der am Sonntag vor allem die Caritas geübt wissen will, auch Sailer und andere, die zunj Teil im Nachwort gestreift werden, aber einen Wunsch muß man für eine zweite Auflage aussprechen, auch wenn das Büchlein nicht wissenschaftlichen Zwecken dienen will: eine genaue Quellenangabe der vielen Texte. So anregend diese Texte sind, man möchte sie doch im Zusammenhang nachlesen können. Trotzdem wird vorab der Verkünder des Wortes an diesem kleinen Buch, das auf 138 Seiten unsere Großen über Geist und Gesetz, über Weihe und Reichtum des Herrntages bis herauf zu Dr. Sonnenschein reden läßt, seine Freude haben.

Prof. Dr. P. Virgil Redlich O. S. B.

Philomena Ellenhub. Ein Salzburger Bauernroman. Von Johannes Freumbichler. Zsolnay-Verlag, Wien.

Dieser Roman ragt wie ein gewaltiger, nicht immer völlig durchgeformter Block über die bäuerliche Literatur der Gegenwart hinaus. Obwohl er vom- Leben und Sein der Bauernmagd Mena aus der Zeit vor hundert Jahren handelt, spürt man dies nur in jenen Szenen, die nicht mehr im rein bäuerlichen Milieu spielen und die auch die dichterische Qualität des Buches manchmal eher belasten als heben. Die übrige Handlung aber läßt mit leisem, frohem Schaudern erkennen, wie unveränderlich, wie zeitlos in ihren Haltungen die Bauernwelt im tiefstem Grunde eigentlich bleibt. Die Handlung fließt inmitten eines breiten, vielgestaltigen Stromes von Lebensschicksalen der Nachbarmenschen, der festgefügten Sitten und Gebräuche dieser erdnahen Henndorfer Bauern dahin. Hier ist kein Strich übertrieben, jeder Ausdruck ist wahrhaft und echt; ein Werk, das in seiner gesunden Epik nordischen Geschlechter- romanen gleichzustellen ist. Man bedauert nur, daß auch die Höhepunkte beinahe undramatisch bleiben, so daß trotz der unerhörten Lebensnahe zuweilen eine gewisse Gleichförmigkeit entsteht. Hier zeigt sich eine Begrenzung in der Gestaltungskraft des Dichters. Trotz dieser Einschränkung bleibt noch ein solcher Reichtum der Bilder und Gestalten, daß die Neuauflage dieses vor zehn Jahren erschienenen Rdtaans vollauf gerechtfertigt erscheint.

Franz Braumann

Geras-Pernegg. Geschichte der Waldviertler Klosterstiftung Von Isfried Franz. Selbstverlag Stift Geras.

Im schlichten Stil der Klosterchronik wird hier mit viel Fleiß und Liebe die Geschichte des Doppelklosters Geras und Pemegg von der Gründung im Jahre 1159 bis zur Gegenwart erzählt. Der durch die großen weltgeschichtlichen Entwicklungen und Ereignisse wie bei den übrigen österreichischen Klöstern so auch hier be- timmte Rhythmus der Blüte- und Verfallszeiten wird deutlich erkennbar, wobei der ständige wirtschaftliche Existenzkampf auf dem kargen Boden des Waldviertels — andererseits aber auch die um so verdienstlichere Kulturleistung gerade in diesem Gebiet — besonders hervortreten.

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