„Schwung im Schnee“ - „Schwung im Schnee“ hat der Skipionier und Fotograf Stefan Kruckenhauser sein Foto aus den 1930er Jahren genannt – und als visuelle Ode an den Menschen im Schnee gestaltet. - © Archiv Anton Holzer

Skifahren: Vom Schneezauberer zum Slalom-Athleten

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Die Ästhetik und die Bildsprache der Fotos vom Skilaufen beschreiben den hundertjährigen Wandel vom Naturgenuss zum Breiten- und Spitzensport. Ein Rückblick.

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Die Ästhetik und die Bildsprache der Fotos vom Skilaufen beschreiben den hundertjährigen Wandel vom Naturgenuss zum Breiten- und Spitzensport. Ein Rückblick.

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Als der Fotograf Stefan Kruckenhauser Mitte der 1930er Jahre mehrere Winter lang am Arlberg fotografierte, konnte er noch nicht ahnen, dass er in seinen Bildern eine Art Abgesang auf die frühe Ära des Skilaufs aufzeichnete. Geboren 1904 in München und aufgewachsen in Böhmen, verschlug es Kruckenhauser in den 1920er Jahren als Lehrer nach Salzburg und dann, 1934, nach St. Christoph am Arlberg, wo er das Bundessportheim leitete. Daneben fotografierte er: Berge, Skiläufer, Schneehänge, Natur. 1937 stellte er seine Aufnahmen im Bildband „Du schöner Winter in Tirol“ zu einer visuellen Ode an die Freuden des Winters zusammen. Zugleich war sein Buch aber auch eine Hommage an den Skilauf, wie er in den 1930er Jahren praktiziert wurde. Skifahren war damals eine sportliche und schweißtreibende Unternehmung, die meist ohne Aufstiegshilfen auskommen musste. Der oft stundenlange Weg zum Gipfel erfolgte zu Fuß, auf Skiern und mit Fellen. Dann begann der schönste Teil, die Abfahrt auf verschneiten Hängen, oft im tiefen Neuschnee, durch den noch keine Spuren gezogen waren.

Kruckenhauser feierte in seinen Bildern die unberührte Natur, aber auch die Freude, sich auf Skiern in diesem alpinen Eldorado zu bewegen. Der Fotograf arbeitete mit einer kleinen lichtstarken Leica, im Wechsel zwischen Licht und Schatten modellierte er geschickt die faszinierenden Facetten der Winterlandschaften heraus. Der eigentliche Protagonist in seiner bildlichen Erzählung ist aber der Mensch, der seine Spuren durch den Schnee zieht, langsam und stetig im Aufstieg, rasant und in kühnen Schwüngen bei der Abfahrt. Der Fotograf hielt diese Abfahrten in dramatisch anmutenden Gegenlichtaufnahmen fest. Der Skifahrer setzt zum Schwung an, der Pulverschnee wirbelt im hellen Sonnenlicht durch die Luft. In diesem Moment drückt der Fotograf auf den Auslöser.

Sprung in die Moderne

Als Kruckenhausers Fotoband erschien, war der Arlberg als Skigebiet auf dem Sprung in die Moderne. Die Skitouristen, die bereits in der Zwischenkriegszeit in größerer Anzahl anreisten, erreichten St. Anton bequem mit der Bahn. Mitte der 1930er Jahre begann man mit dem Bau der ersten Lifte. 1936 wurde in Zürs ein Skilift gebaut, 1939 folgte ein weiterer in Lech. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebiet zum gefragten Wintersportgebiet. Die Gäste kamen nicht nur aus der Region, sondern aus vielen Ländern Europas. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Gegend endgültig zum mondänen Treff der internationalen Hautevolee.

Der Skizirkus expandierte rasant, nicht nur am Arlberg, auch anderswo in den Alpen wurden neue Aufstiegsanlagen gebaut. Die Welt des Skilaufs, wie Kruckenhauser sie in den 1930er Jahren gezeichnet hatte, ging langsam ihrem Ende zu. Das Skifahren wurde zum Massensport, der nicht mehr in der Natur, sondern in präparierten Freizeitarenen stattfand – und immer stärker auch zum Wettkampfsport.

Die Bilder Stefan Kruckenhausers schildern das Skifahren als gesellige und zugleich zutiefst männliche Freizeitbeschäftigung, aber auch als aktiven, körperbetonten Lebensstil, der eingebettet ist in eine romantische Winterlandschaft. Frauen sind auf diesen Skiabenteuern nur die Begleiterinnen der Männer. Während die akrobatischen Sprünge und Schwünge im Tiefschnee Letzteren vorbehalten sind, treten die Frauen bei Kruckenhauser als gebräunte Schönheiten und als „Skihaserl“ auf. Kruckenhauser bettet auf diese Weise die Skibilder auch in eine erotische Erzählung ein. Er inszeniert die Spannung zwischen den waghalsigen Männern und den vermeintlich ängstlichen Frauen, eine Perspektive, die historisch gesehen verhältnismäßig neu war. Wenn wir in die Pionierzeit des Skilaufs um 1900 zurückblicken, begegnen uns nämlich ganz andere Bilder. Als Ende des 19. Jahrhunderts in größerer Zahl englische Touristen nach St. Moritz und in andere Destinationen der Schweiz kamen, wollten sie die hochalpine Schneelandschaft genießen und spazieren. Aber Ski fahren? Nein, wenn sie schon gleitend im Schnee unterwegs waren, dann eher mit Rodeln und Bobs. Bereits in den 1880er Jahren wurden in St. Moritz erste vereiste Bobbahnen zum touristischen Vergnügen errichtet, die weltweit ersten Skilifte – oder eigentlich eher einfache Prototypen davon – wurden erst viele Jahre später, 1907 bzw. 1908, gebaut, nicht etwa in den heutigen exklusiven Skiarenen der Alpen, sondern im Schwarzwald und in Vorarlberg am Bödele.

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