"Wir steuern in Richtung Kollision"

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Prinz Hassan bin Talal mahnt im FURCHE-Gespräch, die verbleibende Zeit für eine gemeinsame Sicherheitsstrategie zu nützen. Andernfalls treffen wir uns in der Zukunft - dann aber im Krieg.

Hassan bin Talal ist ein Prinz, beschreibt sich selbst jedoch als NGO, als "Nicht-Regierungs-Organismus" (Non-Governmental Organism). In dieser Rolle setzt sich der Jordanier für eine "grüne Wende" in der Welt, vor allem aber im Nahen Osten ein.

Die Furche: Königliche Hoheit, aufgrund Ihres Einsatzes für erneuerbare Energie und gegen den Klimawandel hat man Sie auch schon als den "arabischen Al Gore" bezeichnet - passt diese Zuschreibung?

Prinz Hassan bin Talal: Al Gore spricht von "global warming", um auf die Erderwärmung hinzuweisen; ich meine, es ist mittlerweile hoch an der Zeit, von "human warning", also einer Warnung an die Menschheit, zu sprechen. Ich habe hier in Wien und anderswo in Europa auf den fundamentalen Zusammenhang zwischen Klimawandel und Sicherheit hingewiesen und das Konzept globaler Gemeingüter (global commons) beworben. Denn der ständige Abbau fossiler Brennstoffe ist eine existenzielle Gefahr für diesen Planeten. Genauso verheißt auch die fortschreitende Wasserknappheit nichts Gutes für die globale Sicherheit. Wir sehen jetzt schon, wie die Trockenheit viele Regionen beeinflusst, meine Heimat eingeschlossen.

Die Furche: Der Klimawandel wird Ihrer Meinung nach also nicht die weltweite Solidarität stärken, sondern im Gegenteil zu Verteilungskämpfen um Ressourcen führen.

Prinz Hassan: Wir können angesichts der neuen Herausforderungen, vor denen wir stehen, nicht die gleichen, schon einmal gescheiterten, unilateralen, einseitigen Strategien anwenden. Wenn wir andere, bessere, nachhaltige Ergebnisse wollen, müssen wir an die Probleme anders herangehen.

Die Furche: Anders heißt multilateral, gemeinsam, zusammenschauend …

Prinz Hassan: Es ist entscheidend, ein supranationales Denken zu schaffen. Kein Land kann diese Probleme allein lösen. Damit stehen wir im Nahen Osten vor zwei Alternativen: Entweder wir treffen in Zukunft mit brutaler Gewalt aufeinander, um uns um die knapper werdenden Energie- und anderen Ressourcen zu streiten. Oder wir begegnen uns heute, während wir noch etwas Zeit haben, um eine vorbeugende Sicherheitsstrategie für die gefahrvolle Zukunft zu entwerfen. Ich plädiere für die zweite Variante. Deswegen ist ein interregionales Treffen für den Nahen Osten unumgänglich.

Die Furche: Ist die ansatzweise neue Israel-Politik von US-Präsident Barack Obama dafür eine Hilfe?

Prinz Hassan: So hoffe ich. Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton haben in ihren Wahlkampagnen versprochen, sie werden von unilateralem zu multilateralem Denken wechseln und auf diese Weise die Region zu stabilisieren versuchen. Die für Anfang Juni angekündigte Rede des US-Präsidenten an die muslimischen Völker in Kairo sehe ich diesbezüglich ebenfalls als großen Fortschritt an. Ich betone, diese Rede ist explizit nicht an die Regierungen muslimischer Länder, sondern an die dortigen Menschen gerichtet. Das ist ein Abrücken vom Konzept: Der Westen und der Rest. Es ist die Anerkennung von universalen Sorgen und ein gemeinsames Suchen nach Lösungen für ein gemeinsames Morgen.

Die Furche: Welches Morgen sehen Sie für den Nahen Osten? Ein gemeinsames?

Prinz Hassan: Um ehrlich zu sein, die Stimmung in der Region wird mehr und mehr skeptisch, mehr und mehr aufgeheizt, wild und verzweifelt. Derzeit sind wir auf Kollisionskurs. Der Grund dafür ist, dass es keine Erklärung über die Prinzipien gibt, die alle beteiligten Parteien bindet, die militanten Gruppen mit eingeschlossen. Diese finden im politischen Vakuum unzählige Möglichkeiten, ihre Popularität zu vergrößern. Unglücklicherweise wird diese Popularität, dieser politische und religiöse Fanatismus davon gespeist - seine Heiligkeit der Papst hat es während seines Israelbesuchs immer wieder betont -, dass Politik und Religion miteinander verflochten sind.

Die Furche: Sie bewerben den Helsinki-Prozess als ein Modell für Frieden in Nahost. Der Helsinki-Prozess war ein politisches Instrument im Kalten Krieg. Ziel war, dass Ost- und Westblock in Europa zu einem geregelten Miteinander finden. Was lässt sich daraus für den Nahen Osten lernen?

Prinz Hassan: Wir müssen in einem Prozess zusammenarbeiten, der länger als ein paar Wochen oder Monate dauert. Es ist nicht damit getan, Gesandte zu schicken, die eine Rede halten, und dann wieder abzufahren. Im Helsinki-Prozess wurden Vereinbarungen über die Menschenrechte, die Zusammenarbeit in Wirtschaft, Wissenschaft, Technik, Umwelt, aber auch über Sicherheitsfragen sowie Fragen der Zusammenarbeit in humanitären Angelegenheiten getroffen. So etwas brauchen wir im Nahen Osten: Prozess meint intensive Treffen zwischen Teilnehmern sowohl von Regierungs- als auch zivilgesellschaftlicher Seite. Und die Politik muss eingebunden und alle drei Monate an die Entscheidungen im Rahmen dieser thematischen Körbe erinnert werden. Um schrittweise umzusetzen, was möglich ist.

Die Furche: Der von Ihnen geforderte Wechsel hin zu einer erneuerbaren Energiepolitik war und ist in Österreich ohne das große Engagement der Zivilgesellschaft nicht möglich. Wie soll das in arabischen Staaten gelingen, wo Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) starkem Druck ausgesetzt sind?

Prinz Hassan: Da stimme ich Ihnen zu. Die Rolle der NGOs in arabischen Staaten ist durch die starke Dominanz der Sicherheitskräfte begrenzt. Umso wichtiger ist es, dass internationale Partnerschaften gepflegt werden, zwischen Organisationen, zwischen Studenten … Ein großes Anliegen wären mir Erasmus-Studentenaustauschprogramme. Zudem kann Europa außerordentliches Wissen bereitstellen, was Versöhnung oder Wiederaufbau betrifft. Von Osteuropa wiederum können wir lernen, wie man einen grundsätzlichen Wandel vollzieht, im Denken der Menschen und in der Politik generell.

Die Furche: Anstatt mehr Austausch zu pflegen, versucht Europa vielerorts, sich besser vom armen Süden abzuschotten.

Prinz Hassan: Die Isolation Europas oder der USA vom Rest der Welt ist in niemandes Interesse. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs versucht nun ein Bruchteil der Menschheit, mit dem Aufziehen eines "Goldenen Vorhangs" seinen Wohlstand zu schützen. Eine Art neuer Limes wird zwischen den Reichen und den Habenichtsen dieser Welt gebaut. Im Gegensatz dazu hat der deutsche Bundespräsident Horst Köhler in seiner Berliner Rede im März festgehalten: "Freiheit ist kein Vorrecht, die besten Plätze für sich selbst zu reservieren", sondern: "Die Glaubwürdigkeit der Freiheit ist messbar: in unserer Fähigkeit, Chancen zu teilen. Nach innen. Und nach außen. Und in unserer Bereitschaft zur Verantwortung für den Nächsten und das Wohl des Ganzen."

Die Furche: Das heißt konkret …

Prinz Hassan: … in das Konzept vorbeugender Diplomatie in Richtung des südlichen Mittelmeerraums zu investieren. Das heißt, bei den Menschen dort den Willen zum Bleiben zu stärken. Das geschieht nicht dadurch, dass man Mauern hochzieht. Das geht nur im Suchen von Partnerschaften, die nachhaltige Entwicklung fördern.

Die Furche: Sie sind Mitglied eines einflussreichen Königshauses - wie sehen Sie Ihre Rolle bei der Aufgabe, die "Glaubwürdigkeit der Freiheit" zu stärken?

Prinz Hassan: Ich beschreibe mich selbst als "Non-Governmental Organism". Ich habe keine nationalen oder finanziellen Interessen bei meinem Engagement. Zugegeben, oft finde ich es eine sehr einsame Aufgabe, zu so vielen Konferenzen zu fahren und für einen Wandel zu werben. Aber im selben Moment denke ich, dass die Mobilisierung der zum Schweigen gebrachten Mehrheit - egal ob durch Apathie oder Einschüchterung - wichtig ist.

Die Furche: Und wenn die Einsamkeit zuschlägt, wie überwinden Sie Ihren Frust?

Prinz Hassan: Wenn ich mich ärgere, dann über mich selber, und zwar darüber, dass ich mich ärgere. Für mich zählt letztlich, dass die Menschen von außerhalb dieser elitären Treffen eine Stimme bekommen.

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