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Anfälliger „Textilsektor“

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Unter allen Umständen bildete die Zuwachsrate bei Kleidung eine ernste Warnung, daß angesichts der hohen Preislage der Konfektionsindustrie selbst die gegenwärtigen Zollpositionen den steigenden Import von Textilien und Kleidung nicht mehr einzudämmen vermögen. Dagegen blieb der Wert des Importes von Lastkraftwagen und Personenautomobilen erstmals stabil. Immerhin wurden aus den Staaten der EWG, fast ausschließlich aus Westdeutschland, Frankreich und Italien, schon in der Zeitspanne von Jänner bis Juni 3301 Lastkraftwagen und 41.157 Personenautomobile im Gesamtwert von 1,39 Milliarden Schilling eingeführt. Omnibusse und Radtraktoren, Zubehör und Bestandteile sind dabei gar nicht berücksichtigt. Natürlich erfuhr die Rangordnung der Staaten, besonders das enorme Übergewicht Westdeutschlands und Italiens, keine Veränderung, aber die neuen Tendenzen erleichterten immerhin einen rascheren Aufschwung der Importe aus Frankreich.

Trotz der Diskriminierung durch die EWG haben sich die österreichischen Exporte nach Westdeutschland und Holland noch.immer gut gehalten; Bedeutend gestiegen sind dagegen die Lieferungen nach Italien, das von Anfang Jänner bis Ende Juni 79.351 lebende Rinder bezog. Ein normaler Vergleich mit dem Vorjahr ist freilich unmöglich; denn die italienische Sperre gegen Schlachtvieh dauerte bis April 1962. Auch Frankreich verzeichnete einen Zuwachs, weil man sich endlich um einen breiteren Absatz in der Seinerepublik zu kümmern begann. Beachtenswert waren die neuen Tendenzen im industriellen Sektor. Die Situation bei Eisen-Stahl entsprach völlig der internationalen Marktlage, und die Stockung bei Holz erfuhr vor kurzem eine Besserung. Zu den Warengruppen, die — durchaus im Einklang mit ihrer allgemeinen Situation — auch den Absatz in der EWG erweitern konnten, gehörten vor allem Maschinen, Textilien, Papier und elektrische Apparate. Die höchsten Zuwachsraten erwirkten Kleidung (+32,1 Prozent) und Metallwaren (+90 Prozent). Jedenfalls verdankte Österreich seine Widerstandskraft gegen die Diskriminierung neben der Hochkonjunktur der breiten Streuung einiger Warenkategorien, die es bisher unterschätzt und in den zweiten, dritten, manchmal sogar in den vierten Rang verbannt hatte. Zweifellos könnte auch der Export von elektrischem Strom, der wegen dem strengen Winter und dem hohen Inlandbedarf stabil bleiben mußte, eine Erhöhung erfahren, sowohl nach Westdeutschland, als auch nach der Schweiz. Es genügt der Hinweis auf den Zusammenbruch, den am 18. Jänner die Stromversorgung der benachbarten Eidgenossenschaft erlitten hat, die mehr denn je auf Stromimporte angewiesen bleibt.

Diese kurze Gegenüberstellung sollte nur daran erinnern, daß bei den zahllosen Zolldispositionen, die man gegenwärtig in Brüssel studiert, neben Eisen und Stahl zweifellos Maschinen, Textilien, Papier und elektrische Apparate eine wichtige Rolle spielen. Die EWG ist kein Wohltätigkeitsverein, sondern eine straff geführte Interessenvertretung, die, eingehüllt in unabdingbare „Thesen und Prinzipien einer europäischen Integration“, eine lange Liste von Forderungen unterbreiten wird. Billig wird das berühmte „Arrangement mit der EWG“ nicht sein! Da im Staatsinteresse ein harmonischer Ausgleich zwischen Opfer und Gewinn sowie zwischen den einzelnen Zweigen von Handel, Gewerbe und Industrie gefunden werden soll, tragen alle beteiligten Faktoren eine große Verantwortung. Prinzipielle Verzichte können nachträglich nicht mehr widerrufen werden. Unter diesen Umständen erscheint es als ein Glücksfall, daß die Kennedy-Runde des GATT und die Welthandelskonferenz der Vereinigten Nationen in die gleiche 'Zeit fallen wie die schleppenden Besprechungen in Brüssel. Die EWG-Kommission ist weitgehend durch die Vorbereitungen zur Auseinandersetzung über die Atlantische Gemeinschaft in Anspruch genommen, die von den Vereinigten Staaten gewünscht, dagegen von Frankreich mit zunehmender Schärfe abgelehnt wird. Jedenfalls nimmt die Liberalisierung in den verschiedensten Stilarten ihren Fortgang, ohne daß Österreich als kleiner und neutraler Staat die internationalen Strömungen beeinflussen könnte.

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