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Die farbige Resistance

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Die Weigerung der Neger, am Föderationsplan mitzuarbeiten, hat im wesentlichen zwei Ursachen.

Erstens fordert die farbige Gemeinschaft in Nordrhodesien und Njassaland Selbstrcgie-rung, wie sie die Engländer seit 1951 auch den Negern der Goldküste gewähren. Sie argumentieren weiter, daß selbst, wenn sie jetzt noch nicht reif für eine solche wären, keine weitere politische Macht an die weiße Minorität gegeben werden dürfe, bis sie selbst einen fairen Anteil an den Staatsgeschäften zu übernehmen imstande seien. Daher verlangen sie, daß der Status quo der gegenwärtigen britischen Protektoratsverwaltung bis zu einem solchen Zeitpunkt aufrechtzuerhalten sei. Weiter argumentieren sie, daß die Föderation zu einer Ausdehnung des weißen Einflusses auf die nördlichen Länder führen könnte. Und da ist etwas Wahres daran.

In Südrhodesien können die weißen Siedler seit 1923 die Politik ihres Landes, das neben 140.000 Weißen auch fast zwei Millionen Neger beherbergt, allein bestimmen. Sie verkünden die sogenannte „Rassentrennungs-

politik“ (südlich des Limpopo nennt es Doktor Malan „Apartheid“), die die völlige Trennung von Weiß und Schwarz in getrennten Gebieten erreichen will. Das ist angesichts des immer größer werdenden Bedarfes der europäischen Industrien nach schwarzen Arbeitskräften vollkommen illusorisch und vermag auch nur ein dürftiges Mäntelchen für die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Tatsachen abzugeben: daß es den Weißen darum zu tun ist, ihren hohen Lebensstandard auf Kosten der Schwarzen aufrechtzuerhalten. Die schärfsten Verfechter einer solchen Politik sind daher diejenigen, die sich am untersten Ende der weißen sozialen Stufenleiter befinden, die daher eine Konkurrenz der Neger am frühesten zu spüren bekommen. Es sind also sowohl die kleinen Farmer, als auch die halbgelernten Arbeiter der Industrie. Dieses Problem der „armen Weißen“ ist übrigens in der Südafrikanischen Union noch viel aktueller und bestimmt nicht zuletzt die dortige, wesentlich schärfere Tonart des Rassenkampfes.

Folgende Statistik zeigt die L a n d v e r-t e i 1 u n g per Kopf der Bevölkerung:

Südrhodesien Nordrhodesien Njassaland

per Kopf eines Weißen . 1,38 km2 1,41 km2 3,54 km2

per Kopf eines Negers ........ 0,06 km2 0,16 km2 0,04 km2

Es muß noch gesagt werden, daß die Europäer in Südrhodesicn und zum Teil auch in Nordrhodesien die besten Gebiete in der Nähe der Eisenbahnen und Straßen innehaben, während die Eingeborenenreservationen die trockenen, ungünstig gelegenen, von Tsetsefliegen verseuchten Gebiete sind. Von den 1229 km südrhodesischer Eisenbahnen führen nur 90 km durch Eingeborenenreservationen.

Ein weiterer Konfliktstoff ist das Problem der Arbeitskräfte. Die Neger werden durch die hohe Kopfsteuer gezwungen, ihre Reservationen zu verlassen und bei den Europäern Arbeit zu suchen. Es ist nun ein weiterer Hauptzug der Rassentrennungspolitik, die Neger auf die schlechtbezahlten, ungelernten Berufe zu beschränken und die gutbezahlten, gelernten Berufe den Weißen vorzubehalten. In Südrhodesien ist das durch

Gesetze (wie die „ Indus trial Conciliatiön Act“ von 1934) ausdrücklich festgelegt, während es in Nordrhodesien durch Spezial-abmachungen der mächtigen weißen Gewerkschaften mit den Unternehmern vielfach erzwungen wird. Doch bemühen sich hier die englische Regierung und die Missionsschulen, die Neger in verschiedenen Berufen, wie als Zimmerleute, Drucker, Schlosser usw., auszubilden.

Der Durchschnittslohn der weißen Arbeiter liegt um ein etliches über dem Weltdurch-schnitt und ist vier- bis fünfzigmal so hoch als der der schwarzen.

Ein besonderer Zankapfel sind die sogenannten halbgelernten Berufe., Denn hier ist es so, daß ein schwarzer Chauffeur zum Beispiel drei englische Pfund im Monat bekommt, während sein weißer Kollege, der genau die gleiche Arbeit tut, dreißig englische Pfund erhält.

In Südrhodesien, nicht aber in Nordrhodesien und Njassaland, finden wir die gleichen Paßgesetze wie in Dr. Malans Union, die die Bewegungsfreiheit der Eingeborenen einschränken. Allen Negern, die in Städten leben, ist es zum Beispiel untersagt, zwischen 9 Uhr abends und 5 Uhr früh auf den Straßen zu sein. Alle schwarzen Arbeiter müssen immer ihre Identitätskarte bei sich tragen, auf der, neben ihren Fingerabdrücken, ihr Arbeitsverhältnis genau eingetragen ist. Kein Neger bekommt bei einem Bahnhof des Landes eine Fahrkarte, ohne seine I-Karte vorzuweisen, in der seine Entlassung eingetragen sein muß. Werden sie ohne diese Karte angetroffen, so können sie mit zehn Pfund (mehr als zwei Monatslöhnen) oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft werden. Tatsächlich wurden 1939 wegen solcher und anderer rassischer Delikte 59.923 Personen verurteilt.

Und zu allen diesen wesentlichen Diskriminierungen muß man die Fakten des täglichen Lebens hinzufügen, die sich aus der Existenz einer Herren- und einer Sklavenrasse ergeben. Postämter und Geschäfte haben gewöhnlich getrennte Eingänge für Weiße und Schwarze und einen niederen Stand der „Höflichkeit“ für ihre schwarzen Kunden. Wenn zum Beispiel ein Kaufmann einen schwarzen Kunden bedient und ein Weißer den Laden betritt, muß sich der Geschäftsinhaber sofort der Bedienung des weißen Kunden zuwenden. Die Eisenbahnen führen eine erste, zweite und dritte Klasse: für die Neger ist nur die dritte Klasse bestimmt.

Trotz der elenden Lebensbedingungen der Neger in den Industrien und noch mehr auf den europäischen Farmen konnte der Kommunismus hier nur geringen Einfluß erreichen. Als am 1. und 2. April 1953 in Nordrhodesien, aus Protest gegen die Föderation, der Generalstreik ausgerufen wurde, wurden zugleich auch „zwei Tage des Gebetes“ von den offiziellen schwarzen Körperschaften proklamiert. Diese religiöse Haltung ist primär auf die „Wachtturmbewegung“, aber auch auf andere, durch das Geld amerikanischer Neger geförderte Sekten, zurückzuführen, die es verstanden haben, den gleichen starken Einfluß auf die Neger zu gewinnen wie in der Südafrikanischen Union die „Aethiopische Kirche“.

Die Weißen fühlen die Unsicherheit ihrer Lage — 190.000 Weißen stehen im neuen Staat 6,200.000 Neger gegenüber! Jeder Verdruß mit den Negern, wie ihn eine um sich greifende Protestaktion gegen die Föderation mit sich bringen mag, erzeugt einen Schrei für weiteren Druck und für die Erlassung noch schärferer Gesetze gegen diese. Und jede Partei, die verspricht, die Neger niederzu-

halten, kann sicher sein, die Stimmen von Menschen zu bekommen, die sich ihrer Ungerechtigkeiten bewußt sind. Auf der einen Seite das Beispiel Südafrikas, auf der anderen das Ende der weißen Herrschaft an der Goldküste und in der Mitte das Fanal Kenyas, befinden sich die Europäer hier am Rande des Abgrundes.

Schließlich darf man auch die gewaltigen Rohstoff- und Energiereserven dieser Gebiete nicht vergessen. Ein Land, das im Besitz von 25% der 'Weltkupfervorräte ist, dessen

Chrom- und Vanadiumproduktion je 20% der Weltproduktion betragen und dessen Asbestproduktion 10% der Weltförderung entspricht, das die größten Kohlenlager Afrikas und fast alle anderen seltenen Minerale, wie Kobalt, Zink, Blei, Wolfram, Mangan, Antimon, Zinn, Nickel, Selen, Titan, besitzt, in dessen Strömen Millionen Kilowatt noch nicht ausgenützter elektrischer Energie schlummern, ein solches Land kann des dauernden Interesses der Großmächte, sei es wer immer, sicher sein.

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