Karl Renner - © Foto: IMAGNO / ÖNB

Karl Renner - gegen Christ und Jud

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Wer in einer historischen Betrachtung Karl Lueger und vor allem seinen Antisemitismus kritisiert, darf damit den offenen Antisemitismus anderer nicht übersehen. Etwa jenen von Karl Renner.

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Wer in einer historischen Betrachtung Karl Lueger und vor allem seinen Antisemitismus kritisiert, darf damit den offenen Antisemitismus anderer nicht übersehen. Etwa jenen von Karl Renner.

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"Mit dem heimlichen Hin- und Herlaufen bei den Banken, mit den Beziehungen zu den Bankdirektoren, damit wird sich das Judentum nicht aus der Welt schaffen lassen, das dabei gedeiht.“

"Sie (Bundeskanzler Seipel) haben endlich auf den Thron unserer Finanzen das edle Paar gesetzt: Christ und Jud, Doktor Gürtler und Dr. Rosenberg.“

"Wenn der arme Dr. Lueger jedesmal, wenn Sie (Bundeskanzler Seipel) gegen seinen (antisemitischen) Geist sündigten, sich nur einmal im Grabe umgewendet hat, so müsste er schon zu einem perpetuum mobile, zu einem Windrade geworden sein.“

Das sind keine antisemitischen Wortgewitter des Christlichsozialen Karl Lueger, sondern des Sozialdemokraten Karl Renner. Trotzdem soll ein Stück Ring seinen Namen behalten, wogegen Lueger dieser Ehre nicht mehr würdig ist. Allein die Parlamentsprotokolle von 1920 bis 1923 belegen den Antisemitismus Renners hinreichend.

Aus der Entscheidung der Stadt Wien, den "Karl-Lueger-Ring“ in "Universitäts-Ring“ umzubenennen, ergeben sich viele Fragen, die mit der Glaubwürdigkeit und Ausgewogenheit der Geschichtsforschung zusammenhängen. Deshalb muss bei aller Berechtigung der Diskussion über den Antisemitismus Karl Luegers auch über den Antisemitismus Karl Renners sachlich diskutiert werden. Ohne deshalb die großen Verdienste beider Persönlichkeiten um die Republik Österreich und die Stadt Wien schmälern zu wollen.

Aus der heutigen gesicherten Kenntnis der geschichtlichen Ereignisse des 20. Jahrhunderts einschließlich der furchtbaren Greueltaten des Nationalsozialismus im Holocaust sind die vielen antisemitischen Äußerungen Karl Luegers keinesfalls akzeptabel und eindeutig zu bedauern. Auch wenn dieser populistische Antisemitismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts bei Weitem nicht vergleichbar ist mit dem zerstörerischen rassistischen Antisemitismus des Hitler’schen Nationalsozialismus. Lueger kannte weder Hitler noch den Nationalsozialismus.

Wann immer er konnte, gab Karl Renner in seinen Parlamentsreden den Begriffen "jüdisch“ oder "Juden“ einen negativen Drall. Es ging ihm 1920 nicht um die Schleichhändler in Wien generell, es waren immer die "jüdischen Schleichhändler“, die er anklagte, obwohl eine große Zahl nicht-jüdisch war.

Attacken auf Seipel wegen Juden-Kontakten

Es ging ihm nicht darum - wie man es von einem Sozialdemokraten erwarten konnte - das Großkapital, den Manchesterliberalismus generell und die Banken zu kritisieren, es ging ihm immer um das "jüdische Großkapital“ um die "jüdischen Banken“ und den "jüdischen Manchesterliberalismus“.

Nachdem die Nationalratswahl vom Oktober 1920 eine Mehrheit für die bürgerlichen Parteien gebracht hatte, äußerte sich Renner in der Nationalratssitzung vom 23. November 1920 unzweideutig zur "Judenfrage“ und forderte die neue Regierung ironisch zum Handeln auf: "Sie werden jetzt Gelegenheit haben, die Judenfrage zu klären.“ Denn unter der christlichsozialen Herrschaft in Wien seien "die Juden reich geworden“, und während sie früher "noch bescheiden in der Leopoldstadt wohnten, haben sie jetzt Mariahilf und alle Bezirke überschwemmt“. Daher der Aufruf Renners an die Regierung: "Leben Sie sich aus auf diesem Gebiete!... Wir haben auch gar nichts dagegen, dass Sie den Herrn Kollegen Kunschak als Minister ohne Portefeuille für die Judenfrage einsetzen.“ Renner präzisierte dies noch einmal im März 1921: "ein Amt, das endlich das uralte Programm des Judenpogroms erfüllt, einen Spezialminister für Judenfragen, damit doch endlich gezeigt wird, dass Sie mit der Judenverfolgung ernst machen.“

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