6729603-1965_45_03.jpg
Digital In Arbeit

Kirche und Weltpolitik

Werbung
Werbung
Werbung

Konzil und Weltpolitk, das rührt an die alte Frage der Beziehungen zwischen Kirche und Politik, Religion und Politik. Es gibt nicht viele Fragen, über die so viele Mißverständnisse herrschen wie über diese Frage, ungewollte, aber nicht minder gewollte Mißverständnisse, bewußte Fehlinterpretationen. Das Spannungsfeld dieser Mißverständnisse reicht sehr weit, von jenen auf der einen Seite, die die Berührung mit der Politik gewissermaßen als die Ursünde der Kirche betrachten, die von einer reinen Geisteskirche schwärmen, bis zu jenen, für die die Kirche ein rein politisches Instrument darstellt, für die der Glaube nur insoweit interessant ist, als er politisch wirksam wird, die nur einen Katholizismus, den politischen Katholizismus kennen wollen Dazu kommt, daß unsere Zeit so sehr auf vordergründige Machtpolitik fixiert ist, daß sie für rein geistige, seelische oder gar religiöse Werte viel weniger Aufnahme- oder Reaktionsvermögen zeigt, daß sie daher auch geistige Bewegungen, seelische und religiöse Erlebnisse meist nur nach ihrer politischen Auswertungsmöglichkeit taxiert. Gerade die katholische Kirche muß es sich daher anscheinend gefallen lassen, daß alles, was sie tut und läßt, allein nach politischen Motiven beurteilt wird und von den politischen Kräften nach den Vor- und Nachteilen bewertet wird, die sie daraus zu ziehen imstande sind.

Der Papst hat keine Divisionen

Wie weit hat nun die Weltpolitik das Konzil beeinflußt, wie weit vermag das Konzil die Weltpolitik zu beeinflussen? Untersuchen wir zuerst, auf welchem Wege eine solche Beeinflussung überhaupt möglich ist. Die Kirche ist keine politische Weltmacht, kein weltlicher Arm steht ihr zu Diensten — schon einmal wurde ironisch gefragt, wie viele Divisionen denn der Papst habe. Sie ist in keine politische Gruppenbildung verstrickt, keine Macht der Welt ist bereit, Beschlüsse des Konzils zu exekutieren, aber es sitzen anderseits auch nicht die Vertreter der Fürsten und Könige auf dem Konzil, die durch ihr Veto Konzilsbeschlüsse verhindern können, die durch Intrigen, Bestechungen, Beeinflussungen das Konzil in ihrem Sinne lenken wollen, für die das Konzil nur die Bühne ist, ihre politischen Geschäfte zu besorgen. Kaum ein Staat aber wird Beschlüsse des Konzils in seinem Reich zu unterbinden versuchen. Möglichkeiten der gegenseitigen Beeinflussung sind dennoch gegeben, müssen und sollen auch gegeben sein, denn die Kirchenversammlung agiert ja nicht( im luftleeren Raum, und besonders dieses Konzil hat es sich zur Aufgabe gestellt, die Kirche mit der Umwelt zu konfrontieren.

Die öffentliche Meinung

An Stelle der Könige und Fürsten ist heute die öffentliche Meinung getreten, die Rolle der Gesandten und Botschafter spielen heute die Journalisten. Die Nachrichten, die in Sekundenschnelle die ganze Welt umkreisen, ersetzen die früheren Geheimberichte. Die Kirche hat aus einer gewissen konservativen Grundhaltung heraus die Wichtigkeit der öffentlichen Meinung nicht immer richtig eingeschätzt. Manche Publizisten beklagen es, daß sie dies auch heute noch nicht im notwendigen Ausmaß tue. Aber daß der Versuch, ein absolutes Konzilsgeheimnis zu wahren, rasch aufgegeben wurde, daß man erkannte, daß jedes Bemühen in dieser Richtung nur die Konzilsatmosphäre vergiften könne, da dann statt Nachrichten nur Gerüchte, Kombinationen und Meinungen publiziert würden, das ist doch gewiß ein Fortschritt. Die öffentliche Weltmeinung ist diesem Konzil seit seinem Beginn, ja seit seiner Ankündigung schon, positiv gegenübergestanden. Sie hat dem Konzil eine Publizität verschafft, die die Erwartungen weit übertraf. Durch die öffentliche Meinung hat die Welt auf das Konzil gewirkt. Auch durch die katholische öffentliche Meinung, denn auch die Konzilsväter sahen sich einer öffentlichen katholischen Meinung in ihrer Heimat und in Rom gegenüber. Der positiven Einstellung der Welt der öffentlichen Meinung zum Konzil kam zugute, daß die Kirche nach dem Ende des zweiten Weltkrieges mit Sympathien rechnen konnte, weit über den Kreis des Kirchenvolkes und der Glaubensgenossen hinaus. Die Verfolgung durch Nationalsozialismus und Kommunismus, der Kampf der Kirche für die geistige und seelische Freiheit der Menschen, ihre Blutzeugen am Schafott und in den Konzentrationslagern, aber auch die Tatsache, daß sie allein in dem Wandel der Ereignisse in dem politischen Inferno unerschütterlich und sich selbst treu blieb, hat ihr diese Sympathien eingebracht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung