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Mächte im Hintergrund

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Kairo, Im März 1952

Die geistigen Väter der ägyptischen Bartholomäusnacht vom 26. Jänner 1952 sitzen zweifellos in der Omar-Moschee, sie stehen an der Spitze der Moslembruderschaft, der „Ikhwan el Muselmini“, als deren wendigen, allzu wendigen „Außenminister man eine illustre Persönlichkeit bezeichnen könnte: Mohammed Hadschi Amin al Husseini, einstiger Freund und Vertrauter Hitlers, Großmufti von Jerusalem, dem König Faruk in dem still - vornehmen Heliopolis in der Villa .Aida eine pompöse Residenz eingerichtet hat, der in aller Herren Ländern seine „Gesandten unterhält und über den ganzen Erdball seine Intrigen spinnt. Die Teilnahme beträchtlicher Kontingente der Moslembruderschaft von den nationalistischen Studentengruppen, wafdistischen Jugendorganisationen bis zu den fanatischen „Töchtern vom Nil wird von niemand bestritten) das hätte auch wenig Sinn, denn ihre organisatorischen Rollen sind tausendfach bezeugt und niemandem unbekannt. Das passive Verhalten der Polizei, für das deren oberster Chef, der damalige Innenminister Fuad Serag el Din, verantwortlich ist, seine negative Haltung gegenüber einem vom Kommandanten der Stadtpolizei schon am Vormittag nachgesuchten Eingreifen von Armeetruppen kann auch bei der freundschaftlichsten Einstellung nicht anders denn als gröbste Pflichtvergessenheit bezeichnet werden. Und die Tatsache, daß der Innenminister, der bezeichnenderweise gleichzeitig auch Sekretär der Wafdpartei war, zur Zeit des Höhepunktes der grausigen Ausschreitungen mit Privatangelegenheiten und der Ministerpräsident Nahas Pascha mit dem Maniküren seiner Hände beschäftigt waren, läßt die Behauptung nicht gerade absurd erscheinen, daß selbst prominente Regierungsmitglieder in bezug auf die Pläne der Unruhestifter und Mordbrenner nicht ganz ahnungslos waren.

Die auffallend grute Organisation des Aufstandes, dessen planmäßige Führung bis zu einem gewissen Augenblick fest in den Händen nationaler Elemente war, trägt unzweifelhaft den Stempel des ägyptischen Nationalismus und religiöser Fanatiker, und es ist absolut glaubwürdig, daß der Aktionsplan ein streng- diszipliniertes Vorgehen nur gegen englischen Besitz und anglophile Geschäftsleute vorsah und Plünderungen und Angriffe auf das Leben von vornherein ablehnte. Zugunsten einer solchen Annahme spricht das bei Beginn des Aufruhrs in verschiedenen Fällen fest- gestellte rücksichtslose Einschreiten gegen Plünderer ns den eigenen Reihen. Schon sehr bald nach den ersten Brandlegungen aber, nachdem der Straßenpöbel zu vielen Zehntausenden durch die Stadt flutete, entglitt die Kontrolle den natio- \ nalistisch-mohammedanischen Händen, um in eine, so wenigstens möchte es den Anschein haben, wüste, zügel- und führerlose Orgie auszuarten. Daß in Wirklichkeit ein ganz anderer Vorgang sich abspielte und die Aufpeitschung der. Massen eine künstliche und von gewisser Seite beabsichtigte war, läßt sich aus vielen nach und nach bekannt werdenden Vorkommnissen unschwer folgern.

Zusammenspiel zwischen Rechts und Links

Hierüber kann und darf kein Mißverständnis aufkommen: der Aufstand vom 26. Jänner war das Werk beider Extremisten, der äußersten Rechten und der extremen Linken; für seine Planung sind Nationalisten und Kommunisten gleichermaßen verantwortlich, wie sie auch beide bei der taktischen Führung beteiligt waren. Die Verhaftung von Ahmed Hussein, Führer der Linkssozialisten und Busenfreund der Kommunisten, ist bestimmt kein Fehlgriff der neuen Regierung, aber ihn als die treibende Kraft der Mordbrenneraktion zu bezeichnen, bedeutet eine Irreführung. Ahmed Hussein war lediglich einer der Akteure, eine der treibenden Kräfte und selbst auf dem linken Flügel des Aktionskomitees nicht einmal die prominenteste.

Der Grund aber, weshalb die rechtsradikale Verschwörerclique ihren ultraroten Komplicen preisgibt und zum Sündenbock stempelt, liegt nicht zuletzt in dem unfairen Verhalten der Kommunisten, die im Verlaufe der Aktion ver- suchteii, für eigene Rechnung und zu Lasten des nationalistischen Partners im trüben zu fischen: die Rollen der verschiedenen Teilnehmer wurden wohl vor dem Aufstand klar Umrissen und verteilt. Diese Rollenverteilung wies offenbar den linkssozialistischen und kommunistischen Elementen eine bestimmte Aufgabe im .Spielplan zu, nämlich den Straßenpöbel in möglichst großer Zahl nicht nur auf die Straße zu bringen, sondern auch zu kontrollieren und Exzesse, Totschlag und Plünderung zu verhindern. Anstatt aber diese übernommene Aufgabe „loyal“ zu erfüllen, übernahmen linksextreme Elemente die Führung der Massen, um diese, wie sich jetzt immer klarer herausstellt, entgegen dem ursprünglichen Plan und in Verletzung der Vereinbarungen mit den Nationalisten, geradezu zu den sadistischen Ausschreitungen und zur Plünderung aufzuputschen.

Der zweck dieses „Dolchstoßes ist ein deutig: man wollte nicht nur den nationalistischen Partner, unter dessen Flagge die ganze Aktion segelte, diskreditieren, sondern gleichzeitig sein eigenes Süppchen kochen. Wieweit es sich dabei um Anweisungen von „oben“ oder um die Subordination einzelner Unterführer handelt, läßt sich natürlich kaum feststellen. Allerdings, die Methodik spricht weit eher für eine durchdachte, gut berechnete Aktion, und die Disziplin und der Gehorsam der kommunistischen Elemente läßt vermuten, daß es sich tatsächlich um einen „höheren Befehl und nicht um ein eigenmächtiges Handeln untergeordneter Anführer handelte. Sicher ist, daß durch diese rotfaschistische „Quertreiberei“ nicht nur dem Lande geschadet wurde, sondern auch das Verhältnis zu den wafdistischen Nationalisten stark gelitten hat.

Für den Zauberlehrling in der Villa „Aida dürfte es keine leichte Aufgabe sein, die Eintracht seines „Kabinetts der Querverbindungen wieder herzustellen: die arabischen Nationalisten werden von einem weiteren Paktieren mit den Jüngems Moskaus in nächster Zukunft kaum mehr etwas wissen wollen. Die Stimmen mehren sich, die auf die Villa „A’ida hinweisen und den Großmufti als Haupturheber des Aufstandes bezeichnen. Und in der Tat: daß das Komplott in der „Residenz“ von Heliopolis aus- geknobelt wurde, läßt sich, wenn auch schwer beweisen, kaum bezweifeln. Die Prominentesten jener Kreise, deren Teilnahme außer Frage steht, zählen seit langem zu dem engeren Freundes- und Besucherkreis von Mohammed Hadschi Amin al Husseini, der vom König seines

Amtes entsetzte Rektor der theologischen Universität El Azhar, Scheik Ibrahim Hamrousch, der ehemals allmächtige Generalsekretär der Wafdisten und frühere Innenminister Fuad Serag el Din, führende Persönlichkeiten der Omar- Moschee (der eigentliche Sitz der Moslembruderschaft), der nach dem Aufstand verhaftete Sozialistenführer Ahmed Hussein, dessen Busenfreund, der Korrespondent der .Prawda“, von dem man wissen will, daß er seinen Bericht über die Ereignisse des verhängnisvollen Samstags schon in der Nacht vom Freitag nach Addis Abeba (I) von der Villa .Aida’ aus durchgegeben habe.

Zu diesem illustren Freundeskreis des Großmufti gesellen sich, um das Bild der friedlichen Familie abzurunden, einige Herren, die zwar an den Jännerereignissen höchstens indirekten Anteil haben, deren Namen aber aufhorchen lassen und einen Schluß zulassen über die weltweiten Verbindungen des Meisterintriganten in Heliopolis. Millionen von Europäern klingen die Namen nicht unbekannt, aber sie wecken unangenehme Erinnerungen und verbreiten einen Geruch von Blut und Mord. Dennoch, oder gerade deshalb, wirken sie alarmierend und mahnen zur Vorsicht. Es sind dies, um nur einige der dem Großmufti unmittelbar unterstellten .Tausendjährigen zu nennen, die sich nach dem nazistischen Debakel in die arabischen Länder abgesetzt haben: ein alter Freund des Mufti, dem einst Adolf Hitler die Endlösung der Judenfrage übertragen hat, SS-Hauptsturmbannführer Eichmann,- Hitlers Polizeichef von Galizien, SS- Brigadeführer Kazmann; dessen ranggleicher Kollege vom Schwarzen Korps, Dr. Hirlewanger; eine Reihe von Rüstungsspezialitäten und einstigen Offizieren des Rommelsdien Afrikakorps, unter denen besonders hervortreten: Professor Dr. Voß, einstiger Direktor der Pilsener Skoda-Werke, und General Farmbacher, der als .agent voyageur viel in den arabischen Staaten des Nahen Ostens unterwegs ist Durch diese Vertreter der faschistischen Internationale unterhält der Großmufti 6eine Verbindungen hinüber nach Spanien, nach Argentinien, nach West- und Ostdeutschland, nach Wien und Italien; durch diesen berufenen Stab spinnt er sein Intrigennetz über den Erdball, und durch sie hat eir auch den Anschluß nach Moskau nicht verpaßt. Er ist ein Mann, der in jedem Sattel zu reiten versteht, und sein .Kabinett der Querverbindungen eignet sich vortrefflich als Koordinationsstelle für nahöstliche Aktionen nach dem Muster des .Schwarzen Samstags , an dessen Ereignissen er, nach Ansicht breiter Kreise, einen dominierenden Anteil hat

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