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Randhemerhungen zur woche

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N1CHT AN DIE SOL1ZEI, NICHT AN DAS GESETZ — AN DAS GEWISSEN DER KINOBESITZER seines Landes wandte sich der Landeshauptmann von Sa l z-b ur g, wenn er sie jetzt in einem Schreiben aufgerufen hat, freiwillig dazu beizutragen, daß der steigenden Flut von Verbrechen Einhalt getan werde, denen moralisch schwache Menschen unter dem allzuoft nachweisbaren verhängnisvollen Einfluß der Gangsterfilme verfallen. Der schöne Akt des Salzburger Landeschefs ist ein Anruf des sittlichen Verantwortungsbewußtseins einer Unternehmergruppe, in deren Hand ein wichtiges Instrument der Bildung und Volkserziehung gegeben ist, eine Wirkweite, die keine geringere Verpflichtung deshalb auflegt, weil sie auch mit einem lizenzierten Geschäft verbunden ist. Es wäre viel gewonnen, wenn die Unternehmer des Ltcht-spielwesens ein Beispiel gesunder Berufsauffassung geben würden. Die Gesetzgebung, die dem Kino großzügig Spielraum gewährt, besitzt nur insoweit Berechtigung und Bestand, als das Unternehmertum die gewährte Freiheit nicht in Widerspruch zur öffentlichen Wohlfahrt nützt. Das gilt nicht zuletzt in der Festspielstadt, die einer vor der ganzen Welt erbrachten österreichischen Kulturleistung sich rühmen darf.

DAS GUTE BEISPIEL IN DER PREISERSTELLUNG, das die Gemeinde Wien der Bevölkerung geben sollte, ist leider ausgeblieben. Sie läßt sich alle ihre Leistungen, die mit einem' Mehraufwand verbunden sind, höher bezahlen, Das wird niemanden wundernehmen; aber daß Leistungen, die in einem Federstrich bestehen, mit einer fünfzig- bis hundertprozentigen Verteuerung belegt werden, dürfte sich kein Privater erlauben, ohne mit Recht öffentlich zur Verantwortung gezogen zu werden. Man kritisiert und bekämpft das Verhalten von Kartellen und Monopolunternchmungen, die ihre Macht zu kapitalistischen Fischzügen mißbrauchen. Die Gemeinde Wien bejdient sich ihres mächtigen Verwaltungsmonopols ausgiebig, um bei hunderten kleinen Gelegenheiten Verwaltungsgebühren einzuheben, die der Bevölkerung eine sehr ausgiebige Mehrbelastung auferlegen. Nicht einmal beim Begrabenwerden bleibt der Wiener davor geschützt. Muß sein Leichenbegängnis auf eine andere Stunde verlegt werden, so sind dafür anstatt 20 S 50 S zu bezahlen; für die Ausfertigung eines Grund-buchfiuszugas sind fortan anstatt 20 S 60 S zu entrichten; für Heimatrollenauszüge, Bestätigung der bewilligten Aufstellung eines Petroleumofens, Schulzeugnisabschriften, für Meldeamtsbestätigungen, generali-ter gesagt für alles, wo Tinte in Betracht kommt,, treten Verteuerungen in Betracht, die mit den Regeln des Lohn- und Preisabkommens und seinen normalen Rückwirkungen nichts zu tun haben. Dieser Finanzpolitik huldigen die Preistreiber mit Dank. #

NACH SCHWIERIGEN ANFANGEN ist es nun so weit. Die „Osterreichische Kultur w och e“ wird vom 16. bis 26. November stattfinden. Die Wehen waren viel umstritten. Instinktiv lehnte sich die österreichische Öffentlichkeit auf gegen „Muse und Motor“, gegen eine gewisse Betriebsamkeit und Geschäftigkeit. Man rerioies auf die mageren Ergebnisse der vorjährigen Rednertage. Hinter dieser Ablehnung stand aber noch etwas anderes: das Mißtrauen gegen „Kulturpropaganda“. Ist Kultur nicht ein Gewachsenes, die Frucht der Stille, angestrengter Arbeit, intimer Auseinandersetzung, ein Opfer oft, der Entbehrung, dann die Blüte der Muße, der Freiheit? Kann man für Kultur Propaganda machen? Gewiß, so gab man zu, in totalitären Staaten wird Kultur dergestalt vertrieben. Schickt sich das aber auch für unser Osterreich? Es war also nicht nur die schlechte Laune der Unlustigen und Untätigen, es gibt nach wie vor ernste, kritische . Bedenken gegen Kulturdemonstrationen; dennoch läßt sich nunmehr, da ein Gesamtprogramm der Veranstaltungen und Bestrebungen vorliegt, deutlich Positives bemerken. Die Fülle der Feiern und Feste, der Vorträge, Konzerte und Ausstellungen ist es an sich nicht. Bemerkenswert immerhin, daß die Akademie der Wissenschaften im Rahmen einer Festsitzung sich sozusagen dem, Volk vorstellt und über ihre .Arbeiten berichtet. Beachtenswert die Einleitung der „Kulturwoche“ durch die „österreichische Buchwoche“ im wiederhergestellten Foyer der Staatsoper. Wichtiger erscheinen uns die Ansätze eines echten Echos in verschiedenen kulturell unerschlossenen Kreisen beziehungsweise die Initiative und Begegnung fremder Elemente. Ein Kaufhaus beginnt, fünfzig Karten für Konzerte und Theater monatlich an seine Arbeiter und Angestellten als Prämien zu verteilen, ein Modesalon stellt seine Räume für Vorträge junger Dichter und Komponisten zur Verfügung, das Landwirtschaftsministerium plant die

Errichtung von Kulturstellen auf dem Lande. Die Länder rühren sich energisch. Steiermark, Kärnten, Salzburg, Nieder- und Oberösterreich haben sich kräftig eingeschaltet. Um den Blutkreislauf des Kulturkörpers zu beleben, hat man nun eine Art Notgeld der Kultur geschaffen: den „Goldenen Groschen“ der Kultur. Dieser goldene Groschen (um S 1.— in Trafiken usw. erhältlich) kann zunächst als Eintrittsgeld für kulturelle Veranstaltungen der Woche verwendet werden. Diese Form ist aber nur alt Initiallösung gedacht. Weitergeführt, in Gestalt von Sparmarken und Sparheften, soll er Kinder und Erwachsene (bekanntlich benehmen sieh letztere bei gewissen Ausgaben viel kindischer als Kinder) ermutigen, kleine Ersparnisse zu tätigen, die dann für kulturelle Zwecke (Theater, Bücher usw.) eingelöst werden können. Eine beachtenswerte Idee; leider ist das Werthafte damit noch nicht notwendigerweise verbunden. Mit diesen Sparmarken können natürlich auch Courths-Mahler-Bücher und Schwundoperetten „erstanden“ werden. Trotz allem — Einwände werden immer zu machen sein, sollen auch erhoben werden, ein Unternehmen dieser Art muß von der Kritik leben: es steht zu hoffen, daß inmitten dieser Fülle von Projekten und Manifestationen da und dort das geschieht, was heute nachgeradezu als ein „Wunder“ angesehen werden muß: eine Tür geht auf, ein Tor öffnet sich und in die dumpfe Resignation, in die müde Verschlossenheit, in die Leere tönt eine Stimme. Ein Ruf wird aufgenommen, ein Gewissen erwacht. Menschen besinnen sich auf den Sinn, auf den wahren Schmuck ihres Lebens. Das ist die Chance der Kultur.

DIE ANKUNFT EINES HEIMKEHRERTRANSPORTS in der vergangenen Woche — nach einer Pause von nahezu einem Jahr — hat die Hoffnung auf die Rücksendung der übrigen noch in der Sowjetunion zurückgehaltenen Kriegsgefangenen und Zivilinternierten neu belebt. Auch die Reise des Präsidenten des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz nach Moskau und die bevorstehende Behandlung der Kriegsgefangenenfrage vor der UN-Generalversammlung können als günstige Zeichen dafür gewertet werden, daß die neuerlichen Vorstellungen zum richtigen Zeitpunkt kommen. Nach den Angaben der zuletzt Heimgekehrten warten noch Tausende Oster-reicher in den Sammellagern auf ihren Heimtransport. Es handelt sich dabei vor allem um jene Kriegsgefangenen, die in kollektiven „Kriegsverbrecherprozessen“ verurteilt, dann aber begnadigt wurden beziehungsweise noch die Begnadigung erhoffen. Dabei kommt in Betracht, daß ganze Gruppen militärischer Pflichtkreise und Dienststellen, wie das ganze Wachpersonat von Gefangenenlagern, Mitglieder von Orts- und Feldkommandanturen, Generalstabsoffiziere, Kriegsrichter mit untergeordnetem Personal, Kriegsberichterstatter, Dolmetscher aller Dienstgrade, Nachrichtenoffiziere mit gesamtem Pflichtpersonal (also etwa auch Köche und Fahrer solcher Dienststellen), als „kriminell“ bezeichnet wurden. Die unbilligste Härte aber ist wohl die fast völlige U nterbrechung des Postverkehrs seit über einem Jahr. Wer bei der Ankunft des letzten Heimkehrertransports die riesige Menschenmenge am Wiener Südbahnhof gesehen hat, die bange, gespannte Erwartung in der langen Wartezeit vorher und dann die tiefe Niedergeschlagenheit Tausender, weil der Sohn, Gatte, Vater oder Bruder auch diesmal wieder nicht dabei war. der hat eine Ahnung davon bekommen, welch furchtbarer seelischer Qual Mer-schen aus unserer Mitte auch heute, über fünf Jahre nach Kriegsende, noch immer unterworfen sind.

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