"Mehr Regierungseinfluss? Völliger Nonsens!"

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Das neue ORF-Gesetz ist beschlossen, und Medien-Staatssekretär Franz Morak meint, ihm sei damit "ein demokratiepolitisch entscheidender Schritt gelungen". Aber schon warten neue Aufgaben, vor allem eine Reform der Presseförderung, auf ihn.

die furche: Herr Staatssekretär, Österreichs Zeitungsherausgeber beschäftigen zur Zeit die Zeitungsposttarife. Haben Sie als Staatssekretär für Medien dazu Tröstliches zu sagen?

Staatssekretär Franz Morak: Bleiben wir bei den Fakten. Es ist ein Thema, dem sich gerade Frau Bundesministerin Forstinger widmet und bei dem natürlich auch der Finanzminister ein gewichtiges Wort mitzureden hat, vor allem weil er einen Vertreter im Aufsichtsrat der Post hat. Die Preiskommission wird jetzt einmal die Preisvorstellung der Post abklären und analysieren, in wie weit das Vorgelegte auf realistischem Zahlenmaterial beruht. Ich glaube, es ist ein demokratiepolitisch sehr wichtiges Thema, dem wir uns noch mit großer Sorgfalt widmen werden.

Ich sehe auch das Argument, das Ihr Kollege Barazon in den Salzburger Nachrichten formuliert hat, nämlich, wenn es noch ein Monopol gibt beim Transport von Briefen, dann kann der Einfluss der Politik zu dieser Thematik nicht gegen Null tendieren. Ich meine, wir sollten Rahmenbedingungen schaffen. Auf der einen Seite geht es mittelfristig darum, privatwirtschaftliche Vertriebssysteme zu errichten, die sich auch im Bereich des Briefverkehrs und nicht nur der Zeitungszustellung bewegen, und auf der anderen Seite, dass wir diesen Übergang so gestalten, dass er für die Zeitungen bewältigbar wird.

die furche: Die von Ihnen angesprochene Medienvielfalt ist ja auch aus anderen Gründen bedroht, etwa durch den Zusammenschluss der großen Magazine im Land. Was sagen Sie zu den Stimmen, die sagen, man müsste hier kartellrechtlich stärker eingreifen?

Morak: Es gibt ein eindeutiges Urteil des Kartellgerichtes. Wir können das jetzt goutieren oder nicht. Jedenfalls sollte man in diesem Zusammenhang auch andere Initiativen der Regierung erwähnen: Zum Beispiel wird durch das neue ORF-Gesetz die zunehmende Verklüngelung zwischen den Markt beherrschenden Printmedien und dem ORF hintangehalten, etwa die über Hand nehmende Werbepräsenz des einen oder anderen großen Zeitungsanbieters in dem einzigen elektronischen Anbieter dieses Landes. Durch die Rücknahme des ORF aus diesem Spiel durch das neue Gesetz ist mir ein demokratiepolitisch entscheidender Schritt gelungen.

die furche: Was sagen Sie zu Vorwürfen, das neue ORF-Gesetz dränge den Einfluss der Regierenden nicht zurück, sondern verstärke ihn noch?

Morak: Das ist vollkommener Nonsens. Eine solche Behauptung ist nur möglich, wenn man sich mit dem Gesetz nicht näher beschäftigt hat. Wenn ich heute im ORF sage, ich verteile die Verantwortung wie im Aufsichtsrat einer AG - dann hat jeder persönlich und finanziell eine Verantwortung zu tragen. Dann schaut die Grunddisposition für jedes Mitglied im ORF-Stiftungsrat anders aus. Das ist der erste Punkt. Und der zweite Punkt: Ich weiß nicht, welche Leute die Oppositionsparteien kennen. Ich kenne genug Menschen, die persönlich für eine Meinung einstehen und sich dazu bekennen.

Wir haben das so genannte Malheur, das hat ja Blecha seinerzeit bitterlich beklagt, dass plötzlich irgendwelche Leute geheim anders abgestimmt hätten als das in den Parteizentralen ausgemacht worden ist. Wir nehmen alle Angestellten einer politischen Partei, einer Parteiakademie, Mitarbeiter von politischen Büros, auch innerhalb der Ministerien und Staatssekretariate, aus den Gremien heraus und sagen: Es sollen dort Leute hinein, die rechtlich eine Ahnung haben, die vom Medienmarkt eine Ahnung haben und die Kaufleute sind, also von Wirtschaft eine Ahnung haben, das heißt, dass man auch die Parameter vorgibt. Mehr können Sie vom Gesetzgeber nicht mehr verlangen. Der Rest ist gelebte Demokratie.

die furche: Das neue Gesetz schreibt dem ORF zu gewissen Zeiten anspruchsvolles Programm vor. Wer definiert, was anspruchsvoll ist?

Morak: Ich möchte hier einfach Gerd Bacher zitieren: "Das mag für einen Philosophen eine sehr tiefe und sehr weit führende Frage sein, aber jeder Journalist sollte das wissen." Jeder von uns ist in der Lage, den Unterschied zwischen der "Zürcher" und einem Boulevardblatt zu erkennen.

die furche: Da gibt's aber dazwischen natürlich eine sehr breite Zone.

Morak: Ja, aber es wäre unverantwortlich, wenn wir im Gesetz etwas anderes hineinschreiben wollten. Denn erstens wollen wir die Flexibilität des einzelnen Redakteurs nicht einengen, und es definiert sich ja Anspruch immer anders. Ich habe immer gesagt, wenn Sie den Film "Basic Instinct" im Jahr 1952 gespielt hätten, wären Sie nicht ohne Gefängnis davon gekommen - wegen Verletzung vieler Paragraphen. Heute ist das ein spannender wichtiger Film der Filmgeschichte geworden. Das heißt, Geschmack ändert sich, es ändert sich der Zugang zur Qualität, und das, was wir heute als Qualität bezeichnen, wäre vor 20 Jahren nicht Qualität gewesen, schauen Sie im bildnerischen Bereich, im Architekturbereich und so weiter. Das heißt hier gibt es eine größtmögliche Flexibilität, aber auch Verantwortung der Programmgestalter, denn die definieren jeden Tag aufs Neue: Was ist Qualität, was ist Objektivität und wie belege ich sie mit meinem Programm?

die furche: Gibt es Sanktionen, falls eine qualifizierte Mehrheit etwas nicht anspruchsvoll findet?

Morak: Das ist die wirklich spannende Herausforderung. Ich sage das am Beispiel der Formel 1: Es findet jetzt ein Verdrängungswettbewerb, auch schon in Österreich, statt: Wer kriegt die neuen Übertragungsrechte? Hier definiert der Wettbewerb das Profil des öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Das heißt, es muss erstens ein anderes Programm liefern und dann wirklich ernsthaft definieren, was die Aufgabe der Öffentlich-Rechtlichen im Bereich der Sportvermittlung ist. Es kann ja nicht das Gleiche sein wie das, was SAT 1 oder RTL machen. Das heißt wir werden eine größere Differenzierung bekommen, einfach durch den Wettbewerb, und das werden die spannenden nächsten Jahre.

die furche: Im Zusammenhang mit den Zeitungsposttarifen wird oft eine geplante Reform der Presseförderung genannt, da in anderen Ländern die Förderung eher auf dem Gebiet der Vertriebswege funktioniert - was ist punkto Presseförderung von Ihnen geplant?

Morak: Das ist in Arbeit, aber noch nicht zu Ende verhandelt. Die Grundparameter sind klar. Im Wesentlichen beruht diese Reform auf einer Kombination von Sockelförderung und Vertriebsförderung. Ein mir sehr wichtiger Parameter ist die Journalistenausbildung. Es ist daran gedacht, ein ständiges Stipendiatensystem für Auslandskorrespondenten österreichischer Zeitungen anzubieten.

die furche: Aber das Gesamtvolumen der Presseförderung bleibt gleich?

Morak: Das wird gleich bleiben.

die furche: Eine Gesetzesvorlage des Justizministeriums sieht vor, dass die Strafen für Journalisten verschärft werden sollen, die im Zusammenhang mit Enthüllungsgeschichten zu weit in die Privatsphäre und Rechte von Dritten eindringen. Was sagen Sie als Medien-Staatssekretär dazu?

Morak: Ich würde mir beim Paragraphen 56 StPO wünschen, dass die Diskussion genauer geführt wird als jetzt. Wir haben den natürlichen Widerspruch, dass es hier nicht nur um das Recht der Veröffentlichung geht, sondern auch um das Recht auf private Sphäre des Einzelnen. Und das ist immer das Problem, das haben wir bei der Materie "Lausch und Raster" gehabt, dieses "Wo sind hier die Grenzen zu ziehen?" Das ist eine der schwierigen demokratiepolitischen Herausforderungen im Zusammenhang mit der Medienfreiheit. Uns ist ganz klar, dass die Medienfreiheit und die Freiheit des einzelnen Journalisten zu den wesentlichsten Errungenschaften der westlichen Demokratie zählen.

die furche: Gibt Ihnen nicht zu denken, wenn jemand wie Alfred Worm sagt: Wenn dieses Gesetz in Kraft tritt, dann sind Aufdeckungen à la AKH oder Lucona gar nicht mehr möglich?

Morak: Das stimmt so nicht, das weiß auch Alfred Worm. Aber noch einmal, obwohl das eine mit dem anderen nichts zu tun hat, sage ich Ihnen, dass Alfred Worm ein prominenter Journalist ist, dessen Stimme auch gehört wird. Deshalb würde ich mir hier auch einen verdichteten Dialog wünschen, aber mehr an der Sache und weniger an Gefühlen und Befindlichkeiten orientiert.

Das Gespräch führte

Heiner Boberski.

Zur Person: Vom Mimen zum Politiker

Franz Morak wurde am 25.Mai 1946 in Graz geboren, ist verheiratet und hat zwei Söhne. Seine erste Karriere machte er am Theater: Schauspiel- und Regiestudium in Graz, dann Gasthörer am Wiener Reinhardtseminar, erstes Engagement in Düsseldorf, schließlich ab 1968 der Durchbruch am Wiener Volkstheater (in Peter Turrinis "Rozznjogd" und Wolfgang Bauers "Massaker im Hotel Sacher").

1974 debütierte Morak in Edward Bonds "Die See" am Burgtheater, wo er bald zu den bekanntesten Schauspielern zählte. 1988 erhielt er den Albin Skoda-Ring, 1991 die Kainzmedaille . Als er Ensemblevertreter war (1986-1992), sprühten zwischen ihm und der Direktion Peymann oft die Funken. Auch als Sänger (Produktion von vier LPs/CDs), Autor (ORF-Hörkolumne "Minusperspektive") und Regisseur ("Sibirien" von Felix Mitterer) machte sich Morak einen Namen.

Im Oktober 1994 zog er als Abgeordneter und Kultursprecher der ÖVP in den Nationalrat ein, seit Februar 2000 amtiert Franz Morak als Staatssekretär für Kunst und Medien im Bundeskanzleramt.

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