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Enge Schuhe für die Zeitungen

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Die Hoffnung auf ein „neues, modernes Pressegesetz" geht nun unerfüllt ins elfte Jahr. Abzusehen, wann und ob dieses Haupt-und Rahmenwerk endlich vorliegen wird, ist noch immer fast unmöglich. Vorerst halten wir bei einem „Bericht des Justizministers über die Reform des Presserechtes", den er dieser Tage dem Parlament hat zukommen lassen. Inwiefern dieser Bericht mit dem Gesetz identisch ist, läßt sich noch nicht sagen. Während also einerseits der Weg zur Adaption eines guten und wichtigen Gesetzes mühsam keuchend zurückgelegt wird, kam es auf einem Teilgebiet zu einer überraschend schnellen Vorlage. Die „Pressegesetznovelle 1971" ist fix und fertig. Sie enthält, was man nicht ohne insgeheimes Gruseln die „Offenlegung" nennt. So wird ein Teilgebiet, über welches es einander heftig widersprechende Meinungen gibt, zur Hauptsache, die Hauptsache aber zu einem immer wieder auf später verschobenen Versprechen!

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Die Hoffnung auf ein „neues, modernes Pressegesetz" geht nun unerfüllt ins elfte Jahr. Abzusehen, wann und ob dieses Haupt-und Rahmenwerk endlich vorliegen wird, ist noch immer fast unmöglich. Vorerst halten wir bei einem „Bericht des Justizministers über die Reform des Presserechtes", den er dieser Tage dem Parlament hat zukommen lassen. Inwiefern dieser Bericht mit dem Gesetz identisch ist, läßt sich noch nicht sagen. Während also einerseits der Weg zur Adaption eines guten und wichtigen Gesetzes mühsam keuchend zurückgelegt wird, kam es auf einem Teilgebiet zu einer überraschend schnellen Vorlage. Die „Pressegesetznovelle 1971" ist fix und fertig. Sie enthält, was man nicht ohne insgeheimes Gruseln die „Offenlegung" nennt. So wird ein Teilgebiet, über welches es einander heftig widersprechende Meinungen gibt, zur Hauptsache, die Hauptsache aber zu einem immer wieder auf später verschobenen Versprechen!

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Die Erläuterungen des Justizministeriums zur „Pressenovelle 1971" zeugen stellenweise von einem fast schon euphorischen Optimismus. Der muß gelegentlidi ersetzen, was rechtlich schwierig oder gar nicht faßbar 1st. Und das ist bei Gesetzen zumeist eine gefährliche Sache. Ähnlich wie die zur gleichen Zeit vorgelegte Novelle zum Joumalistengesetz — einem adäquaten Gegenstüdt zur Pressegesetznovelle — wurde das Werk unter merkwürdigen Umständen geboren. Man könnte sie mit den Begriffen: Zeitdruck, politischer Druck und Zurückweichen vor Agitationen bezeichnen. Auch das bekommt gesetzgeberischem Wirken nie besonders gut. Der aktuelle Anlaß zu diesem Wirlcen läßt sich ebenfalls scharf umreißen — Die „Kronen-Zeitungs-Affäre 1970" und die durch den Verfcaiuf des „Express" an die

Dichand-Falksche Zeitimgsuntemeh-mung zutage gekommenen Umstände. Presse- und Journalistengesetzno-novelle 1971 sind denn auch ganz auf jene Formel zugeschnitten, die anläßlich der schon erwähnten Vorgänge, jedoch erst nachdem dies geschehen war, zum Nonplusultra erhoben wurde: auf die „Transparenz der Besitz- und Eigentumsverhältnisse bei Zeitungsuntemehmen". In der Erläuterungen des Ministeriums heißt es dazu unter anderem, ob die Presse ihre gesellschaftliche Aufgabe zu erfüllen vermag, hänge „von der Wahrheit und Vollständigkeit der von Ihr vermittelten Information, von der Ehrlichkeit ihrer Meinungsäußerung und nicht zuletzt davon ab, daß der Leser weiß, wer hinter einem Presseorgan steht". Wir sehen schon, daß da eine Reihe von Begriffen vorgeführt wird, die eventuell emotional oder ideologisch deutbar sind, nicht aber gesetzlich faßbar. „Wahrheit und Vollständigkeit" entziehen sich ebenso der gesetztechnischen Definition wie etwa „Ehrlichkeit der Meinungsäußerung", so wichtig sie auch für die idealistisch interpretierte „gesellschaftliche Aufgabe" sein mögen. Folgerichtig ließen die Textschöpfer diese Begriffe auch abseits der Paragraphen stehen und fädelten beim Leser ein, der künftighin „wissen soll, wer hinter einer Zeitung steht".

Der Entwurf des damaligen und heutigen Justizministers Broda für ein neues und umfassendes Pressegesetz erwähnte vor zehn Jahren noch nicht die schwierig zu beschreibende „geseUschaftiiche", sondern viel mehr die viel wichtigere „öffentliche Aufgabe" der Presse. Diese mit allen damit verbundenen Rechten uHd Pflichten woUte er verfassungsrechtlich verankern und das war gut so. Denn wer „wahr und vollständig infomüeren" soll, muß einen über den landesüblidien Durdischnitt erleichterten, d. h. gesetzlich garantierten Zugang zu den Informationsquellen finden können.

Idi hege den Verdacht, daß diese Absicht des Ministers, näiAlicb jdi> Ansprüche auf Inform^ationsfreiheit und Infomiationsreait verfassungsrechtlich zu verankern, auch der Grund 1st, an weldiem das Gesetz bisher noch immer scheiterte. In angel-sädisischen Ländern ist das anders, hierzulande aber herrscht in vielen, besonders aber in den amtlichen und politischen Informationszentren noch eine imverkennbare obrigkeitsstaatliche Bewußtseinstrübung vor, die im Informatiomsvermittler nicht eine selbstverständliche demolcratische Konsequenz erblickt, sondern den „Eindrinigling", ja, nicht selten sogar den „Feind". Wie ja auch sehr allgemein die „Ehrlichkeit der Meinungsäußerung" in Massenmedien daran gemessen wird, ob sie sich brav void untertänig, jedenfalls im Sinne der Informationsquelle aber „positiv" äußert, oder nicht. Unschwer mag man also erkennen können, daß hier einer der wesentlichen Angelpunkte eines neuen Presserechtes sichtbar wird. Die vorliegende Ncslle, gewitzigt durch eine Serie von Niederlagen, wich diesem kritischen Punkt aus und suchte sich einen anderen. Sie fand ihn an der vermeintlich „weichsten Stelle": im Eigentümer, im Besitzer und — indirekt — im Verleger und Herausgeber. Sie sind infolge einer undurchsichtigen Agitation zu den „Tescheks" des Presserechtes schlechthin geworden!

Bisher war ih der Meinung, der Leser könne sich in der Regel an die aus den Texten doch eindeutig hervorgehende Richtung halten, in die eine Zeitung ihn führen will. Er könne also „Links", „Rechts" und „Mitte" voneineinander unterscheiden und alles, was so dazwischen liegt. Eine einem Parteiverlag beispielsweise gehörende Zeitung, wie es etwa der „Express" war, wird in den Augen der Leser wohl nicht dadurch „insgeheim" sozialistischer gewirkt haben, als sie geschrieben wurde, bloß weil der Eigentümer etwa nicht bekanntgegeben worden war, was übrigens gar nicht der Fall gewesen ist. Das Gesetz jedoch insinuiert, just auf das „Eigentum" komme es an, wiewohl wir aus der Praxis wissen, daß in vielen Jahren, ja, sogar in den meisten Fällen der Eigentümer, der Besitzer, der Verleger und gelegentlich sogar der Herausgeber einen weitaus geringeren Einfluß auf Inhalt und Richtung eines Blattes haben als etwa Chefredakteure oder Redakteure. So wird von Zeitungen verlangt, sie sollen vierteljährlich jeweils auf Seite 2 und in deutlichem Druck klarstellen, wem eine Zeitung gehört, und gehört sie einer Gesellschaft oder einem Verein, wer die Gesellschafter und Vereinsmachthaber sind. Nicht genug damit, denn das läßt sich noch einigermaßen verstehen, müssen auch „stille Gesellschafter" offen einbekannt werden, bei Aktiengesellschaften sollen nur Namensaktien erlaubt sein, damit man jeden Aktionär kennen lernen kann, und schließlich muß ein offener oder stiller Gesellschafter auch angeben, wo sonst er überall beteiligt ist, also ob er etwa eine Wurstfabrik besitzt oder an einer Käserei partizipiert. Denn, so schließt man messerscharf, dann werde sich ja herausstellen, ob da nicht „infame" Interessen unterschwellig ins Spiel geraten. Ungenannt dürfen nur Gesellschafter oder Aktionäre bleiben, die „unter 10 Prozent" besitzen. Schon diese letzte Bestimmung ist lau. Derm, einmal angenommen, ein Kreis von „mächtigen Hintergründgans andere Einwirkungsmöglichkeiten ądch er-sciiließea --könriten),^> iWUl -.absolut eine Zeitung eigentümerisch beeinflussen, könnten sich diese dann nicht „verabreden" und allesamt eben „unter jeweils zehn Prozent" bleiben?

Und ein „stiUer Gesellschafter", der ja 90 heißt, weil er kein ordentliches Gesellschaftsorgan ist, gewöhnlich nur ein kapitalistisches Interesse besitzt und fast regelmäßig auf die Gestaltung des Produktes weder Einfluß nehmen will noch kann, fände er nicht genügend Möglichkeiten in der besonderen vertraglichen Ausstattung einer Gläubiger- oder Kreditorenrolle, um sich durchzusetzen? Ist außerdem erwogen worden, wie weit durch eine „Offenlegung" auch anderer, mit der Zeitung In keinem Zusammenhang stehender wirtschaftlicher Beteiligungen gesetzlich geschützte „Geschäftsgeheimnisse" übermäßig „transparent" gemacht werden, mit allen Folgen auf die gleichfalls gesetzlich geschützten Steuer-, Bank- und Betriebsgeheimnisse? Hat man auch nicht bedacht, daß es, Österreicher kennen das, unwahrscheinlich scheint, wenn einer annehmen wollte, ein so weit gehendes Gesetz bliebe für alle Zukunft nur auf eine Branche, die der Zeitungen, beschränkt.

Diese nicht bloß rhetorische Frage entspringt nicht der dunkelsinnigen Verlegenheit, nun werde „die Presse" zum Schaden ihrer „Hintermänner" gezwungen, „Farbe zu bekennen", was es abzuwehren gelte, sondern vielmehr zwei ganz anderen Bedenken. Zum ersten, daß diese Novelle Emotionen reflektiert, die nicht wegen „allgemein üblich gewordener Umstände mafiosen Charakters" aufsteigen, sondern die schlankweg manifestieren möchten, Eigentümer, Besitzer, Verleger usw. seien „potentielle Dunkelmänner", die an das Tageslicht gezogen gehören; wozu . man sich’ der Puiblizität wegen eines aktuellen Einzelfalles bediente, der sich zwischen „Vorwärte", BAWAG, Pressehaus Ges. m. b. H. und den Herren Falk und Dichand entrollte. Und zum zweiten, daß dieses Gesetz nichts außer einige wenige und sicherlich vorübergehende Verlegenheiten produzieren wird, sonst aber bleibt alles, wie es war. Denn in „Verlegenheit", um ein Beispiel zu nennen, wird wohl nur und mit Sicherheit auch bloß vorübergehend, eine Zeltung wie „Die Presse" kommen, oder, ebenfalls vorübergehend, der „Kurier" (wenn stimmt, was behauptet wurde, er habe einen „stillen Gesellschafter"). In keinem Fall ist anzunehmen, daß sich durch hergestellte „Transparenz" vermehrtes „Leserwissen" einstellen wird, denn auch diese Blätter werden weiterhin gelesen, weil sie so schreiben, wie sie es tun und nicht, weil sie wem auch immer gehören. Während man also einerseits den Zeitungen Maschen eines neuen Gesetzes überzieht, bleibt ein viel dringenderes Bedürfnis weiterhin ungestillt. Etwa eine gewisse presserechtliche Gleichstellung anderer, oft viel gewaltigerer Massenmedien mit den Zeitungen, etwa des Rundfunks und Fernsehens! Oder anderer Massenmedien, wie Broschüren, Bücher, Filme, Kassetten, Schallplatten usw. Hier herrscht ein durdjwegs ųn^^i-ches „Rechtsverhältnis". Das beginnt mit der-längst widersinai», geworden nen „Entgegnungspfiicht" und reicht bis zur längst fälligen gesetzlichen Einbettung in die „gesellschaftlichen" oder „öffentlichen" Aufgaben. Lange schon wissen wir, daß Zeitungen heute nicht mehr die „mediale Gewalt" besitzen, die man ihnen immer noch zuschreibt. Sie wurden links und rechts überholt. Schnürt man ihnen die Schuhe enger, ihren „Konkurrenten" aber nicht, so verursacht man Verrenkungen, die nicht ohne schädliche Folgen bleiben werden. Eine liberale Auffassung von Demokratie, wie sie heute zumindest rhetorisch im Schwünge ist, müßte sich sagen, daß weniger Gesetze vielleicht doch mehr wären!

Es mag in allen zu einer Zeitungs-untemehmung zusammengeschlossenen Gruppen Leute geben, die um eines vermeintlichen, zumeist persönlichen Vorteils willen auch solche Gesetze willkommen heißen, die eine Unklarheit beseitigen und dafür zehn neue Unklarheiten schaffen. Und es entspricht ganz sicher einer ebenso bloß modischen wie auch methodischen Denkrichtung, den Sachzwän-gen, die sich in mehr oder minder hierarchischen Arbeits- und Verantwortlichkeitsstrukturen spiegeln, eins „auszuwischen". Gelegentlich nennt man das, des unbedachten Beifalls sicher, „anti-autoritär". Und ahnt nicht, daß man damit überleitet zu einer anarchistischen Phase, aus der eine ganz neue Autorität aufsteigen wird: der Staat, jener anonyme Machthaber, der diesfalls nicht wir alle sind, sondern ein absrak-tes Gebilde, das uns nicht mehr gestattet, über ihn auch nur nachzudenken. Ihn kann man aus welchen Augenblicksnöten auch immer, stets mit Erfolg herbeirufen; er kommt verläßlich. Und bleibt, wollten wir ihn auch mit aller Lautstärke ver-oder fortwünschen!

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