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Was bringt eigentlich Nachhilfe? Erfahrungen von aktiven und und ehemaligen Schülern und Eltern mit den Vorzügen eines Privatlehrers.

Kurz vor Semesterende hat sich Sascha noch ins Zeug gelegt – mit Erfolg. Er hat ein Sehr gut auf die letzte Englischschularbeit bekommen – eine Leistung die er nicht nur sich selbst zu verdanken hat. Mutter Hannelore schmunzelt, wenn sie auf ein dreiköpfiges Leistungskollektiv verweist: „Wir haben es geschafft. Die Nachhilfelehrerin hat erklärt, Sascha hat gelernt und ich habe bezahlt.“ „Alleine hätte ich den Einser in 100 Jahren nicht geschafft“, sagt der Zwölfjährige selbst. Er besucht eine Hauptschule in Niederösterreich, ist in allen Hauptfächern in der ersten Leistungsgruppe und war auch in seinem Nachhilfefach Englisch nie schlecht. Durch die zusätzliche Betreuung zu Hause hat er es von der Endnote „Befriedigend“ auf ein „Gut“ geschafft.

Wie Sascha nehmen mittlerweile viele Schülerinnen und Schüler Nachhilfe um ihre Leistungen zu verbessern und nicht nur, wenn sie in einem Fach anstehen. Stefan Thomas Hopmann vom Institut der Bildungswissenschaft der Universität Wien bestätigt das: „Der Druck auf die Schüler ist gestiegen, weil die biografischen Kosten einer nicht ganz perfekten Schulkarriere heute viel höher sind als früher.“

Nicht alle Eltern haben Ressourcen

Für Stefan Hopmann stellt der hohe Nachhilfebedarf ein Versagen des Schulsystems dar. „Wenn man in der Schule nicht lernen kann, was man für die Schule braucht, dann will sie entweder zu viel oder macht es falsch“, so der Bildungswissenschafter. Nachhilfe dürfe nicht Aufgabe der Eltern sein: „Die Stunden sind teuer und setzen ressourcenstarke Eltern voraus. Alle Überlegungen, die die Verantwortung an die Eltern abgeben, berücksichtigen nicht, dass ein großer Teil der Eltern nicht den entsprechenden Bildungshintergrund haben, beziehungsweise ökonomisch oder sprachlich in der Lage sind, die für die Kinder notwendige Förderung aus eigener Kraft zu leisten.“

Mutter Hannelore leistet sich für ihren Sohn Nachhilfe, weil sie befürchtet, dass die aktuelle Lehrerin die Kinder in Englisch zu wenig fordern und fördern würde. „Es werden keine Referate verlangt, die Kinder müssen bloß Sätze auswendig lernen und bei der Schularbeit Leistungen erbringen, die in keiner Relation zum zuvor Geübten stehen. Mein Sohn hat einen sehr geringen Wortschatz in Englisch“, so die Mutter. Ihr Sohn sagt selbst: „Wir schreiben nicht frei, dabei würde uns das sprachlich fördern und unsere Fantasie anregen. Das Bilden von Zeiten wird zum Beispiel nur kurz durchgenommen und dann fehlt später das Grundlegende.“ Hannelore befürchtet, dass Sascha das jetzt Versäumte später in der HTL nicht mehr aufholen könne und die Freude an der Sprache verliere. Schließlich komme man heute ums Englischsprechen nicht mehr herum. „Ich selbst bin in Englisch in der HAK durchgefallen. Mir ist es heute peinlich, dass ich nicht gut Englisch kann.“

15 Euro pro Stunde zahlt Mutter Hannelore einer Lehramtstudentin, die nebenbei schon an Schulen unterrichtet. Damit kommt die Familie noch billig weg: Eine Stunde kostet heuer laut AK-Studie bei Privatanbietern im Schnitt 20 Euro, bei einem Lerninstitut 30 Euro. Gruppenunterricht kommt auf rund 15 Euro pro Stunde.

Hausaufgaben würden laut Hopmann nur bedingt einer Nachhilfe vorbeugen können: „Wir wissen aus der Forschung, dass Hausübungen gut sind für Kinder, die zu Hause signifikante Unterstützung haben, wo die Eltern den Kindern über die Schulter schauen können. Für Kinder, die diese Unterstützung nicht haben, sind Aufgaben eine Zusatzbelastung. Man darf nicht vergessen, dass Eltern in unterschiedlichem Grade ökonomisch, bildungsmäßig oder psychisch in der Lage sind Bildungsaufgaben wahrzunehmen.“

Ergotherapeutin Barbara kann sich noch gut an ihre Schwierigkeiten in Englisch in der sechsten Klasse der AHS erinnern. Auch ihr konnten die Eltern nicht weiterhelfen, sie waren daher bereit ihre Tochter mit „ziemlich teurer“ Nachhilfe zu unterstützen. Nach einem Lehrerinnenwechsel schrieb die heute 24-Jährige statt Zweier und Dreier plötzlich Vierer und Fünfer. „Ich glaube, dass mich die Lehrerin nicht mochte, sie hat mich falsch eingeschätzt und hat geglaubt, dass ich nur desinteressiert träume. Ich mochte sie als Reaktion auch nicht. Das war frustrierend und dadurch bin ich noch schlechter geworden – ein Teufelskreis.“ Mit ihrer Nachhilfelehrerin lernte Barbara das ganze Schuljahr hindurch, vor Schularbeiten sogar mehrmals wöchentlich. Sie schaffte so das Schuljahr trotz vieler negativer Noten. Durchbrochen war der „Teufelskreis“ allerdings erst, als es die Lehrerin, so die Ergotherapeutin „im darauf folgenden Schuljahr auf andere zwei Schüler abgesehen hatte“. Barbara maturierte schließlich ohne weitere Hilfe mit einem guten Dreier.

„Wir wissen, dass einzelne Lehrerkolleginnen und -kollegen, in der Tat dem Motto, man müsse in der Schule lernen können, was man in der Schule braucht, nicht ganz entsprechen“, sagt Hopmann. Doch wie können Eltern merken, dass ihr Kind die in der Schule geforderte Leistung gar nicht erbringen kann? Hier empfiehlt Hopmann, sich mit anderen Eltern in Verbindung zu setzen, die Kinder mit ähnlichen Problemen haben. „Wie wir kürzlich untersucht haben, sind Schüler sehr gut in der Lage, die Überforderung selbst zu beschreiben. Sie können das Anspruchsniveau beurteilen und kennen das Notenranking in der Klasse.“ Verabsäumtes aufholen könne man am besten mit einer so gut wie für die Schule ausgebildeten Lehrkraft. „Der berühmte Pädagoge Rousseau hat einmal abgelehnt Lehrer zu sein, mit dem Argument, ihm würden die beiden Grundeigenschaften fehlen: Kaltblütigkeit und Geduld“, erklärt Hopmann. „Was wollte er uns damit sagen? Ein Lehrer muss in der Lage sein, sich nüchtern auf die Lernbedingungen und Lerngeschwindigkeiten ihrer Schüler einzustellen.“

Nachhilfe soll nicht Dauerzustand werden

Eltern möchte Hopmann ermutigen, sobald sie merken, dass eine Kontinuität der Lernleistung zustande kommt, die Nachhilfebetreuung zu entlassen. „Wichtig ist, dann nicht dabei zu bleiben und auf dem Kind herumzuhacken. Das hat genug Probleme.“ Vor Gruppenunterricht mit mehr als fünf Kindern und allzu großen Niveauunterschieden warnt Hopmann, denn dann hätte man eine ähnliche Situation wie in der Schule, was hinausgeworfenes Geld sei. Für die anstehenden Sommerferien empfiehlt der Bildungswissenschafter Lernerholung, oder es sofern für die Eltern leistbar ist, den Besuch von Sommercamps, wobei Qualitätsunterschiede zu beachten seien.

Der zwölfjährige Sascha wird die Sommerferien nach seinem Einser in Englisch nun entspannt für Erholung nutzen. „Englisch kann so interessant und kann so fad sein“, sagt seine Mutter, „Das steht und fällt immer mit der Förderung in der Schule.“ Sascha kann dem nur zustimmen.

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