Unterwegs in die Hofburg

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Unser politischer Wettstreit braucht dringend diese Stimme der Orientierung und Besonnenheit. Diesen Impulsgeber und Mahner - mutig, ohne aber selbstherrlich zu sein.

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Unser politischer Wettstreit braucht dringend diese Stimme der Orientierung und Besonnenheit. Diesen Impulsgeber und Mahner - mutig, ohne aber selbstherrlich zu sein.

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Zugegeben: In zehn Hofburg-Jahren war ich mir nicht immer sicher, ob das Amt des Bundespräsidenten gegen manche Zweifel und Reformvorschläge von Verfassungsexperten bestehen kann:

Braucht eine stabile parlamentarische Republik diese Krisenfeuerwehr und Autoritätsreserve wirklich?

Stärkt oder schwächt ein Präsident den Grundsatz, dass alles Recht vom Volk ausgeht?

Und: Wie sinnvoll ist solch ein "starker Mann", wenn er im Alltag ein gelähmter Riese ist - und sein Amt zwar mit viel Reputation und Dekor, inhaltlich und personell freilich eher bescheiden ausgestattet ist?

Inzwischen aber bin ich mir sicher: Dieses Amt ist ein Glücksfall.

Warum?

Weil sich erst in ihm die sensible Machtbalance an der Staatsspitze vollendet, bei der jedes der obersten Organe (Präsident, Regierung, Parlament) die anderen kontrolliert und ergänzt. Würde man die Präsidentschaft stärken oder schwächen, gar abschaffen, das ganze System müsste neu überdacht werden.

Weil letztlich nur der (die) Bundespräsident(in) für die Republik sprechen kann, jenseits aller Parteiinteressen. Als Stimme Österreichs nach außen - und als Symbol unseres föderalistisch organisierten Gesamtstaates nach innen. Aus Erfahrung weiß ich, welchen Unterschied die Anwesenheit des Bundespräsidenten im Vergleich zur Präsenz von Regierungspolitikern macht - draußen in der Welt, wie auch in den Bundesländern.

Weil das Grundvertrauen in die Politik stark belastet ist und der Bürger heute nach überzeugenden Persönlichkeiten lechzt: nach Vorbildern. Nach Vor- und Nachdenkern über Kernfragen unserer Zukunft. Oft auch nach einem Anwalt derer, die sonst kein Gehör finden. Da ist viel zu tun.

Die stille Kraft

Weil unser politischer Wettstreit diese Stimme der Orientierung und Besonnenheit dringend braucht, vor und hinter den Kulissen. Diesen Impulsgeber und Mahner -mutig, ohne aber selbstherrlich zu sein. Mehr denn je gilt der Präsident als jene stille Kraft, die auch die politische Elite in die Pflicht nehmen kann.

Und weil dieses Amt so wandelbar ist. Es kann erblühen, oder auch nicht. Es kann in eine bestimmte Grundstimmung hineinpassen, oder auch nicht. Ein Beispiel: Österreich hatte bisher immer erfahrene Alt-Politiker oder Diplomaten in die Hofburg entsandt. Das lag sehr lange an der inneren und äußeren Realität unseres Landes. Die Bewerber dieses Jahres aber machen deutlich, wie sehr sich die Erwartungen, mehr noch als das Anforderungsprofil, gewandelt haben. Bundespräsidenten sind immer so stark, wie sehr sie die Bürger hinter sich wissen.

Mag schon sein, dass dieses Amt aufgrund seines komplexen Bündels von Rechten und Pflichten nur schwer durchschaubar ist. Dass es deshalb auch künftig nicht der kritischen Nachfrage entgehen wird, ob es eigentlich zu schwach oder zu stark ist.

Trotzdem: Es ist gut, dass wir es haben!

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