6618336-1955_46_10.jpg
Digital In Arbeit

Abschied vom Theater an der Wien

Werbung
Werbung
Werbung

Diese festliche Woche gehörte der Oper. Wir können daher einige Konzertveranstaltungen, die durch ihre Qualität eine ausführlichere Würdigung verdienten, nur gewissermaßen am Rande vermerken. Das 2. Abonnementkonzert der Philharmoniker brachte uns ein Erlebnis besonderer Art. Wenn Bruno Walter, der Freund, Schüler und Apostel Gustav Mahlers, eine von dessen Symphonien dirigiert (er hatte die Vierte aufs Programm gesetzt), dann weiß man, daß uns eine in jeder Hinsicht vorbildliche und authentische Wiedergabe geschenkt wird. Hilde G ü d e n sang mit ihrer hellen,

silbrig-klaren Stimme und mit volksliedhaft-ein-fachein Ausdruck die Sopranpartie des letzten Satzes und trug, von den Philharmonikern sorgsam und zart begleitet, drei Lieder aus Mahlers späterer Zeit vor. Daß Bruno Walter, der überaus herzlich gefeiert wurde, auch ein Meisterinterpret Mozarts ist, erwies aufs neue sehr eindrucksvoll die Wiedergabe der „Prager Symphonie“.

Unter Rafael Kubelik stellte sich das Kamme r-orchester der Wiener Philharmoniker im ersten Konzert eines neuen Zyklus mit Haydn, Bach (Kantate: „Weichet nur, betrübte Schatten“, Sopransolo: Irmgard Seefried), einer wenig originellen „Meditation über den St.-Wenzels-Choral“ von

Suk und der Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta von Bela B a r t ö k vor. Das feine, vielstimmige Gewebe des ersten Satzes leuchtete in philharmonischem Streicherklang, in den Allegro-Sätzen kam nicht alles so ganz präzise, wie man es sjch wünscht und von einigen Schallplattenaufnahmen mit Orchestern kennt, die in der Wiedergabe zeitgenössischer' Musik mehr trainiert sind.

Ins Theater an der Wien lud zu einer Abschiedsfeier von dem altehrwürdigen Haus die Wiener Beethoven-Gesellschaft. Aufgeführt wurden ausschließlich Werke, die hier unter Beethovens persönlicher Leitung (zum Teil erstmalig) erklungen sind: die große Chorphantasie mit Klavier und Orchester, zwei Arien, das Violinkonzert und die V. Symphonie. Die besten Ensembles und Solisten unter Volkmar Andreae (die Philharmoniker, der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde, Hilde Güden und Wolfgang Schneiderhan) verliehen den Darbietungen festlichen Glanz. Aber es war letzten Fildes doch eine Trauerfeier. Für die Erhaltung des Theaters an der Wien setzt sich die Beethoven-Gesellschaft in dankenswerter Weise ein. und die .Furche“ stellt sich mit allem Nachdruck an ihre Seite. Wir hoffen und wünschen sehr, da“ß das diesem Hause zugedachte Schicksal — entweder eine Operettenbühne oder eine Großgarage zu werden — abgewendet werden kann. H. A. F.

Die Zugaben ungerechnet, gestaltete Dietrich Fischer-Dieskau eine Folge von zwanzig Brahms-Liedern durch die hohe Kunst seiner Interpretation zum eindrucksvollen Erlebnis. Die warme, mit großer Meisterschaft geführte Stimme zeichnet die melodische Linie ebenso sicher und treu nach wie den poetischen Gedanken, dessen vielfältiger Ausdruck aus subjektivster Verbindung von Wort und Ton des Sängers erwächst und auch der kleinsten Gestik entraten kann — wozu allerdings eine reich nuancierte Tönung, eine stupende Atemtechnik und ein außerordentliches Formgefühl von-nöten sind, über die der Künstler spielend verfügt. Die Durchgeistigung seines Vortrags macht ihn zu

einem Einmaligen, dem Typischen absolut Entwachsenen. Die stärkste Gruppe in der Liederfolge bildeten die „Vier ernsten Gesänge“ zu biblischen Texten. Von den weiteren, zumeist wenig bekannten Brahms-Liedern läßt sich sagen, daß manche nur von der (eben einmaligen) Interpretation lebten und im übrigen zum guten Teil wie vieles Vergessene nicht zu Unrecht vergessen sind. Den Klavierpart betreute Günter Weißenborn als beziehungs- und spannungsvolle Umwelt des Gesanges.

Das klassische Gulda-Orchester gab sein erstes Konzert unter der Leitung von Wolfgang Gabriel mit historischem Programm von Pergolese über J. Chr. Bach zu Haydn und Mozart, dessen Konzert für zwei Klaviere und Orchester Es-dur, KV. 365, zum Höhepunkt des Abends wurde. Friedrich Gulda und Jacques Klein warfen sich die pianistischen Bälle zu; es war in der Tat ein elegantes Spiel mit tönenden Formen, daran man der Präzision wegen seine Freude haben konnte. Das ist gewiß nicht wenig. Ob es (und das übrige Programm) trotz der ernsteren Maria-Theresien-Symphonie Haydns wesentlich mehr war, sei dahingestellt. Aber es war allenfalls der vielversprechende Beginn einer Konzertreihe. Die „höchstmögliche Uebereinstim-mung“ zwischen Ausführenden und Empfangenden, von der im Programmzettel die Rede ist, dürfte allerdings mit der Historie allein nicht herzustellen sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung