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Kirchenmusiktage in Matrei

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Die kirchenmusikalische Werkwoche in Matrei am Brenner hat sich in wenigen Jahren zu einem sakralmusikalischen Faktor von zentraler Bedeutung entwickelt. Längst ist ihr Ruf über die Grenzen der österreichischen Diözesen hinausgedrungen, wofür die ständig wachsende Anteilnahme des Auslandes, insbesondere der benachbarten Schweiz, erfreulicher Beweis ist. Denn der Geist -'on Matrei ist der Geist der Erneuerung kirchenmusikalischen Lebens, der Besinnung auf die geistliche Aufgabe, das Durchgreifen eines neuen Ausdrucks gottesdienstlicher Musik, der sich erstmals bereits vor zwanzig Jahren in Joseph Lech thalers Missa „Gaudens gaudebo“ stilistisch manifestierte und sich — ungefähr gleichzeitig — in der „Klosterneuburger Bet-Sing-Messe“ die volkstümliche Form schuf. Mögen die Formen selbst sich überholen, der formende Geist aber wirkt in dem Spannungsfeld zwischen beiden Werken in immer neuer Gestaltung, lebendiger als je, die Kirchenmusik unserer Zeit in innigem Zusammenhang mit gregorianischem Choral und Polyphonie. Diese Erkenntnis zu vermitteln, aber auch ihre praktische Durchführung bis in die Dorfkirchen hinein vorzubereiten und zu ermöglichen, ist die große Aufgabe von -Matrei, die sich an Schaffende und Ausführende zu gleichen Teilen wendet und nicht vom handwerklichen Können allein, sondern vor allem von Sakrament aus zu bewältigen ist. Bedenkt man, daß es heute noch österreichische Domchöre (und Domkapellmeister) gibt, die Propriumcjesänge im Hochamt für unnötig erachten oder sie durch deutsche „Einlagen“ ersetzen, dann erhellt die Bedeutung des Matreier Herrgoltsingens noch in ganz anderem Lichte: in dem der Rettung vor kirchenmusikalischem Untergang in zwölfter Stunde.

In Erkenntnis dieser Gefahr wurde die Matreier Werkwoche von Bischof Dr. Paul Rusch ins Leben gerufen, der in Pfarrer P. Dr. Adalbert Roder als geistlichen und in dem Tiroler Kirchenmusikreferenten Prof. Paul N e u m a n n als musikalischen und organisatorischen Betreuer die vollkommensten Werkleute fand. Pfarrer und Organisten, Akademieprofessoren und Dorfkirchensänger kommen mit ihren Sorgen und Problemen gleichwertig zum Wort. Der Anteil des Auslandes erfuhr ia diesem Jahr eine Verdichtung durch eine Reihe von Vorträgen des Schweizer Komponisten P. Oswald Jaeggi, eines der stärkit-profillerten Kirchenmusiker seines Lande, der sowohl über zeitgenössisches Schaffen Bedeutendes zu sagen wußte, als auch in überau anregenden Choratatunden die unvergängliche Schönheit dieser Ur- und Eigenmusik der Kirche hell aufleuchten ließ und sie als das Alpha und Omega alles kirchenmusikalischen Schaffens intensivster Pflege empfahl. Akademieprofessor Anton H e i 11 e r erschloß in seinem feinen Vortrag über die Symbolik in den Bachschen Choralvorspielen manch geheime Deutung und Tiefe, die besonders durch die angewandten Beispiele Kenntnis und Verstehen auch der Niehtorganisten bedeutend erweiterten. Die innere Situation, vom latenten Gegensatz zwischen Geist und Gewohnheit ausgehend, versuchte der Verfasser dieses Bericht in einem Vortrag .Kirchenmusik in der Antithese“ zu umreißen und Spannungen aufzuzeigen, die im Dienste der Erneuerung überwunden werden müssen, was eine teilweise oder gänzliche innere Umgestaltung der Kirchenchöre erfordern dürfte. — Stimmbildungsund Singstunden ergänzten die reichhaltige Tätigkeit dieser Woche, deren Teilnehmer in der vorbildlichen Gestaltung der täglichen Früh- und Abendgottesdienste den Sinn ihrer Arbelt verwirklicht sahen.

Mit einem Hochamt, zu dem von allen Anwesenden Palestrinas Missa Regina caeli“ und ein Choralproprium gesungen wurden, schloß die Matreier Werkwoche. Der Gedanke des Herrgottsingens jedoch (vor dem Aller-heiligsten, ohne Zuhörer) soll am Tage der Kirchenmusik (Cäciliensonntag) von allen Kirchenchören Österreichs verwirklicht werden.

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