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Treffpunkt der Komödianten

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In dem soeben erschienenen Wie- ner-Festwochen-Almanach 1968 hat der Intendant der Wiener Festwochen 1968 seinem Prolog ein Wort Maria Theresias vorangestellt: „Spectacles müssen seyn, ohne dem kann man nicht hier in einer solch großen Residenz bleiben.“ In der Tat ist Wien jahrhundertelang nie ohne Theater geblieben, und wenn man die Abneigung gegen das ideologische, das Ignorieren des hochgestochenen literarischen Theaters als eine Wienerische Tradition erkennt, so scheint das Festwochenmotto „Die Komödianten Europas“ nicht schlecht gewählt.

Mit verschiedenartigen Beiträgen zu dem Thema werden aufwarten und werden von uns erwartet: das Bayrische Staatsschauspielhaus, die Berliner Staatsoper, das Berliner Schloßparktheater, das Moskauer Wachtgamow-Theater, das Bukare- ster Teatrui de Comedie, das Mailänder Teatro piccolo sowie eine Reihe von Avantgardebühnen der jungen Generation aus Paris, London, Prag, Krakau und New York. Selbstverständlich werden sich auch sämtliche -große und kleine Wiener Bühnen an diesem friedlich-fröhlichem Wettstreit beteiligen. Vom 4. bis 8. Juni findet dm Rahmen dieser 18. Wiener Festwochen das Europagespräch statt, bei dem prominente Theoretiker und Praktiker über das Thema „Das europäische Theater und sein Publikum“ vortragen und diskutieren werden.

Ein zweiter Schwerpunkt wird in der Zeit vom 18. Mai bis 16. Juni im Musikverein gesetzt, vor allem durch den Zyklus von fünf philharmonischen Konzerten unter der Leitung von Otto Klemperer, dem größten und ältesten unter den großen alten Meistern des Taktstocks, mit einem Programm, das von Bach bis Stra- winsky reicht, sowie durch die Teilnahme weiterer berühmter Dirigenten und von zwei Dutzend beliebter Gesangssolisten. Neben dem Israel Philharmonie Orchestra und den Leningrader Philharmonikern werden hier neun Instrumentalensembles und viele berühmte Solisten auftreten.

Ein Spezifikum der Wiener Festwochen ist das Wagnis. Im vergangenen Jahr wandte man sich an die „Nachbarn an der Donau“ — und alle, alle kamen. Heuer wären die Veranstalter fast das Opfer des Prager Frühlingsstunms geworden, der in Moskau einen Schnupfen ausgelöst hat. Zwar -stand Prag nicht auf der Liste der Europatournee der Leningrader Philharmonie, aber auch Konzerte in der Bundesrepublik und in Italien schienen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht opportun — und so waren auch die Veranstaltungen in Wien u-nd in drei Landeshauptstädten, die eine private Konzertagentur organisiert hatte, einige Tage in Gefahr. In dieses Kapitel gehört auch die bereits vor einigen Wochen erfolgte „Aus ladung“ des griechischen Sta-atsthea- ters — was peinlich für beide Teile war, aber nun einmal zum Um und Auf internationaler Treffen gehört. Hoffen wir, daß solche Pannen immer seltener Vorkommen...

Im Theater an der Wien, der Stätte der theatralischen Begegnungen, gibt es neben einem wiederentdeckten Nestroy-Stück auch die Welturaufführung einer Oper von einem in Wien ansässigen jungen ungarischen Komponisten nach dem Libretto eines gleichfalls in Wien lebenden und wirkenden jungen Bayern. — Die Wiener Staa-tsoper zeigt einen repräsentativen Querschnitt durch ihr Repertoire und bietet während der 29 Festwochentage 28 verschiede ie Werke, unter anderem die gesamte „Ring“-Tetra- logie und vier Werke des neueren Musiktheaters.

Nicht weniger glänzend und international präsentiert sich die bildende Kunst: acht große Sonderausstellungen sind Meistern und Wegbereitern der Moderne gewidmet: Picasso, Läger, Klimt und Schiele, die Retrospektiven Olbrich und Stmad und — Theater und bildende Kunst vereinend — eine große Max-Reinhardt-Ausstellung.

So sind die Wiener Festwochen mit ihren über 1000 Veranstaltungen, von denen das offizielle Programm nur etwa die Hälfte nennt, nicht nur durch ihre Quantität bemerkenswert.

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