„Verwandlungen durch Licht“
Wie in der Fotografie der 1920er und 1930er Jahre aus Gesichtern Typen geformt und neue künstlerische Errungenschaften rasch politisch instrumentalisiert wurden, zeigt die Ausstellung „Faces – Die Macht des Gesichts“ in der Albertina.
Wie in der Fotografie der 1920er und 1930er Jahre aus Gesichtern Typen geformt und neue künstlerische Errungenschaften rasch politisch instrumentalisiert wurden, zeigt die Ausstellung „Faces – Die Macht des Gesichts“ in der Albertina.
Ein wild Entschlossener, ein Feigling, ein Angsthase, ein Melancholiker, ein Held. Jedes Mal anders wirkt das Modell von Fotograf Helmar Lerski, der 137 Aufnahmen von ein und demselben Gesicht machte, dieses jedoch durch Licht förmlich modellierte und so ganz unterschiedliche Typen kreierte. 1935/36 auf einem Hausdach in Tel Aviv fotografiert, steht die Serie „Verwandlungen durch Licht“ exemplarisch für das, was die Fotografie in den 1920er und 30er Jahren in Deutschland und Österreich prägte: Eine obsessive Beschäftigung mit dem Gesicht und eine radikale Erneuerung der Porträtfotografie – worum sich nun die Ausstellung „Faces“ in der Albertina dreht.
Während damals die abgelichtete Person in den Hintergrund rückte, wurden Konzept und Arbeitsweisen sichtbar gemacht. „Das Gesicht wurde zur Projektionsfläche für künstlerische Techniken der Fotografie“, beschreibt Kurator Walter Moser. Lerski zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung, ein Schauspieler und Kameramann, der auch bei Fritz Langs legendärem Film „Metropolis“ mitwirkte. Und eben der Stummfilm war es auch, der großen Einfluss auf die avantgardistischen Arbeitsweisen der Fotografen jener Zeit hatte.
Frauen stark vertreten
Nahansichten, die das Mienenspiel ganz in den Fokus rückten, die radikale Verwendung von Licht und Schatten und ungewöhnliche Perspektiven wurden typisch für Aufnahmen jener Zeit. Ja, man ging sogar so weit, sich ausschließlich auf Nase, Augen oder andere Teile des Gesichts zu fokussieren. Close-ups erzeugten eine skulpturale Wirkung und wurden zum modernistischen Mittel par excellence. Besonders frappant ist dies in der Gegenüberstellung desselben Kinderporträts von Max Burchartz zu sehen – einmal ist es im Original ausgestellt, einmal als Ausschnitt. Das Mädchen in der Detailaufnahme wirkt spannenderweise viel älter und fröhlicher.
Radikale Ausschnitte wählte auch Ilse Salberg, die Torso und Ohr ihres Geliebten höchst ästhetisch in den Fokus rückte. Generell sind Frauen in dieser Ausstellung stark vertreten, was ihre Rolle in der Branche damals widerspiegelt: Marta Astfalck-Vietz nahm in ihren Selbstinszenierungen in gewisser Weise die Arbeit Cindy Shermans vorweg, wenn sie Fotos von sich hinter einer Maske und mit in transparente Seide gehülltem Körper präsentierte. Gertrud Arndt spielte mit Positiven und Negativen – und mit Maskenselbstbildnissen, in denen sie sich in unterschiedliche Frauentypen aus der Populärkultur verwandelte.
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