Backstage des Erfolgs

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Ein guter Film allein ist zu wenig für Erfolg. Da müssen schon andere Kräfte hinzuwirken, bis es zu Palmen, Globes und Oscars reicht.

Cannes, im Mai 1989: Zwei Männer, beide Mitte 40, streifen durchs Palais des Festivals. In den Gängen des Betonbunkers suchen die Herren nach geeigneten Stellen für ihre persönliche Marketingaktion: Das Affichieren ihres mitgebrachten Filmposters. Mit Tixo und Schere bewaffnet, kleben sie das Plakat an allerlei Wände, allein: Gesehen werden dürfen sie nicht. - Plakatieren ist hier streng verboten.

Das angebrachte Papier zeigte das Filmposter von "Der siebte Kontinent“, und die beiden Herren waren Michael Haneke, der Regisseur, und Veit Heiduschka, sein Produzent. Eine Guerilla-Marketingaktion, dem Umstand geschuldet, dass damals keine wirklich professionelle Institution existierte, die sich um die Vermarktung eines österreichischen Films hätte kümmern können. Für den Erfolg nach Drehschluss waren die Filmemacher noch ein bisschen selbst verantwortlich. Zwar gab es die "Austrian Film Commission“ (AFC) bereits seit 1987, aber die steckte noch in ihren Kinderschuhen.

Vermarktungskette schon lange vor dem Drehstart

"Die AFC entstand aus der Notwendigkeit, dass es damals den Produzenten selbst überlassen blieb, ihre Filme auf dem internationalen Parkett zu vermarkten. Das kann natürlich niemand leisten“, sagt Veit Heiduschka. Der 74-jährige Produzent der Wiener Wega-Film steht nun - nach dem Oscar für Hanekes "Liebe“ - auf dem Gipfel seiner Karriere, zu dem es ein langer, steiniger Weg war. "Filmerfolge stellen sich nicht über Nacht ein“, sagt Heiduschka. "Es braucht viel Planungsarbeit und Konzepte im Hintergrund, um auf die Filme aufmerksam zu machen.“ Ein gutes Drehbuch, ein guter Film, eine gute Idee zur Auswertung desselben, so läuft die Vermarktungskette. Und die beginnt lange vor den eigentlichen Dreharbeiten. "Das fängt schon damit an, zu überlegen, wann man einen Film dreht, um abzuschätzen, ob die Fertigstellung rechtzeitig für den Einsatz zu einem großen Filmfestival gelingt. Keines der großen Festivals nimmt Filme, ohne sie vorher zu sehen.“

Michael Haneke genießt in dieser Hinsicht einen Ausnahmestatus. "Mittlerweile“, so Heiduschka, "nimmt man einen Haneke-Film in Cannes mit Handkuss an. Wenn der Film dann nicht den Erwartungen entsprechen sollte, dann wird er eben außer Konkurrenz gezeigt.“ Mit Hanekes "Wolfzeit“ (2003) gab es so einen Fall, wenngleich hier als Grund der Umstand ins Treffen geführt wurde, dass in diesem Jahr Patrice Chéreau der Jury-Präsident in Cannes war, und "Wolfzeit“ daher aufgrund seiner Mitwirkung in dem Film nicht im Wettbewerb laufen konnte.

Produzenten - Filmförderung - Festivals …

Die Erfolge der österreichischen Filmemacher, die sich in den letzten zehn Jahren immer häufiger eingestellt haben, sind jedenfalls kein Zufallsprodukt; viele Räder greifen hier ineinander: Die Produzenten müssen geeignete Stoffe erkennen. Sie müssen dann die Filmförderung von deren Gehalt überzeugen. Sie müssen die richtige Besetzung und die entsprechende budgetäre Ausstattung organisieren. Nach der Fertigstellung eines Films führt der Weg zumeist über die AFC zu den Premieren auf internationalen Festivals. Hier kommt Martin Schweighofer ins Spiel: Seit 1992 leitet er die als Verein organisierte AFC und hat sich über die Jahre das Um und Auf dieses Jobs angeeignet: "Um unsere Aufgabe erfolgreich wahrnehmen zu können, müssen wir ein sehr gutes Netzwerk haben, die Leute müssen einem vertrauen“, sagt Schweighofer. "Die Gesprächsbasis muss intensiver und freundschaftlicher sein, als nur zu sagen: ‚Hier gibt’s einen neuen Film‘. Denn das sagt jeder.“

Klassisches Lobbying also, endlose Gespräche, gemeinsames Lunch, Meetings, Strategiebesprechun-gen. Und ja, auch "Package Deals“, nach dem Motto: Ich gebe dir Haneke, und dafür nimmst du auch noch diesen und jenen Film mit ins Programm.

Wie weit das Netzwerk bereits gediehen ist, zeigte in der Oscarnacht der Umstand, dass im Auditorium neben Haneke und seiner Frau niemand geringerer als Thierry Frémaux saß, der Haneke als erster gratulierte, als sein Name fiel. Frémaux ist seit 2001 der künstlerische Leiter der Filmfestspiele von Cannes, und er gilt als der Haneke-Erfinder schlechthin. Als er noch die Nebenreihe "Quinzaine des réalisateurs“ leitete, hievte er Hanekes "Der siebte Kontinent“ ins offizielle Programm, es war die erste Cannes-Teilnahme des Oscarpreisträgers. "Frémaux liebte Hanekes Filme von Anfang an“, sagt Veit Heiduschka. "Das war unser großes Glück.“

Hätte es einen wichtigen Programmdirektor wie Frémaux also nicht gegeben, wären Hanekes Filme vielleicht nie in solch weltweiter Strahlkraft aufgegangen, wie es heute der Fall ist.

Die Strategen bei der AFC sind jedenfalls bemüht, den weltweiten Filmmarkt stets im Auge zu behalten. "Ich bin sehr interessiert, was sich im Weltkino tut, denn meine Aufgabe ist es, den österreichischen Film in der Welt zu platzieren, ihn zu verkaufen und zu präsentieren. Dabei ist es natürlich essentiell, zu wissen, was sich auf dem Weltmarkt tut“, so Martin Schweighofer. "Ich beobachte die anderen Filme sehr genau, und bin mir daher auch ziemlich im Klaren darüber, wo welcher Film am besten aufgehoben wäre.“ Nach Schema F kann man dabei nicht vorgehen: "Es gibt kein Regelbuch, das man der Reihe nach wie eine Checkliste abarbeiten kann. Der wesentliche Punkt ist: Jeder Film braucht ein anderes Konzept. Da nutzen dir auch Freunde und Bekannte nichts, wenn du die falsche Strategie hast. Man muss lernen, das Potenzial eines Films richtig einzuschätzen, um zu wissen, welche Karriere er machen kann.“

Gestaltung des Pressehefts, der TV-Ausschnitte …

Von Seiten des Produzenten sind hingegen andere Schritte unabdingbar. Heiduschka, der auch mit Jungfilmern wie Henning Backhaus ("Local Heroes“), Arash T. Riahi ("Ein Augenblick Freiheit“) oder Umut Dag ("Kuma“) arbeitet: "Man lädt wichtige Festival-Direktoren oder deren Mitarbeiter ein, sich die Filme in der Rohfassung anzusehen. Gelingt die Platzierung bei einem Festival, dann geht es an die Gestaltung des Presseheftes. Dabei versuchen wir, den Pressetext so zu gestalten, dass er abschreibbar ist, weil wir wissen, unter welchem Stress Journalisten bei Festivals stehen. Ich entdecke dann immer wieder weltweit unsere Formulierungen in den Berichten“, sagt Heiduschka. "Bei den Filmausschnitten, die wir fürs Fernsehen bereitstellen, sind wir behutsam, denn die TV-Anstalten haben die Tendenz, das Ende des Films zu verraten. Dann geht es an die Überlegung, wie und wo man eine Premierenfeier bei einem Festival veranstaltet. Wen lädt man ein? Niemand soll beleidigt sein“, so Heiduschka. Schließlich müssen die Künstler mit dem Film mitreisen: "Haneke war zum Kinostart von ‚Amour‘ drei Wochen auf Promotion quer durch die USA unterwegs und hatte Meetings mit Verbänden und Verleihern.“ Der Weg zum Oscar ist mühevoll.

Und was kommt nach Haneke? Martin Schweighofer: "Mit ‚Atmen‘ von Karl Markovics und ‚Michael‘ von Markus Schleinzer waren 2011 zum Beispiel zwei Erstlingsfilme in Cannes, die danach sehr gut gelaufen sind. Das zeigt die Tendenz, dass nach etlichen Jahren, in denen es wenig Debütfilme gab, nun eine neue Generation nachkommt, die mit frischen Augen und Gedanken diese Bühne betritt.“ Die Debütanten von heute müssen nicht mehr illegal ihre Plakate aufkleben. Aber schaden wird’s vermutlich trotzdem nicht.

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