6718513-1965_01_15.jpg
Digital In Arbeit

Festspiel des Künstlertums

Werbung
Werbung
Werbung

Der ersten Neuinszenierung dieser Spielzeit im Großen Haus am Ring sah man nicht nur mit Spannung, sondern auch mit hohen Erwartungen entgegen. Nun würde sich zeigen, ob die Wiener Staatsoper auch noch anderes zu „produzieren“ imstande ist, als Verdi und Wagner, Puccini und Strauss. Und es würde sich zeigen, ob sie noch ein Ensemble hat und ob es auch ohne spektakuläre Exhibitionen am Pult und an der Rampe geht. Hans Pfitzners musikalische Legende „Palestrina“ , 1917 unter Bruno Walter in München uraufgeführt, ist durch die Kühnheit der Kon-■eption, den Ernst und das Ethos des „Sujets“ sowie durch die Ansprüche, die das Werk an alle Ausführenden stellt, besonders geeignet, die positiven Kräfte eines großen Opernhauses ins Spiel zu bringen und dem Publikum zu demonstrieren, daß die Oper nicht nur schöne Stimmen und schöne Weisen, Gruselgeschichten und Verwechslungsintrigen zu bieten hat.

Dem von Pfitzner verfaßten Text, einem der bedeutendsten der neueren Operngeschichte, war vor kurzem in unseren „Literarischen Blättern“ eine ausführliche Studie gewidmet. Den 1. Akt kennzeichnete bald nach der Münchener Premiere Thomas Mann (in den „Betrachtungen eines Unpolitischen ) als „ein wahres Festspiel zu Ehren schmerzhaften Künst-lertums . In dieser Sphäre spielt auch das letzte Bild. Dazwischen steht der berühmte Konzilsakt mit seinem „weltlichen“ Treiben, zugleich aber auch „geistdurchwirktes buntes Geschehen, Leben im Licht des Gedankens — was kann die Kunst uns Besseres, Unterhaltenderes gewähren?“ so fragt einer der ersten und prominentesten Bewunderer des unvergleichlichen Werkes. Die Musik ist hochdifferenziert und stilisiert, sie findet in der Anlehnung an Längstvergangenes zu ganz individuellen Charakterisierungen, sie enthält zarteste Lyrismen (vor allem in der Partie des Ighino), kennt aber auch den dramatischen Effekt, etwa im hektisch-turbulenten Vorspiel zum 2. Akt oder in dem das erste Bild beschließenden mächtigen symphonischen Glockengeläute.

Es war ein guter Gedanke, einem der profiliertesten und beliebtesten Sänger der Wiener Staatsoper die Spielleitung dieses Werkes anzuvertrauen. Hans Hotter, als Regisseur keineswegs ein Neuling, hat die Partie des Kardinals Borromeo in zwölf verschiedenen Inszenierungen und dreimal unter Hans Pfitzners Leitung gesungen. Kein Wunder also, Haß. er Jct.zt auch, al Spielleiter alles, sinnvoll lind richtig anlegte, wobei frei-licÄiftiWlfoi w&Wt Ihft'Hffö Ftftf rung der einzelnen Akteure im 1. und 3. Bild besser gelang, als die des „Volkes“ , beziehungsweise des Chores im Konzilsakt. Dagegen danken wir Günther Schnei-der-Siemssen die erste wirklich geglückte Lösung alles Szenisch-Optischen, vor allem der beiden heiklen Erscheinungen im 1. Akt: dem der neun verstorbenen Meister der Tonkunst, die er, nur halb sichthar, aus der braunen Holztäfelung des Hintergrundes hervortreten ließ, und die der Engelschar, die von einem Gemälde El Grecos inspiriert schien. Die noblen und schönen Kostüme schuf Ronny Reiter.

Am Pult stand Robert Heger, einer der besten Kenner des Pfitznerschen Werkes und den älteren unter den Opernbesuchern als Chefdirigent im Großen Haus am Ring während der dreißiger Jahre noch in dankbarer Erinnerung. Er hat nicht nur den „langen Atem“ dieser Musik, sondern auch ein natürliches Gefühl für ihren feierlich-hieratischen Stil. Von den rund vierzig namentlich angeführten Sängern können nur die Hauptrollenträger genannt werden. Fritz Wunderlich, wesentlich jünger an Jahren als Meister Palestrina, den er darzustellen hatte, fand sich mit bemerkenswerter Einfühlungsgabe in die Rolle des resignierenden, weltschmerzlichen Künstlers. Sein hervorragend schöner Tenor — eine der wenigen echten deutschen Belcanto-Stimmen — ist vorbildlich gut geführt und in allen Lagen gefestigt. Rührend echt in Erscheinung und Spiel: Sena Ju-rinac; sehr gewandt, aber ein wenig zu neckisch: Christa Ludwig als Palestrinas ungetreuer Schüler Silla. Von den Kirchenfürsten muß, nicht nur wegen des Umfangs seiner Partie, an erster Stelle Otto Wiener als Kardinal Borromeo genannt werden. Von bestem Format, in jeder Hinsicht, waren Walter Bern; Gerhard Stolze, Walter Kreppet, Ludwig Welter und andere. Imponierend in Erscheinung und Stimme Hans Braun als Zeremonienmeister des Konzils und meisterhaft in der Charakterisierung Abdi-sus. des Patriarchen von Assyrien, Peter Klein („Nie überhaupt ist die ergreifende Komik tapriger Hochbetagtheit, ehrwürdiger Ahnungslosigkeit so durchdringend empfunden und zu so sonderbarer Wir-k^>&<sriiobe^(irordBft|)(. Jjm

Im ganzen; eine bestens geglückte Aufführung, die, vom Werk und von der Wiedergabe her, auch die berechtigten geistigen Ansprüche des festlich gestimmten Publikums zu befriedigen vermochte, das bereits nach dem 1. Akt den Ausführenden, nicht zuletzt dem vollendet klangschön und sauber spielenden Orchester der Philharmoniker, lebhafte Ovationen bereitete.

Ein Jubiläum galt es bei der letzten Aufführung der „Meistersinger“ zu feiern; Otto Wiener, heute wohl der perfekteste Darsteller des Hans Sachs, sang diese Partie zum 200. Mal. Neben ihm zeichneten sich in der von Robert Heger geleiteten Aufführung aus: Wilma Lipp — Evchen, Murray Dickie — David, Walter Kreppel—Pogner und Peter Klein, der als Beckmesser ein erfolgreiches Rollendebüt hatte. Weniger befriedigend war der für Sandor Konya eingesprungene Gast Ken Neate als Stolzing.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung