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Bittere Poesie

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Der französische Schwarzweißfilm „Drei Zimmer in Manhattan” zeigt wieder einmal, daß die Franzosen dem Thema „Liebe” die meisten Variationen abzugewinnen vermögen. Diese Geschichte von zwei durch gescheiterte Ehen enttäuschte Menschen ist keineswegs neu und originell, aber die Fülle an feinen Nuancen, Zwischentönen und Beobachtungen seelischer Vorgänge hebt dieses Spiel zu zweit über den Durchschnitt landläufiger Liebesgeschichten. Der Autor zahlreicher Kriminalromane, Georges Simenon, erweist sich auch als Meister bei der Schilderung menschlicher Außenseiter. Allerdings stand dem Regisseur Marcel Gamė eine großartige Schauspielerin zur Verfügung, deren intensives Spiel eine Filmrolle zu einem packenden Erlebnis macht: Annie Girardot. Sie überzeugt in jeder Geste, in jedem Blick und in jeder Reaktion, und allein in ihren Augen ist die ganze Tragik des Scheiterns und Sichverlierens einer Frau zu lesen. Ihr Partner Maurice Ronet wirkt zurückhaltender, doch ebenso überzeugend in seiner Rolle als ein Mann, der ebenfalls glaubt, sich aufgeben zu müssen. So perfekt aber Spiel und innere Dramatik in Szene gesetzt sind, bestürzt die völlige Ausklammerung jeder christlichen Existenz. Der geistige Hintergrund ist jener wüste Nihilismus eines Lebens ohne Sinn und wirkliche Hoffnung. Die Liebe als sexuelle Bindung ist letzter Ausbruchsversuch aus Leere und Einsamkeit, dessen Fragwürdigkeit aber ebenfalls latent bleibt. Der Rausch kürzet leidenschaftlicher Stunden wird zu neuem Lebenssinn aufgewertet, mit Poesie erfüllt, um vergessen zu machen, daß sehr bald dahinter wieder das gähnende Nichts spürbar werden muß. Wer diesen Film weiterdenkt, als das gekonnte Spiel anschaulich macht, wird die unheimliche Tragik spüren, die dem vergeblichen Versuch, Leben und Schicksal in ausschließlicher Diesseitigkeit zu meistern, innewohnt.

Dem Sohn des großen Max Reinhardt, Gottfried, gelang es, eine an sich originelle Story nach Robert Shaws Roman „The Hiding Place” mit einer Garde guter Darsteller, an der Spitze der sonst so prachtvolle Alec Guinness, völlig umzubringen. „Lage hoffnungslos — aber nicht ernst” erzählt von einem schrulligen Deutschen, der während des letzten Kriegs jahres zwei abgeschossene alliierte Flieger versteckt und ihnen auch das Kriegsende verheimlicht, damit sie ihn nicht verlassen und wieder einsam werden lassen. Jene Wandlung des gutmütigen, hilfsbereiten Deutschen zum Egoisten, der die zwei Amerikaner auch weiterhin behalten möchte, um für sie zu sorgen, und auch viele andere Situationen hätten Anlaß zu echter Komik und menschlichem Humor werden können, doch die Inszenierung wird immer zähflüssiger und langweiliger und die Geschichte immer unglaublicher und unnatürlicher, so daß man bald jedes Interesse daran verliert.

Letztklassigen Dilettantismus aber bietet der österreichische Farbfilm „Die Liebesquelle”, dessen ärgerliche Spekulationen sich selbst, rl absurdum führen.

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