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Ringen um den einzelnen

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Wenn man als Jugendseelsorger auf zwei oder drei Jahrzehnte zurückblickt, muß man gestehen: Es ist kaum jemals so schwer gewesen, über die Arbeit der Katholischen Jugend zu schreiben, als jetzt. Warum? Zutiefst liegt das sicher darin begründet, daß — wie der Hamburger Psychologe Muchow bei einem Vortrag in Salzburg betonte — der Wandel der Jugend grundsätzlich ist, weil die Welt sich grundsätzlich gewandelt hat. Es spielen hier viele Umstände mit. In den Gebirgsgauen zum Beispiel sind in der Jugendarbeit — und auch sonst — viele Probleme nicht bewältigt, die sich durch die gewaltige Umschichtung der letzten Jahre ergeben haben, durch Abwanderung aus der Landarbeit, Anwachsen der Pendler, Fremdenverkehr... Bei den Mädchen aus Bauernhöfen ist eine geregelte Jugendarbeit in herkömmlichen Formen durch das „zerteilte“ Jahr beinahe unmöglich geworden: im Winter „auf Saison“, im Sommer auf der Alm, dazwischen nur wenige Wochen daheim. Dazu noch die schleichende Säkularisierung des Dorfes,

Jede Zeit und jede Situation bietet jedoch besondere Ansätze und besondere Chancen. Die Jugendseelsorge und die kirchliche Jugendarbeit müssen sich darauf einstellen. Die Jugend läßt Sich heute von der Kirche nicht mehr kollektiv ansprechen und rufen. Es gilt, den einzelnen zu gewinnen. In unserer Diözese hat unter dem Leitwort „Von der Betreuung zur Bewegung“ schon bald nach dem Kriege das Bemühen eingesetzt, in möglichst vielen Pfarren Kerntrupps aktiver junger Leute zu formen, die als Christen im Leben stehen, das Leben meistern und als Christen in echtem Apostolatsgeist Sorge tragen für Brüder und Schwestern. Das Bemühen hat, vor allem wo die Seelsorger wirklich dahinterstanden, reiche Frucht gebracht. Es müßte aber noch viel intensiver und viel zielstrebiger als bisher fortgeführt werden, gerade auch in unserer — durch Zeitverhältnisse und Priestermangel bedingten — überaus schwierigen seelsorglichen Situation.

Im religiösen Bereich ist der junge Mensch heute mehr denn je vor die persönliche Entscheidung gestellt. Nur noch wenige werden durch Tradition uhd Brauch gehalten und getragen. Die Scheidung der Geister ist darum um so offenkundiger. Der religiöse Abfall der Jugendlichen beginnt nicht erst mit 18 Jahren — wie in einem Referat beim Katholikentag 1962 behauptet wurde. Vielleicht gilt dies für den äußeren Abfall. Der innere Abfall beginnt schon im Hauptschulalter und tut sich kund nicht nur in Interesselosigkeit, sondern in einem wachsenden religiösen „Antiaffekt“ und in einem erschreckenden sittlichen und religiösen Minimalismus. In dieser „Masse“ gibt es aber auch viele mit großer religiöser Offenheit und Bereitschaft. Hier hat die Jugendseelsorge eine Aufgabe, die zu großen Hoffnungen berechtigt. Es gilt, diese „Besten zu ihrer Fülle zu führen“ (Tilmann) und darauf zu vertrauen, daß auch heute noch „ein wenig Sauerteig die ganze Masse durchsäuert“ (Gal. 5, 9).

Es fehlt noch ungeheuer viel

Ein zweites, das wir in der Jugend unserer Diözese beglückt feststellen können, ist, daß viele Jugendliche sich mit großem Ernst auf ihre Lebensaufgabe vorbereiten. Vielleicht trägt auch der Protest gegen das Versagen, die Lauheit und Halbheit der Erwachsenen dazu bei. Jedenfalls ist die Zahl der Jugendlichen, die trotz Wohlstandes stark und einfach leben und sich zum „größeren Leben“ in Christus gerufen wissen und sich darum bemühen, nicht gering. Wie käme es sonst, daß trotz der nicht geringen finanziellen Belastung für jeden Teilnehmer unsere Schulungen und Wochen so gut besucht werden? Wie käme es sonst, daß die jungen katholischen Familien einen solchen Mut zum Kinderreichtum haben? Wie käme es sonst, daß so viele sich bereitfinden zum Ganzeinsatz für das Reich Gottes als Priesterspätberufe, etwa als Laienhelfer für die Mission?

Die Anforderungen an die Jugendseelsorger wachsen von Jahr zu Jahr. Ebenso die Schwierigkeiten. Gar mancher verliert den Mut. Erfolg haben wird nur der, der alles einsetzt, daß Christus lebe in unserer Jugend.

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