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Senioren zieht es in die Ferne

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Senioren sind begehrte Urlaubergruppen. Vielen Reiseveranstaltern ist aber noch nicht bewußt, welche Betreuung ältere Touristen wirklich wünschen.

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Senioren sind begehrte Urlaubergruppen. Vielen Reiseveranstaltern ist aber noch nicht bewußt, welche Betreuung ältere Touristen wirklich wünschen.

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Kaum eine Urlaubergruppe macht es der Touristikbranche so schwer wie die Senioren. Nicht, was ihre Bedürfnisse betrifft -spezielle Meriten haben andere Kategorien wie Kinder, Männer oder Sportler auch. Aber alle die haben nichts dagegen, als Kinder, Männer oder Sportler umworben zu werden. Senioren jedoch verabscheuen nichts mehr, als spezielle Seniorenangebote buchen zu müssen. Jedes noch so genau auf die Altersgruppe der 60-jährigen zugeschnittene Urlaubsarrangement wird in der Regel nicht gekauft, wenn groß „Seniorenwo-che” darübersteht, klagen die Marketingstrategen von Hotels und Reisebüros. Damit sitzen die Reiseveranstalter in der Zwickmühle. Sie würden gerne auf die Oldies zugehen, wissen aber nicht, unter welchen Schlagworten diese angesprochen werden wollen. Verbale Hochseilakte etwa zwischen „65Plus-An-gebote” (SAS Palais Hotel, Wien) oder „Reisen für Junggebliebene” sind der wackelige Kompromiß in den Prospekten. Charlotte Ludwig, Pressesprecherin des Osterreichischen Verkehrsbüros, das als rund 80 Jahre altes Unternehmen einen besonders hohen Anteil an Senioren-Kunden besitzt, macht aus der Not eine Tugend: „Reisen als Anreiz, ständig etwas Neues zu lernen, vermittelt auch bei den Älteren die Illusion, jung zu sein”, erklärt sie, „daher sprechen wir die Senioren ganz bewußt nicht als solche an - und sie kommen trotzdem”.

Anders als in Amerika, wo sich alte Leute ebenso ungeniert zu ihrem Alter bekennen wie die Reichen zum Geld, wollen die europäischen Seniorenkollegen nicht mit ihrem Geburtsdatum' konfrontiert werden. Weder in der Werbung, noch im Urlaub direkt, wo sie doch die Gesellschaft aller Altersgruppen genießen. Gleichzeitig legen sie allerdings allergrößten Wert auf die standesgemäße Betreuung. Klaus Lukas, Chef der Österreich-Werbung: „Das ist ebenso schizophren, wie die Einstellung zum autofreien Urlaub. Die Gäste wollen während des Urlaubes kein Auto sehen, mit

Ausnahme des eigenen.”

Mit der Entfernung zum Geburtsdatum wachsen tatsächlich die Ansprüche an die Qualität des Reiseablaufes, was vielen Reiseveranstaltern noch nicht wirklich bewußt ist. Gewünscht wird: Durchgehende Betreuung statt Freizeiten zum Souve-nierkaufen, Vollverpflegung mit Service statt mühsames Anstellen an jetzt beliebten, aber unübersichtlichen Büffets, großgedruckte Speisekarten und helle Beleuchtung statt schummriges Dämmerlicht, organisierte Zubringerdienste statt mühsames Gepäckschleppen, Abschaffung der Singlezuschläge statt der Unterbringung im kleinen Einzelzimmer am Gangende.

Dennoch: Kaum eine Urlaubergruppe ist so begehrt in der Touristikbranche wie die Senioren. Denn sie, so hat die Marktforschung längst festgestellt, sind der am stärksten und, zuverlässigsten wachsende Urlaubertypus. Einmal deswegen, weil der Anteil der Alten an der Gesamtbevölkerung immer größer wird. Kamen zu Beginn der neunziger Jahre noch 1.000 Erwerbstätige auf 608 Pensionisten, so wird sich das Verhältnis bis zum Jahr 2050 bis zur Relation 1:1 verschieben.

rüstig und geistig mobil

Zudem läßt sich auch ein Imagewandel erkennen. Senioren sind nicht mehr alte gebrechliche und unflexible Pensionisten, die ' aus ihrem Schrebergarten nicht rauskommen. Die kommende Graue Panther-Generation ist zeitlebens viel gereist, früh in Pension gegangen, weitgehend gesund und geistig

beweglich. Die Senioren verdienen zudem nicht schlecht und können sich das Reisen leisten. Sie wollen es auch - wenn die Qualität stimmt. Die Zahlen der Statistiker klingen demnach entsprechend optimistisch. Der Seniorenreisemarkt wird, so die Schätzungen einer aktuellen Studie des Wissenschaftministeriums, pro Jahr um 2,5 Prozent zunehmen, der über 70jährigen bis zum Jahr 2000 sogar um 80 Prozent.

In Österreich sind bereits 37 Prozent der Gäste im Sommer über 55 Jahre alt, im Winter reduziert sich ihr Anteil auf 17 Prozent. Aber insgesamt sind das sechs Millionen Reisen, die jeweils durchschnittlich 5,22 Tage dauern und während derer die Opas und Omas rund 29 Milliarden Schilling ausgeben.

Und so bemühen sich die großen Hotelketten bereits um den (nicht nur Urlaubs-) reifen Gast. Das SAS Palais Hotel in Wien etwa bietet Gästen über 65 ihr jeweiliges Alter als Rabatt zum Listenpreis an - Urlauber mit Geburtsdatum vor 1895 ”logieren demnach gratis, jene davor bekommen sogar noch etwas gezahlt. In den Intercity-Hotels der Steigenberger-Gruppe Deutschland hängt das Ausmaß des Rabatts auch direkt am Alter: Ab 65 Jahren lautet der Fixpreis: 65 DM. Die nachvollziehbare Erfahrung der Hotelmana-ger: Sobald mit dem Alter nicht nur ein spezielles Programm, sondern auch ein wirklicher Preisnachlaß verbunden ist, hat die Vätergeneration kein Problem mehr, sich dazu zu bekennen.

Was aber den Seniorenreisemarkt für Österreichische Touristiker besonders interessant machen sollte, ist

seine zeitliche Verteilung auf das Jahr. Ganz im Gegensatz zu den Haupturlauberströmen, die sich in den Ferienzeiten zu Spitzenwerten über die Straßen wälzen, lassen sich die Pensionisten von der Jahreszeit kaum aus ihrem Reise-Rhythmus bringen. Das bringt Konstanz in die von saisonalen Schwankungen geplagte Touristikbranche und' trägt wesentlich zum heiß ersehnten Ausgleich der Urlauberwellen bei. Österreichs oberster Tourismus-Werber Lukas stellt denn auch nicht ohne Befriedigung fest: „Was früher als eine der Schwachstellen im Österreichischen Tourismus bezeichnet wurde, nämlich die Überalterung des Gästeaufkommens, erweist sich heute als gar nicht so schlecht.”

Interesse an Osteuropa

Doch noch ist die Zukunft des heimischen Tourismus nicht gerettet. Denn die Konkurrenz der Fern- und Studienreisen gerade bei den Senioren ist gewaltig. Harald Golda, Eigentümer des auf Studienreisen spezialisierten Akademischen Beise-dienstes bleibt Realist: „90 Prozent unserer Seniorenkunden fahren ins Ausland”. Besonders die osteuropäischen Nachbarländer des ehemaligen Groß-Österreichs dürften heuer die Junggebliebenen interessieren, lautet seine Trendprognose. Und auch das Marktsegment der Kreuzfahrten, zwar eher eine Marktnische als ein ganzes Segment, wird zum Großteil von Senioren besetzt. Tendenz: rasch ansteigend. Der Urlaub wird also immer mehr zur Belohnung für ein arbeitsreiches Leben -außerhalb Österreichs.

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