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.. .Vorbild für die Seminarerziehung?

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Im Anschluß daran beschreibt nun Schwarz ein Seminar, wie er es kennengelernt haben will. Den Höhepunkt erreicht dieser scheinbare Tatsachenbericht in den Ausführungen: „An Stelle der Bildung tritt die Ausbildung in Glaubensdingen ...Er (sc. der Seminarist) muß meistens auch auf engeren Kontakt mit seinen Brüdern in Christo verzichten. Im Seminar soll über das dargelegte System nicht diskutiert werden. Das wäre Aufwiegelung. Wem etwas nicht recht ist, der soll mit dem Regens reden. Denn die Kommunikation darf in jedem autoritären System nur über die Zentralperson gehen, um jede Möglichkeit des Aufstandes zu vermeiden. Wenn dann die Zentralperson mit gewissen Informationen über andere Seminaristen, die selbstverständlich nicht weitergesagt werden dürfen, gegenseitig noch Mißtrauen sät und eine Art Überwachungssystem aller gegen alle einführt, dann ist dieses System am Höhepunkt. Auch später als Priester soll er einsom bleiben, um das System nicht zu gefährden.“

Zur Schilderung des Seminars hat der Wiener Seminarregens, Prälat Steiner, in einem Interview mit der „Kathpreß“ Stellung genommen. („Die Furche“ Nummer 6/67.) Schwarz geht in seinem Artikel aber gar nicht direkt das Problem der Priesterbildung an, sondern das Problem der theologischen Darstellung und Erklärung der geoffenbarten Wahrheit, die der Seminarerziehung nach seiner Darstellung zugrunde liegt. Der Diskussionsbeitrag von Dr. Schwarz ist (wohl absichtlich) in polemischer und etwas einseitiger Form gehalten. Sein Ziel scheint es zu sein, zu provozieren und zur Polemik anzuregen.

Im folgenden veröffentlicht „Die Furche“ den offenen Brief eines Theologen an den Autor. Dieser Brief beschäftigt sich nicht direkt mit der Seminarerziehung, sondern geht in polemischer Form auf einige von Dr. Schwarz aufgestellte Behauptungen über die Theologie als Wissenschaft ein.

In einer Zeitschrift haben Sie neulich die Frage der Priesterbildung angeschnitten. Dabei haben Sie aber doch der gesamten Theologie — wenn nicht überhaupt der Kirche — den Fehdehandschuh hingeworfen. Sicher nehmen Sie nicht an, es sei von mir persönliche Gehässigkeit,wenn ich Ihre Herausforderung annehme. Ich muß als Theologe ihrem Angriff entgegnen, und zwar in eodem genere.

Zunächst hätte ich eine Frage: Was behaupten Sie eigentlich? Sie leiten Ihren Diskussionsfoeitrag ein mit der lapidaren Feststellung: „Die Priestererziehung der katholischen Kirche ist nach Meinung mancher Fachleute nicht als im eigentlichen Sinn modern zu bezeichnen. Ist der Satz Ihre Grundthese? Wenn ja, so handelt es sich aber nicht um Ihre Stellungnahme, wie im Vorspann des Artikels zu lesen ist. (Ich möchte auch davon absehen, daß man nach den Fachleuten fragen müßte. Sich auf die berühmten quidam zu berufen, ist doch nur unter den Theologen des Mittelalters üblich gewesen. Heute müßte man schon zitieren.) Warum behaupten Sie aber, die Priestererziehung sei „nicht im eigentlichen Sinn modern“? Wollen Sie sich die Rückzugsmöglichkeit auf eine im uneigentlichen Sinne moderne Priestererziehung offen lassen?

Trotzdem haben Sie Methode: Sie stellen selbständig eine Theorie auf. Aus dieser Theorie konstruieren Sie konsequent ein Seminar. Gibt es dieses Seminar wirklich? Offenkundig insinuieren Sie ein Ja, ohne es zu behaupten. Der unbefangene Leser lokalisiert dieses Seminar in die Nachbarschaft des Chemisch-Physikalischen Instituts. Der informierte Leser ist, wenn er Ihnen wohlwill, ratlos. Das von Ihnen konstruierte Seminar gibt es nicht. Sie behaupten es auch nicht. Was wollen Sie also? Wollen Sie eine Karrikatur zeichnen? Oder wollen Sie tatsächlich nach Art der Sepia reagieren? Oder sind Sie einigen übertreibenden Informanten aufgesessen? Wenn Sie selbst aber Ihre Konstruktion für existent halten, und zwar in der Boltzmanngasse, dann behaupten Sie es bitte klar und sauber, damit man über Ihre Behauptung diskutieren kann!

Doch nun zu ihrer Theorie selbst: Sie zeichnen ein Bild der katholischen Kirche (hier nennen Sie die Zielscheibe mit Namen), belegen aber nicht, daß dieses Bild zutrifft. Einen Beleg freilich geben Sie an: ein unvollständiges Zitat aus dem Antimodernisteneid. Sie zitieren ihn nach der Übersetzung von Neuner-Roos (Nr. 64, 66, 68, 71, 74) und verweisen dann nicht auf die Übersetzung, sondern auf die entsprechenden Nummern von Denzingers Enchiridion Symbolorum, die ja von den Übersetzern im Neuner-Roos am

Rande angeführt sind. In Denzin-gers Enchiridion Symbolorum findet sich tatsächlich der Originaltext des

Antimodernisteneides; auch die Nummern stimmen, allerdings nur in der alten Auflage. 1963 erschien eine neue.

An das Zitat schließen Sie eine Bemerkung über das Festhalten „an herkömmlichen feudalen Formen“. Ist das Ihre Auslegung des Antimodernisteneides? Auch wenn sie in Ihrer Schule einmal traditionell werden sollte, ist sie nicht genuin. Es wäre schon nötig gewesen, sich mit der Geschichte des Antimodernisteneides, oder besser des ganzen Streites um den Modernismus zu beschäftigen. (Vielleicht hätte es sogar genügt, tatsächlich Denzingers Enchiridion Symbolorum zu konsultieren, besser in der Neuauflage.)

Sehen wir aber davon ab! Sie zeichnen ein Klischee der katholischen Kirche und machen sie auf diese Weise mühelos lächerlich. Die Methode ist uns' bekannt. Wir finden sie in der Rüstkammer des 19. Jahrhunderts. Wir haben diese Rüstkammer allerdings längst für ein Museum gehalten. In unseren Museen betrachten wir heute noch mit einer gewissen Mischung von Pietät und Humor die Waffen, die unsere Väter für Kriege des 19. Jahrhunderts geschmiedet haben. Es ist recht interessant, eine solche alte Apologetik zu lesen. Zum Kämpfen taugt sie heute schlecht. Ich weiß freilich als Seelsorger im Wiener Arsenal, daß man mit solchen alten Gewehren schon noch schießen kann, wenn es gerade sein soll. Normalerweise werden sie aber im Heeresgeschichtlichen Museum belassen. Deshalb rechnen wir auch mit solchen Waffen nicht mehr. Daß wir aber solche Waffen gerade bei Ihnen finden, berührt uns peinlich. Die Waffen sind nicht rostig, man wird damit manchmal noch in einem Eisenbahncoupe angegriffen, wenn man mit ungebildeten Leuten ins Gespräch kommt. Aber wie erginge es denn heute einer Kompanie, die daraufkommt, daß sie mit Zündnadelgewehren angegriffen wird? Ist es wirklich Absicht gewesen, wenn Sie, Herr Doktor, die moderne Wissenschaft „von Galilei über Darwin bis Marx“ reichen lassen?

Nun bin ich manchmal versucht, einem Astronomen Unwissenheit vorzuwerfen, wenn er allen Ernstes vom Sonnenuntergang spricht. Hält er wirklich noch die Sonne für einen Trabanten der Erde? Natürlich werde ich mich nicht auf diese Art absichtlich blamieren. Doch möchte ich gerne wissen, warum Sie, Herr Doktor, sich den Anschein geben, als behaupteten Sie wirklich, daß wir den Eingang zur Hölle in der Nähe von Florenz suchen? (Ich bin überzeugt, daß ihn Dante dort nur lokalisiert und nicht gesucht hat.) Daß sich die Darstellung der Wahrheit ändern muß, haben wir doch schon (wenigstens) von den Scholastikern gelernt. Wenn wir nun von Ihnen, lieber Herr Doktor, darüber aufgeklärt werden, so halten wir das für ein wenig — verzeihen Sie, bitte, den Ausdruck! — altklug und naseweis. Daß die Wahrheit immer neu dargestellt werden muß, steht doch gar nicht zur Diskussion; wie es möglich ist, das ist die Frage. Hier hätte das Studium der Geschichte des Streites um den Modernismus gezeigt, daß es auch damals nur um das Wie gegangen ist.

Nun kommt aber der Höhepunkt: als eine „neue Interpretation“ des Abfalls der Massen von der Kirche zitieren Sie — offensichtlich unbewußt — ein freilich nicht ganz leicht zu interpretierendes Bild aus der Geheimen Offenbarung (20, 2). Im Anschluß daran machen Sie sich — mit Recht — über den gnostsehen Begriff von der Welt lustig. Doch finden Sie anscheinend kein besseres Beispiel für diesen gnosti-schen, also häretischen Weltbegriff als einen Satz aus dem antignosti-schen Evangelium des Neuen Testaments (Joh 18, 36). Sie setzen dieses Zitat unter Anführungszeichen, verweisen jedoch nicht auf das Johannesevangelium, so daß ich nicht weiß, ob Ihnen wirklich bewußt geworden ist, daß Sie sich über ein Evangelienzitat lustig gemacht haben.

Sie setzen dann noch zwei Wortfolgen unter Anführungszeichen, unter denen man naturgemäß ein Zitat vermutet. Ich konnte aber nicht verifizieren, wer behauptet, daß der Priester „seinsmäßig etwas anderes wird“ und „an der Transzendenz teilhat“. Der Klarheit halber muß ich doch feststellen, daß die Bezeichnung „Mittelding zwischen Mensch und Gott“ von Ihnen stammt; daß die Weihe keine plötzliche Veränderung bewirkt, haben wir in der Theologie immer gelehrt, in der Praxis immer erfahren. Wer das bedauert, wie Ihr in Klammer hinzugefügtes Wörtchen „leider“ andeutet, bleibt dabei unerfindlich.

Nun darf ich, lieber Herr Doktor, am Ende noch auf etwas hinweisen: Sie verwenden eine ganze Menge von Begriffspaaren: Welt — Kirche, göttliche Welt — irdische Welt, profan — heilig, Natur — Übernatur, Naturgesetz — Gnade, Wissen — Glaube, Mündigkeit — Gehorsam und einiges mehr. Das Verhältnis der hier als Gegensätze genannten Begriffe zueinander zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Eine ganze Literatur existiert darüber. Sie haben, verehrter Herr Doktor, diese Literatur gar nicht benützt. Wäre das nämlich auch nur im geringen Ausmaß geschehen, hätten Sie zum Gegenstand doch etwas kompetenter geschrieben.

Endlich möchte ich ein Mißverständnis vermeiden: Man kann über alles diskutieren: über den Wandel des Weltbildes und über die Modernität der Seminarerziehung, über den Begriff der „Welt“ bei Johannes und auch über den Antimodernisteneid. Doch muß das mit Argumenten geschehen. Wenn manchen Theologen das Argument ausgeht, dann kommt der bei uns im Jargon sogenannte „fromme Spruch“. Leider findet sich ein solcher frommer Spruch auch als Ende Ihres Diskussionsbeitrags: wenn man zuerst eine Karrikatur zeichnet und dann fragt, ob denn so etwas noch ein Werkzeug Gottes sei, so ist das, lieber Herr Doktor, nicht „im eigentlichen Sinn“ wissenschaftlich und modern. Unter Theologen nennt man das eben „fromme Sprüche“. Das war meine Stellungnahme zu Ihrer Stellungnahme, wobei ich mich durchaus gefreut habe, mit Ihnen wieder einmal zusammengetroffen zu sein, und wie immer verbleibe ich Ihr sonst sehr ergebener

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