Ohren tauschen, bitte!

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Beim digitalen Radio hält sich - im Gegensatz zu Kino und Fernsehen - die Begeisterung in Grenzen.

Mitte der neunziger Jahre war alles noch ganz anders: Da wurde in Deutschland begonnen, mit der digitalen Ausstrahlung von Radioprogrammen zu experimentieren. Die Ergebnisse wurden als technische Revolution gefeiert, sowohl Politiker wie auch Senderchefs priesen die neue Technologie. Heute ist diese Euphorie verflogen, das digitale Radio wird zunehmend als "Auslaufmodell" (Süddeutsche Zeitung) gesehen. Der Sparwille regiert, und die hohen Subventionen, die das digitale Radio erhält (seit Beginn rund 250 Millionen Euro), könnten schon bald dem Rotstift zum Opfer fallen.

Radiomarkt stagniert

Grund dafür ist die schleppende Entwicklung auf dem Radiomarkt. Zwar stehen in Deutschland zwischen 400 und 500 Millionen Radiogeräte in den Haushalten - die arbeiten aber ausschließlich mit herkömmlichem UKW-Empfang. Der Klangvorteil, den das digitale Radio bietet - annähernde CD-Qualität - ist ein zu schwaches Argument für die Kunden, auf digitale Radiogeräte umzusteigen. Mittlerweile ist auch die UKW-Qualität hervorragend, und die wenigen Digi-Empfänger, die es auf dem Markt gibt, sind sündhaft teuer.

Viele der 125 digital sendenden Radiostationen erwägen bereits einen Umstieg auf UKW und suchen um Frequenzen an. Denn die wenigen zehntausend Hörer machen ihre Programme nicht rentabel. Es fehlt also an der Akzeptanz der Konsumenten.

Enorme Kosten

Vor diesem Hintergrund liegt auch die Einführung des digitalen Radios in Österreich auf Eis. Zwar unterhält der ORF in Wien und Tirol einen Testbetrieb mit insgesamt 5 Sendemasten, und der Digitalisierungsbericht der Medienbehörde KommAustria misst neben dem Fernsehen auch dem digitalen Hörfunk "hohe Bedeutung" bei, "wenn auch nicht so prioritäre".

Das Verhältnis zwischen Umrüstungskosten und Nutzen für die Hörer ist aber aus dem Gleichgewicht: Das terrestrische System T-DAB (terrestrisches Digital Audio Broadcasting), ein Standard, der bereits gut zehn Jahre alt ist, bringt in der gewählten Form Nachteile. Vergeben wurden dafür bereits 1995 zwei so genannte Multiplexe pro Bundesland, das sind Vorrichtungen, die aus Signalen Datenströme zusammenstellen. Pro Multiplex können sechs Hörfunkprogramme in Stereo mit zusätzlichen Datendiensten übertragen werden. Das Problem sind die Frequenzen: Ein Multiplex wurde im sogenannten Frequenzband III, das andere im "L-Band" fixiert. Sender im Band III schaffen 60 Kilometer Reichweite, im L-Band hingegen maximal 26 Kilometer. Der Digitalisierungsbericht der KommAustria kommt daher zu dem Schluss: Die Errichtung einer neuen Netzstruktur wäre mit erheblichen finanziellen Folgen verbunden, weil mehr neue Sender errichten werden müssten.

Auch ORF vorsichtig

Und weil es immer noch an der Entwicklung exklusiver Inhalte krankt, die digitales Radio gegenüber dem herkömmlichen vorteilhaft machen würden, dürfte auch hierzulande eine breite Akzeptanz durch die Hörer ausbleiben. Andreas Gall, Technischer Direktor des ORF zur Furche: "Die Einführung eines DAB-Regelbetriebs wird aus Sicht des ORF von niedrigeren Preisen bei den Endgeräten, aber auch von der Entwicklung am deutschen Markt abhängen. Ein konkreter Zeitpunkt für einen durchgehenden DAB-Betrieb ist derzeit jedenfalls nicht absehbar". Gesetzlich ist der ORF allerdings beauftragt, digitales Radio einzuführen.

Empfehlung: Abwarten

Der in der Praxis kaum feststellbare Unterschied zwischen digitaler Klangqualität und herkömmlicher UKW-Sendungen war kürzlich auch Anlass für ARD-Boss Jobst Plog, bei einer Anhörung im Sächsischen Landtag über die digitale Radiozukunft zu spotten: Möglicherweise müsse man nicht nur die Empfangsgeräte, sondern "auch noch die Ohren austauschen".

Die Empfehlung der KommAustria geht daher in Richtung Abwarten. Gefordert wird die genaue Beobachtung alternativer, neuerer Digitalradio-Technologien, aber auch "kleine, handliche Geräte, zu vernünftigen Preisen und in ansprechendem Design". Solange dem Kunden der Zusatznutzen von digitalem Radio nicht vermittelt werden kann, bleiben aber auch Empfangsgeräte Ladenhüter und der Teufelskreis ist perfekt.

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