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Aufgabenzuwächse bringen den Ländern finanzielle Sorgen

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Die staatlichen Aufgaben und Leistungen haben seit der Entstehung straff organisierter Territorialstaaten stark zugenommen. Mit der raschen industriellen Entwicklung seit Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich die Zivilisation ungemein verdichtet, die Ansprüche der Menschen an die Umwelt, die Gesellschaft und an den Staat sind gewachsen. War zum Beispiel früher das Problem der Armut auf den Fami- lien-Sippenverband oder die Dorfgemeinschaft beschränkt, so ist heute dieses Problem ein soziales Anliegen der gesamten staatlichen Gemeinschaft. Dieses Beispiel gilt ebenso für das Problem der sozialen Sicherheit, wie es sich in der Altersversorgung, Versorgung in Krankheitsfällen, bei Unfällen, in der Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen manifestiert. Diese allgemeine Obsorge des Staates, die heute wohl niemand mehr ernsthaft in Frage zu stellen wagt, wird mit dem Begriff des „Wohlfahrtsstaates” umschrieben. Jede Kritik an ein Uberhandnehmen der staatlichen Leistungen und Aufgaben berührt daher auch die Frage der Erweiterung oder Einschränkung des Wohlfahrtsstaates.

Im Rahmen der allgemeinen Wohlfahrt leisten nun auch die Länder ihren wesentlichen Beitrag. Die wichtigsten Bereiche, in denen die Länder finanziell stark belastet werden, sind die Errichtung und der Betrieb von Krankenanstalten, von Altenpflegeheimen, von Schulen, Kindergärten und sonstigen öffentlichen Einrichtungen. Aber auch im Bereich der Versorgung und Entsorgung sind die Länder im außerordentlichen Umfang tätig, da .diese Probleme vielfach das örtliche Ausmaß bereits gesprengt haben.

Um die ihnen gestellten Aufgaben erfüllen zu können, bedürfen die Gebietskörperschaften entsprechender Finanzmittel. Um diesen Finanzbedarf zu decken, stehen zwei Systeme zur Auswahl, die in ihrer reinen Ausprä gung gesondert nicht mehr Vorkommen. Entweder wird der Finanzbedarf einer Gebietskörperschaft durch eigene Steuern, Beiträge und Gebühren gedeckt oder eine Gebietskörperschaft hebt als gesamtstaatliche Zentralgewalt die öffentlichen Abgaben ein und verteilt sodann nach einem bestimmten System, welches Teil des Finanzausgleichssystems ist, die Erträge aus diesen Abgaben auf die einzelnen Gebietskörperschaften. In Österreich herrscht dieses System der „verbundenen Steuerwirtschaft” vor. Für die Länder und für die Gemeinden (Gemeindeverbände) bedeutet diese Art der Mittelverteilung die wichtigste Einnahmequelle.

Die oben dargestellten Aufgabenzuwächse für die Länder geben Anlaß zur Sorge, daß sie mit den durch das Finanzausgleichsgesetz 1973 gesicherten Mitteln in Zukunft nicht mehr das Auslangen finden werden. Bei den kommenden Verhandlungen zur nächsten Finanzausgleichsperiode 1979 bis 1985 werden daher die Länder darauf dringen müssen, ihre entsprechenden Anteile aus der Finanzausgleichsmasse zu erhalten. Ihre wichtigste Stellung im staatlichen Gemeinwesen, ihre große Bedeutung als Lenkungs-, Förderungs- und Koordinierungsinstrument werden die Länder nur dann wirklich erfüllen und weiterhin ausbauen können, wenn ihnen ausreichend Mittel zufließen, schaftsförderung) durch namhafte Finanzhilfe des Landes Steiermark abzusichern. Voraussetzung dafür war allerdings, daß mehrjährige Programme und Verwirklichungsstufen geplant, erarbeitet, in den Verhandlungen mit dem Land verdeutlicht und letzten Endes in Angriff genommen wurden. Voraussetzung für diese zielstrebige Kommunalpolitik war die politische Zielvorstellung, die wir Freiheitlichen in unserem Programm 1973 mit der Forderung nach der „Wiedergewinnung einer menschengerechten Stadt” erhoben hatten. Bürgernahe Verwaltung, ständiger Kontakt mit der Bevölkerung, Mitentscheidung und Mitverantwortung - das waren auch jene Punkte, in denen wir uns mit der ÖVP zur Umsatzung dieser Gedanken trafen.

Ein gutes Stück des Weges von der hierarchischen Obrigkeitsverwaltung zur Dienstleistungsgemeinde wurde gegangen! Dabei soll die Tatsache nicht verniedlicht werden, daß es galt und gilt, Umstellungsschwierigkeiten zu überwinden. Selbst der gute Wille der Mitarbeiter in der Stadtverwaltung reicht oft nicht aus, um eingefahrene - oft auch gesetzlich fixierte - „Verwaltungstraditionen” abzubauen.

Diese Arbeit für Graz wäre in ihrem Kernstück nicht möglich gewesen, hätte nicht die Bereitschaft unserer Mitbürger dazu bestanden: Ihr Engagement, ihre Mitarbeit, ihre Kritik ebenso wie ihre Ermunterung waren im besten Sinne des Wortes „Entwicklungshelfer”. Mit Bürgerinitiativen, zahlreichen Bürgerversammlungen, Planungsbesprechungen, Projektsdiskussionen, regelmäßigen Veranstaltungen unter der Bezeichnung „Treffpunkt Bürgermeister” und vielen anderen Kontakten hat in der steirischen Landeshauptstadt ein neuer Abschnitt kommunalen Demokratiebewußtseins begonnen.

Wir Freiheitlichen haben versucht, dafür eine kurze, bezeichnende Charakteristik mit ein paar Worten zu finden. Durchaus möglich, daß es treffendere Beschreibungen geben kann, doch dem Grunde nach trifft es - so oder anders formuliert - sicher zu: Graz ist freundlicher geworden! .

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