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Blau-gelber Wahlkampf: Kurz, aber umso härter

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Unmittelbar nach dem Abschied von Papst Johannes Paul II. hat in Niederösterreich die Intensivphase des Wahlkampfs begonnen. Bis zur vorverlegten Landtagswahl am 16. Oktober sind es nur noch vier Wochen. Es ist somit der kürzeste Wahlkampf in Niederösterreich seit 1945. Und der billigste. Sagt man in der VP. Aber es wird manche Hinterfotzigkeit zu erwarten sein.

Im blau-gelben Landtag besetzt die ÖVP derzeit 29 Sitze. Der SPÖ fallen 27 Mandate zu. Würde sie

am 16.10. ein Mandat dazugewinnen, würde sie den Landeshauptmann stellen. Die „schwarze Hochburg“ Niederösterreich wäre dann verloren.

Kein Wunder, daß daher am 16. September VP-Landesobmann LH Siegfried Ludwig bei einem „Wahlkongreß“ in St. Pölten rund 1.500 Funktionäre quasi mit dem Motto „Alles oder nichts“ zu vergattern suchte. Das scheint auch notwendig, denn nach dem Stimmengewinn der ÖVP bei den Nationalratswahlen vom April in Nö herrscht Siegesgewißheit. Man rechnet mit dem Gewinn von einem Mandat.

Das ist übrigens auch das offizielle Wahlziel Ludwigs.

In der SPÖ Nieder Österreich scheint man die Niederlage vom April noch nicht ganz überwunden zu haben. Deutlich kam dies beim Landesparteitag vom 3. September in Baden zum Ausdruck. Stimmung wollte nicht so recht aufkommen. Die geballten Angriffe gegen LH Ludwig von SP- Landesobmann Leopold Grünzweig — er wurde in Baden mit überwältigender Mehrheit wiedergewählt von seinen Genossen — zündeten nicht.

Freilich überschattete den SP-

Parteitag das Schicksal, das dem VEW-Werk in Ternitz droht. 1.500 Arbeitsplätze gehen verloren, wenn das Stahlwerk — wie es das VEW-Strukturprogramm vorsieht—eingestellt und die Produktion nach Kapfenberg verlagert wird. Und Bundeskanzler Sino- watz, der auch am Badner Parteitag sprach, konnte kaum Hoffnung für Ternitz bieten. Da fehlte ganz einfach ein Bruno Kreisky, der sicher vor den Funktionären eine „Ternitz-Lösung“ aus dem Zylinder gezaubert hätte…

Die Wahlkampf-Programme der beiden Großparteien in Niederösterreich sind einander sehr ähnlich. Die ÖVP zieht mit einem „Modell Nieder Österreich“ in den Wahlkampf. Es ist eine Sammlung von Anregungen und Problemlösungsversuchen, die von 700 „Modell-Mitarbeitern“ zusammengetragen und durch das Feuer öffentlicher Diskussion geschickt wurde. Fachleute haben da mitgetan und auch so mancher „bunte Hund“.

Die SPÖ hat ein Programm „Niederösterreich ‘90“ erstellt. Auch dabei diskutierten parteifremde Fachleute mit. Auch dieses Programm wurde der Partei- Basis zur Begutachtung vorgelegt.

Die Unterschiede fallen jedenfalls nicht beim ersten Blick ins Auge. Auffallend ist, daß sich beide Großparteien in ihrem Programm „grün“ geben …

Die „Vereinten Grünen“ und die

„Alternative Liste“ wollen übrigens ebenfalls in Niederösterreich zur Wahl antreten. Gemeinsam — sie marschierten getrennt und kämpfen auch jetzt jeder für sich — haben sie bei den Nationalratswahlen 12.000 Stimmen in Nö gewonnen. Das wäre zuwenig für ein Grundmandat, das etwa 14.000 Stimmen kostet. Allein die heftige Propaganda der „Kronen-Zeitung“ gegen das geplante Donaukraftwerk bei Hainburg könnte „Grünen“ und .Alternativen“ den Rücken stärken. Und wenn sie nur Protestwähler sammeln können, die dann den Großparteien abgehen.

Als wählbare Partei präsentieren will sich auch wieder die FPÖ. Mit einem neuen Spitzenkandidaten, dem Weinbauern Sepp Hintermayer, Nationalrat aus dem Tullnerfeld. Landesparteiobmann Harald Ofner ist ja Justizminister geworden.

Ofner beurteilt die Chancen sehr realistisch. In einem Interview mit den „Nö Nachrichten“ sprach er von einem Sieg der ÖVP. Die er übrigens überhaupt nicht liebt, da sie seiner Partei bisher ein Wahlrecht entzogen hat, das ihr den Einzug in den Landtag ermöglicht hätte.

Ofner wird sich übrigens wenige Tage vor der Wahl in einem Ehrenbeleidigungsprozeß zu verantworten haben. Im Zuge des WBO-Skandals hat er nämlich behauptet, er wisse um einen Mil- lionen-Beleg über Gelder aus der „Wohnbau-Ost“, den ein blaugelber VP-Spitzenfunktionär gezeichnet habe. Das trug ihm die Klage des ganzen VP-Landespar- teivorstands ein.

Bisher hat Ofner den Informanten, von dem er über den Beleg Kunde erhielt, nicht genannt. Beim WBO-Prozeß erhielt er da- ‘ für sogar eine Beugestrafe. Auch der Ehrenbeleidigungsprozeß wird kaum Klarheit erbringen. Aber wenige Tage vor der Wahl rührt er die ganze Affäre wieder auf, in die Ludwigs Landesparteisekretär Walter Zimper so tief verstrickt war, daß er zu einer unbedingten Gefängnisstrafe verurteilt wurde.

Natürlich wärmt auch die SP diesen Skandal wieder auf. SP- Landesparteisekretär Max Stra- che hat sogar 500 Exemplare eines Anti-Ludwig-Pamphlets gekauft. Ludwig erhält darin wohlgezielte Schläge unter die Gürtellinie in Menge. Man ist eben nicht zimperlich, um die Macht der VP in Nö zu brechen. Und weil die ÖVP eine recht gute Leistungsbilanz verkaufen kann, verkauft man eben Skandale, die im Dunstkreis der VP hochgegangen sind…

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