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Der neue Chef liegt noch im Talon

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In Niederösterreich - so sagt man -gehen die Uhren anders. Die einen beziehen das auf die politischen Konstellationen: Im Landtag führt die ÖVP mit zwei Mandaten. Die anderen beziehen den anderen Gang der Uhren auf die eingefahrenen politischen Strukturen: Auf dem Land regiert der ÖVP-Bauernbund, im Landesdienst der ÖAAB, in größeren Betrieben die SPÖ-Gewerkschafter.

Vielleicht aber kommt in die politische Landschaft demnächst Bewegung.

Konkret: Andere Konstellationen könnte es nach dem ÖVP-Reformpar-teitag vom 8. II, in Krems geben. Da soll sich die ÖVP des größten Bundeslandes an die neue Volkspartei angleichen. Interessanter aber sind die für November angekündigten Personalentscheidungen.

Natürlich hat das Rätselraten um den oder die „großen Unbekannten" bereits begonnen. Wer wird die ÖVP Niederösterreich von Krems wegführen? Wer wird als Landeshauptmann in den nächsten Landtagswahlkampf ziehen? Der regierende Landeschef Andreas Maurer, 61 (seit 1966 an der Landesspitze), oder sein Stellvertreter Finanzreferent Siegfried Ludwig, 54 (seit 1969 zweiter Mann im Land)? Wer wird als Landesparteisekretär Dr. Otto Bernau nachfolgen?

Bernau ist übrigens der einzige, der bereits vor den Landtagswahlen im März 1979 erklärt hatte, er schlage seinen letzten Wahlkampf als Landesparteisekretär.

Stark angeschlagen wirkte nach den Märzwahlen im Vorjahr der Bauern-bündler Andreas Maurer. Die VP konnte zwar ihre Vorherrschaft behaupten, sie verlor aber zwei Mandate an die SPÖ. Das Mandatsverhältnis im Landtag steht jetzt 29:27. Der Stim-menvorsprung der ÖVP ist auf nur 43.774 zusammengeschrumpft. Bei den Nationalratswahlen im Mai 1979 wäre Niederösterreich „umgedreht" worden.

Große Einbrüche waren der SPÖ vor allem im ländlichen Raum gelungen. Es gab daher genügend Leute, die offen oder hinter vorgehaltener Hand den ÖAAB-Chef von Niederösterreich, Siegfried Ludwig, zum Maurernachfolger ausriefen. Daß dabei das Landeszepter vom Bauernbund zum Arbeiterund Angestelltenbund überwechseln sollte, sollte der Strukturänderung im Land Rechnung tragen. , Doch Andreas Maurer, der Bauer aus Trautmannsdorf, hat sich wieder erholt. Bereits im Herbst 1979, als sich Ludwig gerade in den USA befand, deponierte er seine Absicht, würde es von der Partei gewünscht, wieder kandidieren zu wollen.

Ludwig verhielt sich fair. Es kam -zumindest vor den Kulissen-zu keinem

Nachfolgekrieg. Allerdings: Die Plakate, die Maurer und Ludwig als das „Gute G'spann" zeigten (auf dem Tandem und beim Spatenstich) und die auf einen „Hofübergabevertrag" schließen ließen, wurden auch nie mehr affi-chiert.. .

Neue Spekulationen hat die jüngste Personalrochade in der Landesregierung ausgelöst. Nach dem Supersieg des Bauernbunds bei den Landwirtschaftskammerwahlen (&r gewann alle 32 zu vergebenden Mandate) und den Gemeinderatswahlen vom 23. März, die ein Erholen der ÖVP signalisierten, trat Landesrat Matthias Bierbaum als Agrarreferent zurück. Sein Nachfolger: Der 33jährige Dipl.-Ing. Dr. Erwin Pröll, bislang eine der „rechten Hände" von Bauernbundpräsident Roland Min-kowitsch und Lanner-Intimus.

Bleibt Maurer im Herbst, so wird nun spekuliert, könnte er Pröll als seinen Nachfolger aufbauen. Nach einer letzten Periode Maurer (von 1984 bis 1989) wäre Pröll mit 42 ein zwar noch junger, aber akzeptabler Parteichef und Landeshauptmannkandidat. Und frischen Wind wird er schon jetzt in die Agrarbürokratie bringen.

Die zweite Variante, die gehandelt wird: Ludwig löst Maurer ab. Pröll wird einmal sein Stellvertreter. Als „Ludwig-Mann" wird auch Jung-ÖVP-ler Josef Höchtl in diese Kombinationen mit einbezogen.

Ebenfalls ein „Ludwig-Mann" ist der aussichtsreichste Kandidat für den Landesparteisekretär, Landtagsabgeordneter Walter Zimper, 38. Der Ex-Journalist, der bei den Gemeinderatswahlen als Bürgermeister von Piesting die Zweidrittelmehrheit gewinnen konnte, vermag sicher Parteifunktionäre mitzureißen und auf ein Ziel zu vergattern. In SP-Landesparteisekretär Max Strache, 39, hätte er allerdings einen taktisch geschickten, ideenreichen und kampferfahrenen Gegner. Strache war Wahlkampfmanager bei Bruno Kreisky.

Übrigens: Auch in der Spitze der SPÖ Niederösterreich könnte es bald Änderungen geben.

Landeshauptmannstellvertreter Hans Czettel, 57, bei den Märzwahlen 1979 der eigentliche Sieger, erholt sich eben vom zweiten Herzinfarkt.

Eine Personaldebatte gibt es derzeit bei den blau-gelben Genossen nicht. Es wäre aber keine allzugroße Überraschung, hieße der Spitzenkandidat der SPÖ im Landtagswahlkampf 1984 Leopold Grünzweig. Er ist derzeit Landesrat (Schul- und Kulturressort).

Der neue SP-Landesparteichef aber könnte Ernest Brezovszky heißen. Der heutige Landesrat für Sozial- und Gesundheitswesen hat sich als Klubchef der SPÖ-Landtagsfraktion Sporen verdient.

Die SPÖ jedenfalls hat sich schon auf Ludwig als Maurer-Nachfolger eingeschossen.

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