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Digital In Arbeit

Blut, Schmerz und Tränen

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Revolution und Malerei, Politik und Kunst - auch die Frage, ob sich die beiden vereinbaren können, dürfen, sollen oder sogar müssen, beginnt mit der Französischen Revolution aktuell zu werden. Und mit Jannuos Louis David

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Revolution und Malerei, Politik und Kunst - auch die Frage, ob sich die beiden vereinbaren können, dürfen, sollen oder sogar müssen, beginnt mit der Französischen Revolution aktuell zu werden. Und mit Jannuos Louis David

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Davidgilt als einerder größten Maler Europas. Ohne seine Bilder hätten die bedeutendsten Gemäldesammlungen der Welt vielleicht einen Stern weniger im Kulturführer.

1748 in Paris geboren und aus einfachen Kreisen stammend, hatte er sich mehrere Male um das begehrte Rom-Stipendium der französischen Kunstakademie beworben, ehe er 1775 endlich berücksichtigt wurde. Mit dem festen Vorsatz, sich in Rom nicht zu antiken Vorbildern bekehren zu lassen, zog David los - und wurde in der Folge seinen eigenen Vorsätzen immer imtreuer. Eine zunächst noch durchaus bescheidene Bedeutung (1783

Aufnahme in die Akademie) war der Lohn.

1785 schlug ihm aber die Stunde:Sein “Schwur der Horatier“ (heute im Louvre) löste einen Sturm der Begeisterung aus. Das Bild - finanziert vom königlichen Hof - illustriert den Eid dreier Söhne, die sich von den Klagen weichlicher Frauen nicht berühren lassen und mutig den Kampf gegen ihre Feinde wagen wollen. Ein solcher Stoff und ein solcher “Helden’-Begriff war damals natürlich nicht neu, was aber bestach, war die Beschränkung auf einige wenige Grundlinien. Die drei Schwörenden stehen im Mittelpunkt, der Vater legt ihnen die Schwerter in die erhobenen Hände. Der Rest ist kahle Einfachheit.

Gegenüber einer Malertradition, die sich in aufwendigen Dekorationen und vielen Figuren und Draperien gefiel, eine völlig neuartige Nüchternheit und Klarheit, die auf ihre Weise revolutionierend wirkte. Gefallen konnte in einer Zeit der Gärung aber auch das entschlossene Eintreten der Horatier für ihre Heimat. All das dürfte David zunächst jedoch kaum bewußt gewesen sein, obwohl er den bürgerlichen Ideen mehr als wohlwollend gegenüberstand. Er hatte seinen Stil gefunden und blieb ihm treu.

1789 gelang ihm mit “Brutus“ ein weiterer Erfolg. Dieses Gemälde zeigt einen römischen Konsul - er ist nicht mit dem Cäsarmörder identisch - ,der eben in strenger Pflichterfüllung seine Söhne als royalisti- sche Verschwörer zum Tod verurteilen mußte und nun mit seinem Schmerz vor dem Betrachter allein ist. Mitten in der Arbeit brach die Revolution aus, und das Thema wurde plötzlich allerorts aktuell. Wie bestellt für die Atmosphäre der Zeit war die Unerbittlichkeit, mit der Brutus nicht einmal das Liebste schonte, wenn eB galt, königliche Tyrannen zu bekämpfen. Erst Napoleon ließ das Bild in der Versenkung verschwinden, als ihn selbst nach Herrscherwürden gelüstete.

Ob David erst im Verlauf der Arbeit in den Sog der Revolutionäre geriet, ist heute nicht ganz geklärt. Knapp ein Jahr danach war er jedenfalls bereits als enger Freund der späteren Jakobiner inden Kampf gegen die französische Kunstakademie engagiert, jene Anstalt, die ihm seinerzeit solange die Anerkennung versagt hatte.

Tatsächlich war die elitäre Akademie, deren Mitglieder etliche Privilegien genossen (Gratis-Modelle, Ausstellungsmöglichkeiten), so etwas wie die absolutistische Adels- herrschaft in der Kunst Freilich, als sie dann 1793 zerschlagen wurde, trat an ihre Stelle ein Institut, dessen selbstproklamierte Gleichheitsideale bald einer durchaus ähnlichen Struktur wichen.

1790 begann David im Auftrag des Grafen Mirabeau, der die gemäßigten Revolutionäre anführte, den “Eid im Ballhaussaal“ zu skizzieren - jenen Eid, mit dem sich die Abgeordneten des Dritten Standes am 20. Juni 1789 verpflichtet hatten, nicht eher locker zu lassen, bis sie eine Verfassung für Frankreich erreichten. Die Federzeichnung befindet sich heute im Louvre; das eigentliche Bild aber wurde nie fer tig, denn nicht nur hatte sich David ein Werk von zehn Metern Breite vorgenommen, der Inhaltselbstwar angesichts der sich überstürzenden Ereignisse rasch passe. Mirabeau war den Revolutionären schon zu lau. David selbst stimmte ja bald für den Tod des Königs.

Immerhin hatte David bei seiner Arbeit etwas entdeckt: Malerei konnte nicht nur alte Stoffe darstellen, sondern auch und gerade das zeitgenössische Leben illustrieren. Eine revolutionäre neue Aufgabe der Kunst. David war begeistert von ihr, und die Revolutionäre gaben ihm, was er brauchte:den Stoff und die Macht.

Zum obersten Kulturintendanten der Revolution erhoben, kam David eine Schlüsselstellung im Kunstschaffen der neunziger Jahre zu. Später organisierte er auch den von Robespierre eingeführten “Kult des höchsten Wesens", das Glaubensbekenntnis der Revolution.

Im Jänner 1793, einen Tag vor der Hinrichtung Ludwigs XVL, wurde ein an sich imbedeutendes Konventsmitglied von einem fanatischen Royalisten ermordet - die Revolution hatte einen Märtyrer, und David arrangierte ein Trauerfest, wie es einmodemer Profi nicht besser hätte machen können: Der Tote wurde auf dem Sockel eines gestürzten Königdenkmals öffentlich aufgebahrt, seine Wunde blieb gut sichtbar, und danebenhing die tödliche Waffe zur Mahnung. In aller Eile malte David auch den Leichnam und benützte die Übergabe des Gemäldes für eine pathetische Rede. Ironie des Schicksals: Die Tochter des Toten, die die Revolutionäre Liberte tauften und in ihrem Sinn erziehen wollten, wurde später eine Ultra-Royalistin, kaufte das Bild samt allen Reproduktionen an und vernichtete alles.

Als 1703 der Jakobiner Marat von der jungen Aristokratin Charlotte Corday im Bad erstochen wurde, hatte David seinen nächsten großen “Fall": Zufälligerweise war er selber wenige Tage zuvor bei Marat zu

Besuch gewesen und hatte ihn in der Badewanne arbeitend angetroffen. “Der ermordete Marat“ (heute im Museum für alte Kunst in Brüssel) zeigt denn auch den toten Marat in einem Badezuber, der in der Form ganz bewußt einem Sarkophag ähnelt. Die herabhängende Hand hält noch die Feder, mit der sie eben zum Wohl des Volkes geschrieben hatte, die Wunde klafft an sichtbarer Stelle, das Messer liegt noch daneben. Der Hintergrund ist völlig leer, nichts soll den Betrachter vom zentralen Bildinhalt und der damit verbundenen Aussage ablenken können.

Bevor David aber noch das Begräbnis eines 13jährigenKuhhüters, den Konterrevolutionäre getötet hatten, zum feierlichen Staatsakt machen konnte, war die Revolution auch schon zu Ende. Am 27. Juli 1794wurde Robespierre festgenommen und am nächsten Tag hingerichtet. David, Robespierres enger persönlicher Freund, überlebte, weil er just an jenem Tag krankheitshalber nicht zur politischen Versammlung gegangen war.

Er wurde zwar später verhaftet, kam aber bald wieder frei - er habe ja über den Tenor nichts gewußt und sei getäuscht worden, beteuerte er.

Im Gefängnis entstand seine Skizze von Marie-Antoinette auf dem Henkerswagen (Louvre), über deren Sinn die Kunsthistoriker bis heute streiten: Spricht aus ihr Mitleid oder Zynismus? Die Interpretation des Bildes ist typisch für die schillernde Figur seines Erzeugers.

Ein hohes politisches Amt schlägt David aus. Er will sich nunmehr der Kunst widmen. Und 1798 ist er zu einem antiken Thema zurückgekehrt und wieder ganz groß da: Die “Sabinerinnen" zeigt Frauen, die sich um des Friedens willen zwischen stur kämpfende Männer werfen. Wie ganz anders ist die Aussage im Vergleich zum “Schwur der

Horatier“, doch wieder paßt sie in die Zeitstimmung. Einem Mann gefiel das Werk ganz besonders: dem späteren Kaiser Napoleon Bonaparte - er machte David zu seinem Leibmaler. Und David malte ihn, wie es dem kleinen Korsen gefiel: "Bonaparte auf dem großen SüBemhard“ (1799) beispielsweise zeigt Napoleon, der damals eigentlich noch ein General war, in Siegerpose auf einem feurigen Pferd über die schneebedeckten Alpen stürmen. Inschriften auf den Felsen weisen auf Han- nibal und Karl den Großen als Vorgänger Hin. Napoleon bestellte vier

Exemplare des Bildes (eines davon ist heute im Wiener Kunsthistorischen Museum zu sehen). Und als Napoleon 1804 sich selbst und seine Fraukrönte, begann David eine Monumentalserie mit zehn Meter breiten Bildern. Fertig wurden davon nur zwei:Die Krönung der Kaiserin durch ihren Gatten und der Eid des Militärs auf Napoleon. Papst Pius VIL, den David bei dieser Gelegenheit porträtierte, soll sich übrigens mit dem Maler, den er anfänglich wegen seines Jakobinertums abgelehnt hatte, sehr bald gut verstanden haben.

David, der Künstler und Lebenskünstler, überlebte auch die Ära Napoleons. 1835 starb er im belgischen Exil Eine ganze Malergeneration verehrte den Meister aber noch weiterhin in Paris als den ersten Hersteller monumentaler Szenen. Davids Engagement wird bis heute eher beiläufig erwähnt. Was wäre aber seine Kunst ohne sein Anliegen gewesen? Nach dem, was David in Belgien verfertigte - griechische Götter auf Wolkenthronen in gefälligen Farben - kräht heute wie damals kein Hahn.

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