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Bruderzwist im Land der Zedern

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Vorherrschaft der Fundamentalisten bei den libanesischen Moslems sowie persönlicher Streit und Parteienhader im Lager der Christen und Maroniten machen den interkonfessionellen Dialog unmöglich. Ist der Friede im Libanon überhaupt noch möglich?

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Vorherrschaft der Fundamentalisten bei den libanesischen Moslems sowie persönlicher Streit und Parteienhader im Lager der Christen und Maroniten machen den interkonfessionellen Dialog unmöglich. Ist der Friede im Libanon überhaupt noch möglich?

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Der Flughafen von West-Beirut ist auch in diesen Tagen eine Geiselfalle für libanesische Christen und unwillkommene Ausländer. Besonders für Journalisten, die hier ohne Visum eintreffen, weil ihnen kein libanesischer Konsul mehr eines gewähren will.

Die Männer von der Flughafenwache, alles Schiiten aus der 6. Armeebrigade, sind höflich und hilfsbereit. Eine mehrstündige Besuchserlaubnis für die Stadt wird arrangiert, doch einem die Warnung vor den Kidnappern aus den Reihen der schiitischen Radi-

kalen mit auf die Taxi-Fahrt gegeben: vor dem „Dschihad" und vor den „Hizbollahs".

West-Beirut ist heute praktisch eine sowohl „Christen- wie judenreine" Stadt. Nur dann und wann erinnern Entführungsfälle, wie des israelischen Gemeindeältesten Isaak Sasson oder eines nur mehr als Leiche aufgefundenen holländischen Jesuiten, an die Existenz Andersgläubiger.

Auch der alte armenische Freund Setrakian ist nicht mehr aufzufinden. In sein Haus hinter dem schattigen Garten sind Schiiten aus einem Elendsviertel im Süden der Stadt eingezogen.

Doch selbst das islamische West-Beirut läßt sich weder vom elften Jahr des libanesischen Bürgerkrieges noch dem jetzt bald zwei Jahre alten heiligen Terror der Ayatollahs unterkriegen.

Alkoholverbot für alle und Tschadorverschleierung für die Frauen haben sich nach den Anfangsexzessen vom Januar und

Februar 1984 nicht mehr durchsetzen können.

Das erste, was einem drüben in Ost-Beirut (Christenviertel) noch immer begegnet, ist das im Herbst 1982 in die Luft gesprengte Hauptquartier von Beschir Gemayel.

Der damalige libanesische Präsident und seine führenden Mitarbeiter von der rechtskatholischen Kataeb-Partei waren die ersten Opfer der später im Libanon so gefürchteten Autobomben mit ihren Kamikazefahrern.

Doch, wo man auch hinkommen mag: überall hängen Bilder von Beschir und nicht von seinem Bruder Amin, dem heutigen Präsidenten.

„Beschir lebt!" wird einem in jeder Schenke zum Arak zugerufen. Dasselbe sagt einem aber auch fast jeder Funktionär seiner Partei, und ebenso tun das die Leute von den heute hier tonangebenden „Libanesischen Streitkräften", den „Forces libanaises". Stützt doch ihr jetziger Führer Elieh Hobeika seine ganze Autorität auf seine einstige Vertrauensposition als Adjutant des maronitischen Haudegens Beschir.

Mag der auch nicht mehr leben, so wirkt sein politisches Erbe leider weiter. Weder im Sinn einer gesamtlibanesischen Aussöhnung, um die sich sogar die Syrer vor Weihnachten noch einmal so verzweifelt bemüht hatten, noch im wahren Interesse der libanesischen Christen, die durch diese Hinterwäldlerpolitik nicht nur zahlen-, sondern auch einflußmäßig in ihrer Heimat immer mehr in die Minderheit geraten.

Diese tragische Spaltung innerhalb von Libanons katholischen Maroniten ist heute noch der Hauptgesprächsgegenstand in jeder Runde. Dabei war es schon im vergangenen März der religiöse Fanatiker, doch skrupellose

Machtpolitiker Samir Dschad-scha, der mit der vorher schwachen Dachorganisation der „Forces libanaises" gegen deren bis dahin tonangebende Fraktion revoltiert hatte: gegen die Falange-Miliz der Kataeb-Partei.

Nach dem Tod von Beschir und später auch von dessen Vater Pierre Gemayel, der Abwanderung von Amin Gemayel ins überparteiliche Präsidentenamt und nach der Ausschaltung des nationalliberalen Altpräsidenten Schaamun sowie des einflußreichen Generalabtes der Baladiten, Paul Naaman, glaubte sich der mit seiner Hausmacht ebenso in Ost-Beirut wie im nördlichen Jbail-Byblos vor Tripolis verankerte Dschadscha stark genug, die Führung der gesamten „Libanesischen Kräfte" mit einer Stärke von etwa 11.000 Mann an sich zu reißen.

Er erhielt den Segen des damaligen maronitischen Patriarchen Antoine Choraisch. Doch wurde ihm niemals vergessen und verziehen, daß er 1978 die Familie des ebenfalls katholischen Politikers Frandschieh bis in die Wiegen der Säuglinge ausgerottet hatte.

Zwar ist diese „Interfada", wie die Maroniten heute sagen, seitdem über ein halbes Jahr vorbei, doch haben sie seitdem in Elieh Hobeika, einem der Palästinenserschlächter von Sabra und Schatila, keinen viel besseren Führer und Anwalt ihrer Interessen bekommen.

Als Feind der PLO ist Hobeika natürlich seit seinem spektakulären Auftauchen in Damaskus am 9. September des vergangenen Jahres zum Mann der Syrer geworden, der anderen eingeschworenen Feinde von Jassir Arafat.

Doch zum Unterschied von der recht geschlossenen pro-syri-schen „Nationalen Front" fast aller libanesischen Muslim-, Drusen- und Linksmilizen ist Hobeika noch immer nicht Herr im eigenen Haus der Maroniten.

Samir Dschadscha läßt sich aus seinen lokalen Hochburgen einfach nicht vertreiben. Der neue Patriarchaladministrator der Maroniten, Erzbischof Ibrahim Helou ist ebenso sein Freund wie angeblich die Leute vom „Opus Dei" seine Förderer sind.

Auch in der Kataeb-Zeitung „Al-Amal" („Die Hoffnung") wird je länger desto mehr an Hobeika Kritik geübt.

Hinter den Kulissen der Machtkämpfe in Libanons heimlicher Christenhauptstadt Dschunieh wartet aber vor allem der alte Führer der „Forces libanaises", Fadi Frem, auf seine neue Stunde.

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