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Der Aufstand der Gezähmten

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Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte in Florenz ein berühmtes englisches Schriftsteller-Ehepaar: Elizabeth und Robert Browning. Es soll arge Spannungen zwischen den beiden gegeben und Robert soll gar versucht haben, seiner Frau das Schreiben zu verbieten, weil er Angst hatte, sie könnte besser sein als er selbst. Jahrzehnte später stellt ein Historiker fest, daß einige von Robert Brownings Gedichten überhaupt von seiner Frau stammen. Doch man nimmt das kaum zur Kenntnis. Bis die Feministinnen kommen und ein Thema aufs Tapet bringen, das lange nicht für salonfähig gegolten hat: Frau und Kunst.

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Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts lebte in Florenz ein berühmtes englisches Schriftsteller-Ehepaar: Elizabeth und Robert Browning. Es soll arge Spannungen zwischen den beiden gegeben und Robert soll gar versucht haben, seiner Frau das Schreiben zu verbieten, weil er Angst hatte, sie könnte besser sein als er selbst. Jahrzehnte später stellt ein Historiker fest, daß einige von Robert Brownings Gedichten überhaupt von seiner Frau stammen. Doch man nimmt das kaum zur Kenntnis. Bis die Feministinnen kommen und ein Thema aufs Tapet bringen, das lange nicht für salonfähig gegolten hat: Frau und Kunst.

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Und mit Akribie durchforsten die Frauen nun Kunst- und Literaturgeschichte und stellen entrüstet fest, daß die „chauvinistischen männlichen Kollegen“ einen Haufen von Fakten und viele Persönlichkeiten totgeschwiegen haben.

Die Statuen an der Fassade des Straßburger Münsters zum Beispiel stammen von einer Frau. Zugeschrieben hat man sie lange Zeit einem „Meister des Straßburger Münsters“.

In der Wiener Secession gibt es nun an Stelle einer geplatzten Marc-Cha-gall-Schau die Ausstellung „Secessio-nistinnen 78“,- eine Gemeinschaftsausstellung von zehn weiblichen Seces-sionsmitgliedern. „Ein Notnagel sollte das trotzdem nicht sein“, betonte Organisatorin Florentina Pakosta, die selbst mit einigen Bildern vertreten ist. „Auch keine thematische Ausstellung - wir wollen einfach dokumentieren, was Frauen heute von Kunst halten, wie sie Kunst machen, welche die wichtigsten Inhalte sind.“ So hängen sie nebeneinander, einträchtig, einmal bunte, dann wieder melancholische Bilder, Tagebuchblätter fast, bis hin zu schreienden expressiven Porträts. Irgendwelche Besonderheiten sind nicht zu erkennen. Sie malen „wie Männer“.

Maria Lassnig, die in New York lebt und dort sehr erfolgreich ausstellt, und Maina Schellanda sind da wohl Zugpferde, Anreiz für Besucher, die nicht nur wegen der Frauenkunst kommen. Die beiden sind sogar „in der Männerwelt akzeptiert“.

Auch Feministisches ist dabei. Bilder, die ganz bewußt auf die Situation der Frau eingehen, kämpferisch, mit Elan. Wie etwa der „Pascha“ von Ingeborg G. Pluhar, der sich gemächlich im Stuhl räkelt und doch nur ein Schemen ist, ein weißes Ungetüm, das graue Schatten wirft. Arme Männer?

„Die Leistung des Marines ist das Werk, die eigentliche Leistung der Frau ist ihr Mann“, hatte Martin Kessel ungestraft noch in diesem Jahrhundert schreiben können, und Karl Kraus ließ sich sogar zu der Formulierung „Nichts ist unergründlicher als die Oberflächlichkeit des Weibes“ hinreißen. Für diese Aussagen hätte man die beiden heute als „patriarchalische Dummköpfe“ disqualifiziert. „Man“ -die selbstbewußt gewordenen Frauen.

DieEmanzipationsbewegung hat ein „neues Bewußtsein des weiblichen Ich“ kreiert. Im Gefolge von Virginia Woolf'e und Simone de Beauvoir, die pikanterweise als Lebensgefährtin von Jean Paul Sartre bekannter ist denn als renommierte Autorin und Trägerin des französischen Nobelliteraturpreises Prix Goncourt, hat sich etwas getan in der heiligen Sphäre der Kunst. „Frauen, erwachet“ heißt ein Kampfruf der italienischen Feministinnen. Und erwacht - das sind sie, die Frauen.

„Wir haben ganz neue Qualitäten entdeckt, innere Qualitäten, an denen die entfremdeten Männer vorbeigegangen sind“, meinte eine junge Schriftstellerin, setzte sich vor die Schreibmaschine und schuf mit ihrem Seelenstriptease „Häutungen“ eine neue Richtung in der Literatur. Eine ganze Welle rollte über die deutsche Verlagsszene. Clevere Großverleger wie Rowohlt und S. Fischer witterten da auch gleich ein Geschäft. Heute gibt es eigene Buchreihen für „engagierte Frauenliteratur“. „Die Bücher“, so ein Verlagsvertreter, „gehen weg wie die warmen Semmeln. Man muß nur daraufschreiben: Neue Frau.“

In der bildenden Kunst geht das alles langsamer vor sich. Hier gab es immer schon Einzelerscheinungen, die in die Phalanx der Männer eingebrochen sind. Wie etwa Angelika Kaufmann, die von der Oesterreichischen Nationalbank sogar auf einer Hundertschillingnote verewigt wurde. Wegen ihrer Verdienste um die Malerei sozusagen. Doch solche „Einzelfrauen“ haben sich immer schwer getan. Einerseits hielt man sie für „verfehlte Männer“, anderseits beschimpfte man sie.

1910 erlaubt erstmals die Wiener Secession einigen Frauen, auszustellen. Die ganze Prominenz ist dabei: Tina Blau, die man auch erst Jahrzehnte später wiederentdeckt hat, Berthe Moi-sot, Käthe Kollwitz, Angelika Kaufmann und andere. Die Kollegen nehmen es gelassen hin, die Bevölkerung ist' erbost, trotz der Secessionslosung „Der Zeit ihre Kunst - der Kunst ihre Freiheit“. Es hagelte Proteste und sogar Stockhiebe von erregten k. u. k. Offizieren.

Wie so oft ist das Neue nicht ganz so neu, wie es aussieht. Schon im 19. Jahrhundert kämpften die Suffragetten in England um die volle politische Gleichberechtigung der Frau. Die größten Fortschritte auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frau wurden in und unmittelbar nach den beiden Weltkriegen erzielt, als Frauen in vielen Positionen die zum Militär eingerückten Männer ersetzten. Allerdings , wurden sie nachher wieder verdrängt -Arbeitslosigkeit zum Beispiel bedeutet stets die Verstoßung von Frauen aus dem Berufsleben.

Jetzt treten sie wieder an die Öffentlichkeit. Mit einer noch nie dagewesenen Vehemenz, mit Elan, mit „Selbsterfahrungsgruppen“, „Literaturtreffs“ und so weiter. Frauenverlage konstituierten sich, „man muß mit der Frau als kreativem Potential rechnen“, formulierte es ein Verleger.

In Österreich bleibt das Ganze bescheidener, ruhiger, mehr auf friedliches Arrangement abzielend. Vor wenigen Jahren gründeten ein paar Malerinnen eine Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs. Die machten dann mit Ausstellungen und Symposien auf sich aufmerksam. In der Se-cession haben sie sich wieder zu einer großen Schau aufgerafft.

Doch nicht alles, was feminin ist, ist feministisch. Als die Amerikanerin M. Oppenheim vor wenigen Jahren mit einem großen Kunstpreis ausgezeichnet und gefragt wurde, ob nun endlich der „Durchbruch der Frau in der Kunst“ gelungen sei, antwortete sie lakonisch: „Ich bin eine gute Malerin, was wollen sie mehr. Ob das andere Frauen auch tun und mit welchem Erfolg, interessiert mich nicht.“

Ähnlich denkt auch Barbara Frischmuth, wenn sie sagt: „Gute Prosa ist immer gute Prosa, ob sie nun vom Mann kommt oder von einer Frau.“ Was Feministinnen nicht so gerne wahrhaben wollen.

Bei uns gehen ohnehin auch die feministischen Wogen nicht so hoch. Was anderswo erkämpft wird, wird bei uns erlaubt. „Von oben“ - das heißt den Frauen von den Männern, die Frauenkunst sogar akzeptieren. „Die malen doch ganz gut!“ sagte sichtlich überrascht ein älterer Ausstellungsbesucher. Frauenkunst in Österreich ist ja meist auch alles andere als provozierend oder schockierend. Sie ist zahm, manchmal lieblich und vor allem konventionell. Der Aufstand der Gezähmten.

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