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Diabolismus unter uns

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Kaum dreißig Jahre seit die Gaskammern und Krematorien der Vernichtungslager erkalteten, bereiten die Internationalsozialisten allenthalben wieder den Mord am „unerwünschten Leben“ vor, wobei dieses nun nicht kollektiv, sondern schön individuell vertilgt werden soll: nicht Fernstenhaß, sondern Aller-nächstenhaß dient dabei als Grundmotiv. Nun gehört es einmal zur „sozialen“ Seite der menschlichen Natur, daß viele dazu neigen, ihre Moralbegriffe von Autoritäten zu übernehmen, und zwar nicht nur von Glauben und Kirche, sondern auch von der öffentlichen Meinung, der Gesellschaft, vor allem aber von deren Konkretisierung vom Staat. (Daher auch die Abneigung der Kirche gegen die Zwangszivilehe, die Leuten einfachen Gemütes einen Sakralersatz anbietet, dessen Magie sich aber bald verflüchtigt.)

Wenn nun der Staat die Fristenlösung beim Abortus einführt (und vielleicht auch einen Strafrabatt beim Kindesmord bis zum 4. Lebensjahr, wie es so menschenfreundlich in Österreich ins Auge gefaßt worden war), dann kann es zu gefährlichen Verschiebungen des sogenannten „gesunden Volksempfindens“ kommen. Von einer solchen negativen M e tanoia muß man jedoch die letzten psychologischen und ethischen Konsequenzen durchdenken. Manche davon sind vordergründig, wie zum Beispiel die radikale Scheidung zwischen dem christlichen und dem nichtchristlichen Bevölkerungsteil, die dann im Grunde kein Ethos mehr verbindet. Was dem einen ein schweres Verbrechen dünkt und was ihm im staatlich organisierten Religionsunterricht eindeutig als Mord dargestellt wird, hat für den anderen keine größere Bedeutung als das Schneiden von Fingernägeln oder

das Rasieren, im Zeichen des totalen „Rechts auf den eigenen Körper“. (Somit wäre es auch ein Unrecht, jemanden vom Selbstmord gewaltsam abzubringen. „Meine Gurgel gehört mir!“) . ,

Freilich, der Staat könnte in Befolgung einer relativierenden Philosophie streng logisch auch ganz umstecken und die Anschuldigung des Mordes als nicht ehrenrührig bezeichnen. Das tat der Oberste Richter des amerikanischen Supreme Court, Oliver Wendell Holmes Jr., der „rechtspositivistische“ Begründer der neuen amerikanischen Jurisprudenz. Er hat sehr schlicht erklärt, die Verurteilung des Mordes beruhe auf einer rein lokalen Übereinkunft, ohne Daseinsberechtigung außerhalb des rein juridischen Rahmens. Der Mord ist strafbar, lediglich, weil er gegen einen willkürlichen Paragraphen (oder eine bloße Rechtsgewohnheit) verstößt.

Mit einem Wort, der Graben zwischen den Christen und . den nicht einmal mehr vom „Geruch einer leeren Flasche“ lebenden Mehrheit von Nichts-Gläubigen wird bis zum vollen Bruch vergrößert werden. Zwei Lager werden sich in totaler Fremdheit, wenn nicht mit schlecht verhehltem Haß gegenüberstehen. Die Gefahr besteht, daß im Rahmen der Sozialversicherung die kommende Großschlächterei von den Christen mitfinanziert werden muß, wobei aber zu bemerken wäre, daß die britische Sozialmedizin diese Killerei aus ihrem Programm ausgeklammert hat. Wer dort ein Kind zerstückeln läßt, muß sein Sparschweinchen in Anspruch nehmen... wobei man aber unter Umständen in unerwarteter Weise ganz gewaltig draufzahlen kann. Da erinnere ich mich an den New Yorker Gesundheitskommissär im Bildfunk Chikagos, der diesen

menschlich-unmenschlichen Wasenmeisterbetrieb den etwas puritanischeren Bürgern von Illinois in den bezauberndsten Farben schilderte. „Und die psychischen Folgen für die nicht-mehr werdenden Mütter?“ wurde gefragt. Der junge Mann blühte nun in seiner Jovialität voll auf. „Sie meinen wohl Nervenzusammenbrüche? Depressionen? Kommt vor, Verehrtester, kommt vor! Aber

— wir haben im Staat New York die besten psychiatrischen Einrichtungen der ganzen USA!“ Doch was immer für erfolgreiche Nervenkliniken und Irrenhäuser New York oder Kalifornien haben mag, die Geburten schwinden rapid.

Von einer echten, einer generellen Not ist heute bei uns keine Rede. Es scheint da eine satanische Freude an der Vernichtung zu herrschen, ein Höllenspaß, dem kleinen Ebenbild

• “Gottes niU> säeti kahenbjiSathlichkeil eines Ungeziefervertilgers entgegenzutreten. Überbevölkerung? Vielleicht im totalitären Japan unter den Tokuwagas, als man das Makibi, das „Ausdünnen“, betrieb und auf höheren Befehl im Bauernstand das dritte Kind fürsorglich erstickte. Bevölkerungsexplosion? Doch nicht bei uns in den progressiven Industriestaaten.

Diese Sachlage ist so klar, daß sie einem intelligenten Menschen (was wahrscheinlich gewisse Politiker ausschließt) kaum verborgen bleibt. Das sind die „gespaltene Nation“ und die nachträglichen Endsiege des himmlerischen Hitler. (Kein Wunder, daß sich gerade in Amerika Juden aller Glaubensschattierungen gegen diese viehische Barbarei wenden.

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re!) Gegen die Kräfte der Finsternis kommt man mit militärischen Siegen nicht auf, da sie immer nur materiell sind. Der Diabolismus kann vom Nationalsozialismus zum International-sozialismus „übersiedeln“ — oder in jede andere Körperschaft, solange sie nur inhuman-human ist. Der Versucher (peirazö'n) kann individuell oder Jcollefctiv wirken. Das sind Binsenwahrheiten, die aber den tro-

janischen Eseln im dar Stadt Gottes nicht unmittelbar einleuchten.

Nun, in meinem Arbeitszimmer hängt das Bild eines hochmodernen Menschenschlachthauses, das aus drei Flügeln besteht: einem Abtreibungstrakt, einer Euthanasieklinik und einem Krematorium, dessen Rauchfahne eine giftgrüne Landschaft verschmutzt. Hier werden „individuelle Endlösungen“ am laufenden Band betrieben.' Doch bedrückt uns noch ein anderer Gedanke: wie wird das alles die Stellung, die Rolle, das Bild der Frau verändern? Der edle Schlachtruf: „Mein Bauch gehört mir!“ hat noch ganz andere, subtilere Aspekte.

Das Verhältnis der Geschlechter untereinander hat immer einen etwas schwankenden, unsicheren, ambivalenten Charakter gehabt. Männer in unserem westlichen, einst christlichen Kulturkreis haben zu den Frauen stets zugleich hinauf -und hinuntergeschaut. Man braucht nur unsere Klassiker zur Hand zu nehmen, und man entdeckt diese männliche Unentschiedenheit. Doch vielleicht überwog trotz allem die Bewunderung. Männer töteten und starben tragisch im Krieg; der Mann war dem Tod verpflichtet, doch die Frau, Eva (die „Mutter aller Lebenden“) war das Leben selbst, das sie I opfervoll unter Schmerzen in die Welt brachte. Sie war oft der gute Geist, die Sanftheit, die Liebe, der Frieden. Das kann aber nun alles anders werden. Ein Umbruch kam schon mit der Sexwelle, die uns die Frau nicht als Menschen, sondern als i rosiges Geschlechtstierchen in allen Enthüllungen und körperlichen Ekstasen im Farbbild, auf der Bühne und auf der Leinwand gezeigt hat. Jetzt aber wird dies noch dramatischer.

„Wo warst du den ganzen Tag?“ fragt der Mann. „Auf der Klinik“, antwortet sie. „Das Kind bin ich glücklich los.“ „M e i n Kind! Du hast mich nie gefragt!“ „Dein Kind... vielleicht..'., aber mein Körper, und der gehört mir. Wir brauchen einen neuen Wagen, und da du keine Gehaltserhöhung bekommst, ist das die einzige und zugleich so praktische Lösung.“

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