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Die Dollarabwertung - Schlag ins Wasser?

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Wenn diese Zeilen den Leser erreichen, tagt bereits der Internationale Währungsfonds. Aufregende Beschlüsse sind nach Meinung aller Beobachter freilich vorerst nicht zu erwarten, die freie Kursbildung wird vermutlich noch einige Zeit weigergehen, teils weil sich noch kein Land so recht auf eine neue feste Parität festlegen will, sondern die meisten die Kurse erst „einpendeln“ lassen möchten, teils weil manche Staaten, für die noch bis vor kurzem der „Float“ nach Pech und Schwefel roch, auf den Geschmack gekommen sind; sie genießen es, dem Gängelband des Währungsfonds auf einige Zeit entronnen zu sein, und dieser, bis vor kurzem, vorab in angelsächsischen Ländern, eine heilige Kuh, bekommt seit neuestem gerade dort nichts als schlechte Zensuren.

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Wenn diese Zeilen den Leser erreichen, tagt bereits der Internationale Währungsfonds. Aufregende Beschlüsse sind nach Meinung aller Beobachter freilich vorerst nicht zu erwarten, die freie Kursbildung wird vermutlich noch einige Zeit weigergehen, teils weil sich noch kein Land so recht auf eine neue feste Parität festlegen will, sondern die meisten die Kurse erst „einpendeln“ lassen möchten, teils weil manche Staaten, für die noch bis vor kurzem der „Float“ nach Pech und Schwefel roch, auf den Geschmack gekommen sind; sie genießen es, dem Gängelband des Währungsfonds auf einige Zeit entronnen zu sein, und dieser, bis vor kurzem, vorab in angelsächsischen Ländern, eine heilige Kuh, bekommt seit neuestem gerade dort nichts als schlechte Zensuren.

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An den amerikanischen Wirtschaftsmaßnahmen ist gewiß viel auszusetzen, aber es ist nicht zu leugnen, daß sie endlich frischen Wind in die muffigen Räume der morsch gewordenen Welt Währungsordnung brachten. Aber wie soll es weitergehen? Präsident Nixon will eingestandenermaßen die Europäer und Japaner zwingen, aufzuwerten, wogegen manche von deren Währungsfachleuten, vorab französische, die Amerikaner ihre Dollarkrise allein ausbaden, d. h. sie zur Abwertung veranlassen möchten.

. Etwas Schadenfreude schwingt da mit: man vergönnt den Amerikanern die Blamage, die eine Dollarabwertung bedeutet, das Selbstbewußtsein dieser wirtschaftsstolzen Nation soll mitten ins Herz getroffen werden. Freilich sollte den Europäern und Japanern gerade in der heutigen Weltlage mit ihren starken Kräfteverschiebungen an einem amerikanischen Prestigeverlust nicht gelegen sein; käme doch dieser sicher den Russen und Chinesen, gewiß aber nicht den demokratischen Industrieländern zugute. Linke Systemverun- sicherer und rechte Sturheitsnationalisten finden sich wieder, wie schon so oft, zu einer unheiligen Allianz zusammen.

Das just in einer Zeit des Neo- Isolationismus in Amerika, der es einem grundsätzlich nicht isolationistischen Präsidenten schwer genug macht, ihm den Wind aus den Segeln zu nehmen. Was kommt den Herrn Mansfteld und Fuilbright gelegener als „Verbündete“, die auf die Demütigung der Vereinigten Staaten bedacht sind? Die wackeren Schreier nach einem Handelskrieg mit Amerika sind drauf und dran, sich ins eigene Fleisch zu schneiden.

Außerdem: wie wertet man überhaupt die Weltwährung ab? Der Außenwert der übrigen Währungen ist an den Dollar gebunden, dieser selbst nur ans Gold. Wenn nun die übrigen Staaten gleichfalls den Goldwert erhöhen und die Dollarparität beibehalten, so wäre eine Dollarafo- wertung ein Schlag ins Wasser: das Gold wäre zwar teurer, das eigentliche Problem, die verzerrte Parität zwischen dem Dollar und vielen anderen Währungen bliebe ungelöst. Deshalb fordert der Währungsfonds zwar eine Abwertung des Dollars gegenüber dem Golde, zugleich aber auch eine Aufwertung der Industrieländerwährungen.

Eine Dollarabwertung, lies Goldverteuerung, bedeutet aber nur ein Milliardengeschenk an die Goldför- derländer Sowjetunion und Südafrika wie auch an die Goldspekulanten in aller Welt; was nicht unbedingt Zweck der Übung sein dürfte.

Gewinne im Ostblock

Amerika bleibt also gar nichts anderes übrig, als die Aufwertung der (im Verhältnis zum Dollar) unterbewerteten Währungen zu fordern und notfalls zu erzwingen; denn nur diese, nicht Amerika, können die Änderung herbeiführen. Daß es zur amerikanischen „Erpressung“ durch Aufhebung der Goldeinlösbarkeit des Dollars, Einfuhrabgabe usw. kam, ist weitgehend der Einsichtslosigkeit jener Industrieländer zu danken, die sich die höchst zweifelhaften Vorteile aus einer Überbewertung des Dollars um jeden Preis wahren wollten und gemeinsame Maßnahmen der westlichen Industrieländer, durch die allein das Problem zu lösen ist, hintertrieben. Aufwertungisalleingänge einzelner Länder können nie das Problem lösen, weil bei diesen auch die Austauschverhältnisse zu anderen Industrieländerwährungen berücksichtigt werden müssen und daher das Ungleichgewicht gegenüber dem Dollar nie voll bereinigt werden kann.

Nicht rechtzeitig gehandelt zu haben, solange noch feste Wechselkurse bestanden und isie die Unterbewertung ihrer Währungen als Verhandlungsobjekt auf den Tisch legen konnten, geriet den Europäern jetzt zum Schaden: da sie nun zur Wechselkursfreigäbe und somit zur de- facto-Aufwertung gezwungen sind, sitzt Amerika am längeren Ast und kann seine Bedingungen diktieren. Gäbe es nicht die feste Zusage Präsident Nixons, die Einfuhrabgabe nur vorübergehend bis zur Entzerrung des Währungsgefüges einheben zu wollen, die Eüro-Japaner müßten diese womöglich trotz einer Aufwertung ihrer Währungen hinnehmen.

Die Aufwertung in Westeuropa und Japan wollen die Amerikaner unter allen Umständen herbeiführen;

die übrigen Währungen sind ihnen gleichgültig. Wenn die Argentinier dieser Tage trotz der Dollarkrise um 40 Prozent atowerteten und der Rubel samt allen übrigen Ostblockwährungen die Dollarrutschfahrt stillschweigend mitmacht, so regt das in den Vereinigten Staaten niemanden auf. Daß auf diese Weise die Westeuropäer und Japaner allein den Preis für eine Währungsneuordnung zu bezahlen haben, ist gewiß nicht berechtigt, doch in der Lage, in der sie sich selbst hineingesteuert haben, kaum vermeidbar.

Je länger sie aber die Entscheidungen hinauszögern, umso höher wird der Preis sein, den sie schließlich zu entrichten haben.

Die Ostblockländer haben derzeit jedenfalls beträchtliche Wettbewerbsvorteile gegenüber den Westeuropäern auf dem amerikanischen Markt gewonnen. Nicht nur, daß sie gegenüber dem Dollar nicht aufgewertet haben, wirkt sich auf sie auch auf die Einfuhrabgabe nicht aus: diese stellt nämlich nicht, wie man zunächst angenommen hatte, einen allgemeinen Zollzuschlag dar, sondern nur eine Rücknahme der amerikanischen Zollzugeständnisse an die Westeuropäer in der sogenannten Kennedy-Runde. Da aber die Oststaaten an der Kennedy-Runde nicht teilgenommen hatten, so galten die ursprünglichen Zölle für sie nach wie vor; die Rücknahme der Zöilsenkun- gen berührt sie daher nicht, sondern verbessert ihre Marktstellung gegenüber den Westeuropäern.

Inflationsbekämpfung als Grundvoraussetzung

Was soll jetzt weiter geschehen? Man könnte z. B. das Provisorium der freien Wechselkurse zur Dauereinrichtung machen. Einer der besten Währungsfachleute der Welt, der gebürtige Österreicher Fritz Machlup, vertrat bei den Alpbacher Hochschul- wochen die Ansicht, daß die unterschiedliche Entwicklung in den einzelnen Volkswirtschaften heute nicht mehr durch innere Flexibilität etwa bei Löhnen und anderen Indikatoren ausgeglichen würde. Die Entzerrung müsse daher durch ständige Anpassung des Außenwertes der Währungen herbeigeführt werden.

Freilich beharrte auch Machlup nicht auf der Forderung nach völliger Freigabe der Wechselkurse. Er schließt feste Paritäten auch künftig nicht aus, schlägt aber größere Bandbreiten als bisher vor, innerhalb deren der Wechselkurs schwanken dürfe, und rät zu häufigeren Neufestsetzungen der Paritäten, falls diese mit der Kaufkraft nicht mehr übereinstimmen.

Eine weitere Möglichkeit, die im Gespräch ist, wären feste Wechselkurse der EWG-Währungen untereinander, aber ein gemeinsames Schwanken gegenüber dem Dollar. Freilich wird dieses System nur dann ein Erfolg sein, wenn die EWG-Län- der ihre Wirtschafts- und Finanzpolitik besser als bisher harmonisieren.

Ein neues internationales Währungsabkommen statt dem von Bretton Woods, das seit 1944 in Kraft war, soll sich von diesem vor allem durch größere Bandbreiten bei den vertraglich festgelegten Wechselkursen unterscheiden; das allein könnte freilich die nächste Währungskrise nicht verhindern, sondern nur verzögern, weil kaum anzunehmen ist, daß die einzelnen Mitgliedstaaten die ihnen unangenehmen Neufestsetzungen der Wechselkurse von sich aus weniger schleppend durchführen als beim alten System. Es würde sich daher empfehlen, objektive Merkmale festzulegen, bei deren Eintreffen ein Land gezwungen ist, seine Wäh rung automatisch auf- oder abzuwerten.

Unklarheit besteht auch noch darüber, Ob die künftige Leitwährung wieder Dollar heißen oder ob ein künstliches, nach „rationalen“ Gesichtspunkten zu verteilendes Reservemedium dessen bisherige Aufgabe übernehmen soll; es wird dabei an die sogenannten Sonderziehungsrechte gedacht, mit denen wir freilich bisher schlechte Erfahrungen machten, weil nicht zuletzt durch sie die internationale Geldschwemme und damit die Inflation verursacht wurde. Für ihre Ausgabe müßten daher künftig die Bestimmungen erheblich verschärft werden; auch müßte der Verteilungsschlüssel sehr genau nach objektiven Gesichtspunkten festgelegt werden, damit dieser nicht zum Spielball der Politik wird und es nicht wieder dazu kommt, daß Inflationsbetreibende Länder im Vorteil sind und dadurch zu weiterer Entwertung ermutigt werden. Andernfalls wäre es besser, man bliebe gleich beim Dollar als Leitwährung.

Wie immer die neue Währungsordnung aussehen mag, sie wird nur arbeitsfähig sein, wenn zum mindesten die wichtigsten Mitgliedsländer eine Politik des stabilen Geldes führen und bei ihren Währungen der ständigen Entwertung Einhalt gebieten; Ohne diese Grundvoraussetzung wird jedes System früher oder später notleidend.

Dollarabwertung wäre inflationsfördernd

Aus dieser Überlegung heraus wäre aber von einer Abwertung des Dollars gegenüber dem Gold dringend abzuraten. Das würde nur bedeuten, daß die Golddeckung des Dollars optisch besser wird, was die Vereinigten Staaten nur zu einer neuerlichen Vermehrung der Geldmenge so lange verleiten könnte, bis die Golddeckung des Dollars neuerlich fraglich wird; das brächte abermals eine internationale Geldschwemme und somit Inflationsgefahr.

Mag auch die Goldpreiserhöhung vom Internationalen Währungsfonds aus Keynes’scher Liquiditäts- besessemheit und von europäischen, vor allem französischen Währungsfachleuten aus Rueff’scher Goldanbetung empfohlen werden, für die internationale Stabilität wäre es besser, wenn Amerika die bisherige Parität beibehielte.

Auf die Golddeckung des Dollars und der übrigen Währungen überhaupt zu verzichten, also vom heutigen verwässerten Metallismus zum reinen Nominalismus überzugehen, ist ein schon alter Vorschlag, der heute mehr denn je Beachtung verdient. Die Behauptung, daß die Golddeckung eine Inflationsschranke sei, läßt sich nach den Erfahrungen der letzten Jahrzehnte kaum aufrecht erhalten. Das Gold hat noch kein Land daran gehindert, Inflation zu betreiben.

Freilich müßte dann das notwendig werdende künstliche internationale Reservemedium sehr sparsam und überlegt geahndet werden, um nicht erst recht inflationsfördemd zu wirken, sondern die Aufgabe der Inflationshemmung sogar besser als bisher das Gold erfüllen.

Hauptaufgabe einer neuen Weltwährungsordnung sollte es sein, einen der gröbsten Fehler der bisherigen Ordnung zu vermeiden, die es einem Staate erlaubt, die Folgen einer verfehlten Wirtschaftspolitik auf seine Handelspartner zu überwälzen, Inflation zu exportieren und auf diese Weise zu einem allgemeinen Verfall der währungspolitischen Sitten beizutragen. Eine neue Währungsordnung, wie immer sie im einzelnen aussehen mag, wird nur dann gut sein, wenn sie die ihr angehörenden Länder zwingt, eine anti- inflationäre Wirtschaftspolitik zu führen, widrigenfalls die Folgen ihrer währungspolitischen Nachlässigkeit selbst auszubaden.

Nur fauler Kompromiß?

Ob freilich diese Reform an Haupt und Glieder gelingen wird, sei dahingestellt. Derzeit sind die Kräfte des Beharrens, die am liebsten alles beim Alten beließen, noch sehr stark. Das zeigen die vielen Versuche, sich trotz dem amerikanischen Paukenschlag an der Wirklichkeit vorbeizustehlen; einer davon ist der gespaltene Dollarkurs: freie Kursbildung für den „Finanzdollar“ soll die, „heißen“ Spekulationsgelder abwehren, während mit dem „Handelsdollar“ zur alten Parität der Warenverkehr ganz gemütlich zu den bisherigen Bedingungen abgewickelt wird. Das bedeutet nichts anderes, als daß die Wurzel allen Übels, die falschen Austauschverhältnisse, künstlich aufrechterhalten werden.

Die viel gescholtene Spekulation ist zwar gewiß ein Mißstand, aber sie ist nur Folge, nicht Ursache: sie übertreibt nur das Mißverhältnis zwischen den Währungen, sie macht e® sich zunutze, aber sie hat es nicht geschaffen. Die Spekulation zu unterbinden, ohne das Übel zu beseitigen, wird kaum gelingen; man verweist sie nur in andere Bahnen.

Auch die Beibehaltung des Dollarkurses bei gleichzeitiger Devisenbewirtschaftung, die nun nicht mehr wie in den fünfziger Jahren den Dollarabfluß, sondern den Dollarzu- strom verhindern soll, kann nur eine vorübergehende Lösung sein; außerdem macht sie einen gewaltigen Überwachungsapparat nötig und führt in letzter Folge zu einer Ent- liberalisierung des Welthandels, zu einem Rückfall in die Zustände der dreißiger Jahre.

Angeblich wollen sich gewisse Staaten auf diese Weise nur ein wertvolles Tauschobjekt bei den bevorstehenden Währungsveihandiun- gen mit den Amerikanern sichern und es vermeiden, schon vorher vollendete Tatsachen zu schaffen; das klingt beruhigend. Die Frage ist nur, wie ernst es gemeint ist und wieviel dieses Tauschobjekt wert sein wird.

Mißtrauen gegen solche Beteuerungen empfiehlt sich, denn wie stark die Kräfte sind, die um jeden Preis in einer währungspolitischen Scheinwelt verharren wollen, zeigte sich vor einigen Tagen auch in dem GATT- Ausschuß, der wegen der amerikanischen Einfuhrabgabe zusammentrat. Eine starke Gruppe trat dort dafür ein, die satzungswidrige Einfuhrabgabe der Vereinigten Staaten stillschweigend zu dulden, nur um an der bisherigen Währungsordnung nichts ändern zu müssen; daß es diese gar nicht mehr gibt, daß durch die Wechselkursfreigabe bei vielen Währungen nun auch die scheinbar heile Fassade des baufälligen Gebäudes zusammengebrochen ist, soll einfach nicht wahr sein.

Uneinigkeit, Verwirrung der ‘Geister nach wie vor über alle. Auch die EWG konnte sich auf keine einheitliche Linie für die künftigen Währungsverhandlungen einigen. Franzosen und Deutsche legen Wider- sprüchige Pläne vor und werben um Anhänger. Es wird noch ein hartes Feilschen zwischen den verschiedensten Anschauungen und Interessen geben. Hoffen wir, daß der Kompromiß, der schließlich zwischen den gegensätzlichen Auffassungen geschlossen werden wird, nicht von Anfang an faul ist.

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