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Die Lehrer sind unser Schicksal

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Das Verhalten der Lehrer ist für den Schüler ein dauernder Unterricht in Psychologie, der durch keine noch so geschliffene psychologische Vorlesung je ersetzt werden kann. Schon allein wie ein Lehrer die Klasse betritt, eröffnet einen tiefen Blick in die Abgründe der menschlichen Seele.

Der eine kommt bewaffnet mit Zirkel und Dreieck herein, so als wollte er einen Kampf beginnen, der mit dem Schlachtruf „Setzen” beginnt, mit „Was haben wir letzte Stunde gelernt?” fortgesetzt wird und mit „Setzen, Nichtgenügend!” seinen siegreichen Abschluß findet.

Da sich dieses Ritual beinahe unverändert jede Stunde wiederholt, nennt man das in der Fachsprache Methode. Ein anderer Lehrer kommt durch die Klassentür bereits wie ein geschlagener Pudel, ständig auf der Lauer vor weiteren Schlägen. Er zeichnet sich durch eine ausgemergelte Fistelstimme aus, die sich immer im entscheidenden Augenblick überschlägt, was zur allgemeinen Erheiterung beiträgt.

Im Prinzip ist dieser Lehrer ein armer Hund, der lebenslang geschlagen wird. Wäre er Beamter geworden, so einer mit Ärmelschoner und Nickelbrille in einem verstaubten Archiv, oder Bibliothekar, der Bücher ordnet, abstaubt und einbindet, dann hätte er genau die zu ihm passende Profession gefunden, aber als Lehrer..., da ist er eine wandelnde Leidensgeschichte mit Pensionsberechtigung, die er aber nie beanspruchen wird, weil er sie nie erlebt.

Dann gibt es den legeren Lehrer mit „Buaschi, hast wieda amal nix gelernt, z'laung in de Diskothekn uma-naundghängt, was?”. Er schupft sozusagen den Laden mit der Linken und weiß, daß die Ferien des Lehrers liebstes Kinder sind. Braungebrannt, sportlich durchtrainiert und voll von Reiseplänen weiß er, daß Lehrbücher, Stillarbeiten und flotte Sprüche die Grundpfeiler des Unterrichts sind. Ihn bringt nichts aus der Ruhe nicht einmal eine Inspektion.

Beliebt ist durchaus der medial gestützte Lehrer, der keine Stunde ohne Film, Video, Tonband oder wenigstens Wandbild auftaucht. Er weiß vorzüglich durch visuelle und akustische Angebote von seiner unvorteilhaften Erscheinung abzulenken. Seine Funktion beschränkt sich auf Kurzkommentare und die stereotype Frage: „Was sagt ihr dazu?” Mit einigem Geschick gelingt es den Schülern in dieser Situation das Gespräch in die Richtung zu lenken, daß es endlos wird und alle Möglichkeiten zu eventuellen Prüfungen im Keim erstickt.

Dabei ist es von Vorteil, die Lieblingsthemen des Lehrers zu kennen, die von Astrologie über Drogenmißbrauch bis Fußball reichen können.

Eine besonders anstrengende Lehrerspezies ist jene, die bereits sprechend das Klassenzimmer betritt und in diesem Zustand verharrt, bis die Pausenglocke erklingt. Diese papageienhaften Vielredner haben zwar den Vorteil, daß sie den Schüler im. Prinzip in Ruhe lassen, aber dennoch durch ihre permanente Wortabsonderungen auf die Dauer ganz schön auf die Nerven gehen können. Entweder sind sie der Meinung, daß Schule reden ist, oder sie kompensieren in der Schule, daß sie zu Hause nichts zu reden haben. Nichts Genaueres weiß man nicht.

Ein weitverbreiteter Lehrer ist jener, der leicht rachitisch ausschaut, immer kränkelt und die Schüler durch häufige Krankenstände erfreut. Diese Freude ist aber meist durch Supplier-stunden getrübt, die zwar nicht direkt schmerzen, aber dennoch der freien Entfaltung des Schülers im Wege stehen.

Diese Lehrer hüsteln leicht, bestechen durch ihre bleiche Gesichtsfarbe und kommentierenjeden zweiten Satz mit „Ich fühle mich heute nicht ganz wohl, ich bitte um Rücksicht”. Solche Lehrer gehen nicht nur der zuständigen Krankenkasse auf den Nerv, auch Direktoren und supplierverpflichtete Lehrer leiden unter ihnen.

Eine beliebte Lehrerspezies ist der Exkursionslehrer. Er zeichnet sich dadurch aus, daß sein Unterricht, oder was er halt so nennt, eher außerhalb als innerhalb des Schulgebäudes erfolgt.

Jede Gelegenheit, mit seinen Schülern irgendwohin zu fahren oder zu gehen, erfaßt er gerne beim Schopf und zeichnet sich dabei als blendender Reiseunterhalter aus.

Es kann schon einmal passieren, daß so ein Lehrer bei seinen vielfältigen exkursorischen Unternehmungen einen oder mehrere Schüler verliert. Das bringt ihn dann kurzfristig etwas aus der Fassung. Letztlich finden sich aber dann die verlorenen Schafe doch irgendwo in einer Imbißstube oder bei Mac Donald wieder.

Wie gesagt, wer lang genug in die Schule geht, erspart sich ein psychologisches Vollstudium. Schließlich geben die verschiedenen Lehrer diesbezüglich einen derart blendenden Anschauungsunterricht, daß jedes psychologische Fachbuch daneben verschämt erbleichen muß. In Abwandlung eines alten Spruches könnte man sagen: Sag mir, welche Lehrer du hattest, und ich sag dir, wie unterhaltsam deine Schulzeit war.

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