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Die Vielzahl kultureller Kontakte kann nie vollzählig erfaßt werden

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Es ist nicht leicht, kurz zu sagen, was Österreich Italien an kulturellen Werten zu vermitteln imstande ist. Wer könnte feststellen, welche seiner Dichter dort im Originaltext gelesen werden, wieviel von österreichischer Geistigkeit sich täglich durch die Vermittlung des Buches, der Zeitschrift, der Zeitung, des Rundfunks dem Italiener erschließt? Auch bedürfte es eingehender Nachforschungen, wenn man erfahren wollte, was an Musik gespielt, gesendet oder, in Schallplatten und Kassetten konserviert, verkauft wird, welche Kontakte im Unterricht, in der Kunst und den Wissenschaften stattfinden, von Erfolg begleitet sind oder nicht, und in welchem Ausmaß das geschieht. Selbst wenn es möglich wäre, diese Beziehungen voll zu erfassen, es fehlte der Einblick in den innersten Vorgang geistiger Begegnung. Aus vielen Einzelheiten aber fügt sich schließlich doch das Ganze eines geistigen Klimas. Dieses soll ein gesundes sein, denn heute, im Zeichen der Bedrohung durch den materiellen Fortschritt, kommt es nur darauf an, wie weit dieser Fortschritt vom Geist durchdrungen und bewältigt werden kann. Jeder Geistige wird dadurch zur existentiellen Frage.

Im Schulwesen sind die besten und möglichst viele Lehrer gerade gut genug. Fünf österreichische Sprachassistenten an italienischen Schulen scheinen demnach nicht zu genügen, wenn man bedenkt, welche Bedeutung den Sprachen bei Nachbarvölkern zukommt. Die deutschen Schulen in Rom und Mailand, zu denen Österreich drei Lehrkräfte entsendet, werden von fast zweitausend Kindern besucht, wovon rund die Hälfte die italienische Staatsbürgerschaft besitzen. Direkt mit dem italienischen Unterrichtswesen in Verbindung stehen auch elf österreichische Universitätslektoren, unter Bedingungen allerdings, die hart an der Grenze des Existenzminimums stehen. Hier wäre noch eine Regelung durch das zuständige italienische Ministerium zu befürworten. Im Dienst des Sprachunterrichts stehen auch das österreichische Kulturinstitut in Rom und der Circolo di Cultura italo-austriaco in Triest. In Bergamo steht die Gründung eines weiteren solchen Circolo bevor. Das römische Institut veranstaltet zusätzlich Sprachkurse für Historiker, Archäologen, Kunsthistoriker und Pa-läographen.

Sehr zu begrüßen sind die internationalen Lager für Archäologie in Italien, die stets auch von Österreichern besucht werden, und das Wanderseminar für junge Leute aus der Landwirtschaft, welches von Österreich eingerichtet worden ist. Auf Gegenseitigkeit beruhen der Einsatz von jährlich je einem Bibliothekar, von Buchrestauratoren, ferner die Ermöglichung von sportlichen Veranstaltungen. Die österreichischen Vertretungsbehörden in Italien vermitteln auch in Museumsangelegenheiten, bei folkloristischen Darbietungen, Konzerten, Ausstellungen von Künstlern in österreichischen und italienischen Galerien, nicht nur in Wien und Rom, sondern überall in der Provinz, wo Interesse dafür besteht. '

Dartiit ist das' Prograrhm külturefler Bemühungen noch länge nicht erschöpft: Es gibt Kontakte mit Verlagen, die dramatische Kunst gewinnt durch Horväth-Aufführungen in Triest und durch Hofmannsthals „Schwierigen“ in Bologna sichtbaren Einfluß auf das italienische Theater. Die Wiener Oper gastiert im Maggio Musicale in Florenz, und in alten italienischen Palästen finden Konzerte österreichischer Musik statt.

Vertreter der österreichischen Wissenschaft in Italien ist das Kulturinstitut. Es beherbergt auch österreichische Stipendiaten und vermittelt achtzig Monatsstipendien für junge italienische Wissenschaftler in Österreich. Die Aufgaben dieses Instituts sind aber nicht nur die der historischen, kunsthistorischen, archäologischen, auch musikwissenschaftlichen Forschung, worin Österreich, weil es in dieser Hinsicht Italien gegenüber mehr Empfänger ist als Geber, seinem Gastland großen Dank schuldet, sondern auch die der Forschung und Lehre zugleich, was die beiden, im Rahmen des österreichisch-italienischen Kulturabkommens eingerichteten Gastprofessuren an der römischen

Universität bezeugen. Die eine wird von einem Historiker, die andere von einem Literaturwissenschaftler wahrgenommen.

Die österreichische Literatur zeigt sehr genau, wie Österreich im mitteleuropäischen Raum, infolge seiner bis in unsere Zeit wirkenden Differenziertheit, seine Rolle als vermittelnde, ausgleichende Kraft nie, auch heute nicht, eingebüßt hat, ja daß hier eine Geisteshaltung und literarische Aussage wirksam ist, die im Leben der gemeinsamen europäischen Heimat nicht zu überhören ist und heute, im Zeichen der Notwendigkeit eines Zu-sammenschlußes unter Vermeidung von Hegemonien, auch nicht überhört werden darf.

Ein Ereignis von bleibendem Wert ist auch der über neunhundert Seiten starke Doppelband der italienischen Zeitschrift „II Veltro“, an dessen Zustandekommen namhafte österreichische und italienische Wissenschaftler und Persönlichkeiten sowie Vereinigungen und Institute mitgewirkt haben. Es sind darin die Beziehungen zwischen den beiden Ländern vielfältig und breit dargestellt.

Echte Zusammenarbeit, Austausch, wo immer nur möglich, in Schulen, an Universitäten, in Instituten, Banken, großen Betrieben, in Familien, im Gespräch überhaupt, auch in Vereinigungen wie in der vor drei Jahren gegründeten Associazione Italia Austria, die in Wien eine Schwestergesellschaft besitzt, zeitigen, wenn sie auf gesunder Basis stehen, die besten Früchte zwischenstaatlicher Kulturpolitik.

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