Dienst an Österreich

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Haben die Grünen richtig entschieden, sich auf die Kompromisse mit der ÖVP einzulassen? Ja, sagt einer ihrer Mitbegründer, der die Partei 1996 verlassen hat. Ein Gastkommentar.

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Haben die Grünen richtig entschieden, sich auf die Kompromisse mit der ÖVP einzulassen? Ja, sagt einer ihrer Mitbegründer, der die Partei 1996 verlassen hat. Ein Gastkommentar.

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Inhaltliche Differenzen zwischen Parteien sind in der Demokratie richtig, ein Koalitionsverhalten wie Jungverliebte eher verdächtig. Die Koalition der Wahlsieger Grüne und Kurz/ÖVP ist deshalb in meinen Augen eine interessante Alternative – ja aus zwei Gründen ein historischer Dienst an der Republik Österreich:

Zum ersten Mal in der Geschichte dieses Landes wird – zumindest ansatzweise – Klimapolitik gemacht werden. Schlimm, dass ein ökologisches Hoffnungsland, wie es Österreich 1980/90 noch war, 30 Jahre verschlafen hat. Falsch wäre es, zu denken: „Auf das kleine Österreich kommt es nicht an.“ Richtig ist: Nur wenn reiche Länder wie Österreich und andere in der EU ihr Verhalten entschieden ändern, besteht eine Chance, dass China, Indien, die USA oder Brasilien sukzessive auf diesen lebensnotwendigen Pfad mitgenommen werden können. Die Chance bedeutet, dass vielleicht unsere Urenkel noch genügend sauberes Trinkwasser, genießbare Agrarerzeugnisse und (vor Hitze und Trockenheit) erträgliche Lebensräume finden werden. Die Bedrohung durch die – wahrscheinliche – Katastrophe ist für die Zukunft der Menschheit so groß, dass dieses Thema zu Recht die oberste Priorität einnimmt. Die Grünen handeln hier strategisch gut.

Zurück zur Diskussionskultur

Ein weiteres großes Verdienst der Grünen sehe ich darin, dass sie die Republik Österreich von einem Parteien-Unheil erlösen: Seit 1945 „kann“ scheinbar Österreich immer nur von SPÖ und ÖVP gemeinsam regiert werden, und als Antithese dazu baut sich eine rechtsextreme Unanständigkeit auf, die man als guter Demokrat nicht mitansehen – schon gar nicht mitverantworten kann. Alle Regierungen mit der FPÖ erzeugten sozialen Hass: nicht nur gegen Moslems und Ausländerinnen! Schimpftiraden, Herabwürdigungen und elektronische Hassbotschaften ergossen sich unter Schüssel und Kurz über Lehrerinnen, „Sozialstaats-Schmarotzer“, Mindestsicherungs-Empfängerinnen, Arme, Obdachlose, Flüchtlingshelferinnen, Umweltschützer, Eisenbahner, Pflegepersonal, Gewerkschafterinnen und so weiter. Regierungen mit der FPÖ machten Österreich international unseriös und vergifteten das soziale Klima.

Österreich muss wieder zu einer ernsthaften demokratischen Diskussionskultur zurückfinden, um große Probleme zu lösen. Würde die SPÖ als Koalitionspartner einspringen, ginge alles von vorn los: Wie unter Haider und Strache würde sich eine Hassfront aufbauen, bis dann die ÖVP (oder eine Doskozil-SPÖ) einknickt und sagt: „Man darf das nicht ausgrenzen.“ Das wird sich ändern, wenn SPÖ und FPÖ gemeinsam in Opposition sind.

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