"Memory Wars": Im Zeichen eines fragwürdigen Narrativs

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Der „Kampf um Erinnerung“ bei traumatisierten Opfern stand am 23. Jänner 2024 im Fokus der FURCHE. Axel Seegers vom Fachbereich Weltanschauungsfragen der Erzdiözese München äußert Kritik dazu.

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Der „Kampf um Erinnerung“ bei traumatisierten Opfern stand am 23. Jänner 2024 im Fokus der FURCHE. Axel Seegers vom Fachbereich Weltanschauungsfragen der Erzdiözese München äußert Kritik dazu.

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Der Artikel „Kampf um die Erinnerung“ und das anschließende Interview mit dem Psychiater Jan Gysi (FURCHE, 23.1.2024) provozieren Rückfragen und deutliche Kritik. Gysi wirft zusammen mit anderen Befürwortern des Narrativs der „rituellen Gewalt“ den Kritikern eine massive Hetzjagd vor. Kritiker brächten bewusst mit ihrer Kritik die Traumatherapie insgesamt in Misskredit und würden der Leugnung von Missbrauch und Gewalt in unserer Gesellschaft Vorschub leisten.

Wie derartige sinnentstellende und pauschale Vorwürfe mit seinem Wunsch nach einer sachlichen und respektvollen thematischen Auseinandersetzung zusammengehen soll, bleibt ein Rätsel. Dass die Fronten verhärtet sind und ein Fortschritt in der Debatte kaum möglich scheint, hat vielerlei Gründe. Zum einen liegt das sicherlich daran, dass das Thema „rituelle Gewalt“ sehr komplex ist und eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen berührt, ein interdisziplinärer Austausch allerdings schwierig scheint. Zum anderen führen Vertreter des Narrativs seit Jahren selbst einen ideologischen Kampf mit z.T. unredlichen Mitteln:

Gibt es eigenständige „Innenpersonen“?

Erstens gibt es bis heute keine einheitliche Definition, was unter „ritueller Gewalt“ zu verstehen ist. Noch in den 1990er Jahren wurde sie immer im Zusammenhang von „satanischen und dämonischen Logen“ gedacht. Die damaligen Hinweise, dass es „den“ Satanismus nicht gäbe und man differenzieren müsse, wurden ignoriert. Stattdessen weitet man heute die Definition aus und nennt als Kriterium „Ideologie als Begründung oder Rechtfertigung von Gewalt“. Oder man steigert gleich in verschwörungstheoretische Abgründe, wenn ein Expertenkreis beim deutschen Bundesfamilienministerium wissen lässt: „Die satanistischen Sekten sind gewalttätig, staatsgefährdend und verfassungsfeindlich. Sie streben eine neue Weltordnung an und haben bereits Teile unserer Gesellschaft unterwandert.“

Es geht bei „ritueller Gewalt“ also offensichtlich nicht nur um traumatherapeutische Fragen. Die Beweise für dieses weitreichende Menetekel bleiben die Verfechter bis heute schuldig. Weder Polizei und Staatsschutz noch ernst zu nehmende investigative Medien können nicht einmal Indizien finden. Staatliche Untersuchungen in den Niederlanden und der Schweiz kommen zu gegenteilige Erkenntnissen, werden von den Befürwortern aber nicht einmal erwähnt.

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