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Ein mehrfacher Dialog

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Am 26. Juni 1993 wird es in Graz auf Einladung der katholischen und evangelischen Kirche ein Treffen von mehreren 1.000 Personen geben. Das ökumenische Gebet an diesem Tag wird von allen christlichen Kirchen gestaltet. Diese Veranstaltung ist der Höhepunkt des Vorganges „Tag der Steiermark".

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Am 26. Juni 1993 wird es in Graz auf Einladung der katholischen und evangelischen Kirche ein Treffen von mehreren 1.000 Personen geben. Das ökumenische Gebet an diesem Tag wird von allen christlichen Kirchen gestaltet. Diese Veranstaltung ist der Höhepunkt des Vorganges „Tag der Steiermark".

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Bischof Johann Weber von Graz-Seckau hat vor einigen Jahren diesen Prozeß initiiert: „Was wir mit dem Tag der Steiermark meinen: Wir wollen erneut in einen Dialog treten über das, was Leben und Zukunft der Menschen in unserem Land ist. Wir werden dazu anstiften und hören müssen. Wir geben aber auch aus dem Schatz unseres Glaubens und wir lernen von allen Menschen, mit denen wir den Dialog führen können. Aus einem wahren Dialog für die Zukunft muß Veränderung und neues Handeln entstehen. Das verantworten wir mit."

In den Vorbereitungen zu diesem Vorhaben wurde deutlich, daß die Auseinandersetzung mit Leben und Zukunftsfragen der Menschen und das Gespräch mit Verantwortlichen des öffentlichen Lebens wohl nur in der Haltung des Dialogs geführt werden kann. Es stand auch die Überzeugung Pate, daß es der zeitgemäße Dienst der Kirche(n) in der Gesellschaft sei, den Dialog selbst zu praktizieren. Damit wollen wir erreichen, daß der Grundwasserspiegel der Mitmenschlichkeit in unserem Land menschengerechtes Leben ermöglicht. Die im Evangelium wurzelnde Dialogbereitschaft soll durch Christen sichtbar und erlebbar gemacht werden. Gelingt dies, könnte für viele Menschen ein neuer Zugang zum Glauben eröffnet werden. Die evangelische Kirche hat dieses Bemühen um Dialog begrüßt und trägt auf ihre Weise diesen Vorgang mit. Ebenso haben die anderen christlichen Kirchen in der Steiermark den Ball des Dialogs aufgenommen.

Den schillernden Begriff Dialog, auf den sich die katholische Kirche seit dem II. Vatikanum wieder deutlich selbst verpflichtet hat, beschreibt ein 1991 erschienenes Dokument „Dialog und Verkündigung" so:

Es gibt für die Kirche den

□ „Dialog des Lebens, in dem Menschen in einer offenen und nachbarschaftlichen Atmosphäre zusammenleben wollen, indem sie Freud und Leid, ihre menschlichen Probleme und Beschwernisse miteinander teilen;

□ Dialog des Handelns, in dem Menschen für eine umfassende Befreiung der Menschen zusammenarbeiten;

□ Dialog des theologischen Austausches, in dem Spezialisten das Verständnis ihres jeweiligen religiösen Erbes vertiefen und die geistlichen Werte des anderen schätzen lernen;

□ Dialog der religiösen Erfahrung, in dem Menschen, die in ihrer eigenen religiösen Tradition verwurzelt sind, ihren spirituellen Reichtum teilen, der zum Beispiel Gebet und Betrachtung, Glaube und Suche nach Gott oder dem Absoluten angeht."

Im Sinne des vierfachen Dialogs sind in der Steiermark viele Initiativen gesetzt worden, wobei es gar nicht darum geht, neue und zusätzliche Veranstaltungen zu erfinden, sondern das, was sowieso zu tun ist, unter der Perspektive des Dialogs zu tun.

In unserer Zeit ist natürlich schon die Begegnung an sich ein Wert. Alle Bemühungen im Sinne dieser Dialogbereitschaft wollen aber auch als Mosaiksteine für eine menschengerechte Zukunft verstanden werden. Dafür gibt es eine Menge Beispiele.

In vielen Pfarren hat es erstmals Gespräche zwischen den Pfarrgemeinde- und den Gemeinderäten gegeben. Es ging sehr oft um Kinderfreundlichkeit, um die Situation alter Menschen, um sehr konkrete soziale Probleme, um das Klima im Ort. Ein Pfarrer sagte nach so einem Gespräch: „Ich war erstaunt, wieviel wir uns bei diesem ersten offiziellen Gespräch zwischen Pfarre und Gemeinde zu sagen hatten." In vielen dieser Gespräche wurden Vorurteile und Klischees abgebaut - Voraussetzung dafür, daß der Dialog des Lebens in einen Dialog des Handelns übergehen kann.

Ein schwerer Brocken waren die vier großen Foren, die in steirischen Berufsschulen im Frühjahr 1992 mit jeweils mehreren 100 Lehrlingen stattgefunden haben („Kirche im Dialog mit Lehrlingen"). Es wurde sehr deutlich, daß die katholische Kirche und Lehrlinge in einem sehr starken Spannungsverhältnis stehen. Dazu wird sich die katholische Kirche noch viel einfallen lassen müssen.

Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Gespräche der katholischen Kirche mit den Verantwortlichen der Parteien auf Landesebene. In allen vier Gesprächen ging es um das Verhältnis der katholischen Kirche zur jeweiligen Partei und vice versa.

Eine große ökumenische Tagung zu „Getrennte Kirchen - gemeinsamer Weg? - Ökumene konkret" Ende Jänner 1993 hatte folgende Anliegen:

□ miteinander darüber zu sprechen, wie die Kirchen sich selbst, die anderen Kirchen und die Ziele von Ökumene sehen;

□ eine Bestandsaufnahme der Ökumene anhand der Lebenswirklichkeit der Menschen und der sich daraus ergebenden Spannungsfelder;

□ Vorschläge für ein ökumenisches Mindestprogramm, dem sich die im Interkonfessionellen Arbeitskreis Ökumene in der Steiermark vertretenen Kirchen verpflichtet fühlen, zu entwickeln.

Dem Anspruch des Dialogs stellt sich die katholische Kirche in der Steiermark auch selbst-ob im Nachdenken über „heiße Eisen" (Geschiedene und Wiederverheiratete), im verbesserten Gespräch zwischen Katholischer Aktion und CV, im bewußteren Blick zu den Nachbarn jenseits der Grenzen, oder auch im Ansprechen von Konflikten in Pfarren.

Der wesentliche Dialog ist aber der „Dialog der religiösen Erfahrung": ein Anspruch, dem sich einzelne Personen und Gruppen stellen. Er ist ein Prüfstein für Offenheit und unvoreingenommenen Dialog.

Eine Bündelung dieser Bemühungen soll die große Veranstaltung „Tag der Steiermark" am Samstag, 26. Juni 1993 in Graz sein.

Dialogbereitschaft ist keine Garantie für Erfolg, allerdings eine große Chance, daß Probleme und offene Fragen menschengerecht angegangen werden.

Der Autor ist Generalsekretär für den „Tag der Steiermark" (und der Katholischen Aktion der Diözese Graz-Seckau).

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