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Eine Chance für Nahost ?

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König Husseins Initiative hätte den Friedensprozeß im Nahen Osten in Gang setzen sollen. Haben die israelischen Bomben auf Tunis diese Hoffnungen endgültig zerstört?

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König Husseins Initiative hätte den Friedensprozeß im Nahen Osten in Gang setzen sollen. Haben die israelischen Bomben auf Tunis diese Hoffnungen endgültig zerstört?

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Nachdem diese vier Hauptakteure beim seit den Tagen von Sa-dat und Begin zweiten großen Friedensanlauf im Nahen Osten ihre öffentlichen Erklärungen schon erfreulich aufeinander abgestimmt haben, ist es jetzt wieder an US-Vizestaatssekretär Richard Murphy, sein Glück bei einer neuen Pendelaktion zwischen

Jerusalem, Amman und Kairo zu versuchen. Ende des Monats schon, wenn man Informationen aus der Umgebung des eben über Paris aus New York und Washington zurückgekehrten ägyptischen Präsidenten Mubarak glauben will.

Gleich nach ihm hat am letzten September der jordanische König und frischgebackene PLO-Be-vollmächtigte Hussein im Weißen Haus vorgesprochen. Fast auf den Tag fünfzehn Jahre nach jenem „Schwarzen September“ 1970, in dem der Haschemiten-Sproß die Palästinenser mit Hilfe seiner Beduinengarde aus dem Land gejagt hatte. Der Herrscher aus Amman drängte Reagan und die leitenden Beamten des State Departements zu einer schnelleren Gangart bei der vom Präsidenten der Vereinigten Staaten schon im Herbst 1982 verkündeten, doch erst in diesem Herbst 1985 langsam in Gang kommenden Nahostinitiative. Einem Prozeß zur Abrundung der Abmachungen von Camp-David zwischen Kairo und Jerusalem durch Jordanien und Israel als diesmalige Hauptakteure. Mit den USA und Ägypten als Beihelfern und Jasser Arafats PLO als stillem Teilhaber.

Hussein nannte Reagan das für November in Saudi-Arabien geplante Arabische Gipfeltreffen als unumstößlichen Termin, bis zu dem ein erster Durchbruch in Sachen Palästina und Palästinenser erzielt sein müsse. Bis dahin haben sich in Washington aber auch schon Israels Regierungschef Schimon Peres und sein weniger konzilianter Außenminister Jitzhak Schamir als Besucher angesagt, so daß es sogar vor dem Aufbruch von Murphy im Prinzip klar sein müßte, ob dieser zweite bilaterale Weg zum Ausbau des Nahostfriedens gangbar wird. Wie schon in seiner Rede auf der diesjährigen Vollversammlung der Vereinten Nationen, appellierte Hussein auch im Gespräch mit Reagan und Shultz an die Amerikaner, den Faden ihrer Befriedungs-Initiative doch nicht über nebensächlichen Aspekten und unklaren Vorbedingungen zu verlieren. Zweitrangig sei im Grunde die ganze Auseinandersetzung über die Frage, wer konkret die Palästinenser bei den kommenden Gesprächen vertreten soll. Wenn es Sadat schließlich fertigbrachte, diese Hürde zu bewältigen, so sollte ein analoger Zug Israels der PLO gegenüber doch auch kein Ding der Unmöglichkeit sein. Die Einladung aus London für zwei Mitglieder von Arafats neuem Exekutivkomitee, den anglikanischen Bischof Elia Chu-ri und den verbannten Westbank-Politiker Muhammad Milhem, hat inzwischen diese beiden zusätzlich zu den zwei bereits von Washington akzeptierten cisjor-danischen Anwälten Said Kanaan und Fajes Abu Rahma zu Hauptkandidaten für die kommende gemischt jordanisch-palästinensische Friedensdelegation gemacht.

Das umso mehr, als sich Reagan auch bei den parallel zu seinem Karussell nahöstlicher Kontakte eingefädelten Waffengeschäften des Westens mit Jordanien und Saudi-Arabien der britischen Premierministerin Margaret Thatcher als Vorreiterin bedient hat.

Aber weder Hussein noch Arafat werden den Friedensplan, mit dem sie beide stehen oder fallen müssen, letztlich an personellen Fragen scheitern lassen. Der Punkt, wo sich der jordanische Monarch in Washington — und das sehr zum Unterschied von Ägyptens Mubarak — unnachgiebig gezeigt hat, war seine Ablehnung der von Israel angebotenen strikt bilateralen Verhandlungen. Amman beharrte auf seinem, der PLO und schließlich auch der Russen Lieblingsplan für eine umfassende nahöstliche Friedenskonferenz.

Das ist keine Sturheit des „kleinen Königs“, sondern hat seine guten Gründe. Zunächst einmal konnte die Sowjetunion bei den Arabern schon so viel von ihrem seit dem Tode Abdel Nassers Ende September 1970 lange zurückgegangenen Einfluß wiedergewinnen, daß im Nahen Osten eine schlichte Fortführung der reinen „Pax Americana“ von Camp David weder wünschenswert noch möglich erscheint. Das New Yorker Jubiläum zum vierzigjährigen Bestehen der Vereinten Nationen wurde so nicht nur die Bühne für das Auftreten von Mubarak und Hussein als Freunde der freien Welt. Im gleichen New York und während derselben UNO-Vollversammlung hat das erzkonservative und mit den USA verbündete Sultanat Oman an der strategisch wichtigen Straße von Hormuz die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zu Moskau ausgehandelt.

Große Nahostkonferenz

Dazu kommt das Projekt einer größeren Friedenskonferenz als die einzig realistische Plattform, auf der sich auch die Syrer einfinden werden. Das Nahostproblem kann heute genausowenig im Alleingang Israels mit Jordanien und den ihm genehmen Palästinensern gelöst werden wie schon Sadat und Begin allein ein zu schmales Gespann waren, um den ganzen verfahrenen Palästina-und Libanonkarren aus dem Dreck zu ziehen. Ohne das Syrien von Präsident Assad und die von ihm kontrollierten Palästinenser wären alle Teilfriedensschlüsse wieder nur zerbrechliches Stückwerk.

In seinem großen Fernsehauftritt vom letzten Wochenende in Damaskus hat sich Assad aber erstmals verbindlich auf eine solche Nahostkonferenz festgelegt. Dahinter stand sicher nicht nur das Drängen von Gorbatschow, sondern ein erstes Ergebnis der im August auf dem außerordentlichen Arabischen Gipfeltreffen von Casablanca beschlossenen Vermittlung zwischen Amman und Damaskus. Diese hat ganz offensichtlich ihre Fortschritte gemacht.

Die nächsten zwei, drei Wochen werden im Nahen Osten für einen Durchbruch zu dauerhaftem Frieden entscheidend sein. Bei allen vordergründigen Geplänkeln erscheinen endlich auch alle dazu bereit...

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