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Eine echte Wahl hat nur das Lesen

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n Herbst 1992 wurde in Win-erthur (Schweiz) die halbjähr-ich erscheinende Zeitschrift Gedichte und ihre Poetik mit . Titel „Zwischen den Zeilen" ündet. Im Startheft führt der ;nschafthche Herausgeber Urs eler aufschlußreiche Gesprä-

mit dem Zürcher Poeten sjörg Schertenleib und dem äniendeutschen Dichter Wer-Söllner über eine neue Ortsbe-xnung der jungen deutsch-chigen Lyrik. In der Ausgabe imer zwei werden erneut fünf ;ere Lyriker ins Rampenlicht 11t: Uli Becker, Michael Ben-jerhard Bolaender, Rolf Lap-und Brigitte Oleschinski. Da-handelt es sich um unveröf-lichte Gedichte und poetologi-

Statements oder essayistische litationen, die eigens für die iiezeitschrift verfaßt wurden.

redaktionelle Konzept der pathischen Schweizer Neu-ldung lädt zu fruchtbaren Dis-ionen über junge Poesie ein.

Blick über den eigenen Tel-ind, auch nach Osterreich, wä-udem äußerst anregend und de der Gefahr einer deutsch-reizerischen Nabelschau ent-

gegenwirken. Der poetische Dialog ist notwendigerweise überregional und grenzüberschreitend, das zeigen bereits die ersten zwei Ausgaben. „Zwischen den Zeilen" könnte darüber hinaus zu einer Horizonterweiterung der jungen Poesie zwischen den Sprachen und Kulturen noch mehr beitragen. In ihrem Essay „Über den Impuls zu Gedichten" bringt die

Kölner Poetin Brigitte Oleschinski die gegenwärtigen Aussichten der Dichtung auf den Punkt: „Eine Wahl hat nur das Lesen."

Dies gilt im weitesten Sinne auch für die poetische Phantasiewelt von Kindern. Kinderliteratur, die es versteht, Blickfelder und Bilder in der Seele des Kindes atmen zu lassen, heißt das in der öffentlichen Diskussion kaum be-

achtete Thema, dem die Grazer Literaturzeitschrift „Sterz" das Doppelheft 55/56 widmete.

Die poetische Dimension der Kinderliteratur ist dabei von entscheidender Bedeutung, um die kreativen Kräfte im Kind zu wecken und ihnen auch künstlerisch gerecht zu werden. Gabriele Wenke, die Herausgeberin der Mainzer Zeitschrift für Kinder-medien „Eselsohr", schreibt hier in ihrem Essay „Einfühlsam und jugendfrei. Vom pädagogischen Ansatz zur Literaturkritik' über eine neue Generation von Kritikern, die sich vor allem an der „literarischen und künstlerischen Qualität" der phantastischen Entwicklungsgeschichten, Bilder- und Jugendbücher, Märchen und Gedichte für Kinder oder von Kindern orientiert. Geben wir an unsere Nachgeborenen keine Kindheitserinnerung mehr an erfüllte Nachmittage beim Schmökern in der Bücherei oder anderswo draußen mit auf den Weg?

Der nikaraguanische Poet Rüben Dario (1867-1916) bringt das authentische literarische Erlebnis zu Gesicht: „Wenn das Wort ein lebendiges Wesen ist, dann wegen des Geistes, der es beseelt: die Idee. So schließlich versammeln sich die lebendigen Ideen mit ihren aktiven Fleischmassen aus Worten und bauen ihre Städte, ihre Wohnungen. Die Stadt ist die Bibliothek, das Haus das Buch."

In Salzburg erscheint die vielleicht erste, derzeit jedoch einzige zweisprachige lateinamerikanische Kulturzeitschrift in Mitteleuropa unter dem Titel „XIC6ATL" (Ziehender Stern), der von einer altmexikanischen Legende abgeleitet ist. Die zweimonatliche Publikation, herausgegeben von Luis Alfredo Duarte Herrera, wird vom Salzburger Verein für lateinamerikanische Kunst, Wissenschaft und Kultur „Yage" getragen.

Im achten Heft werden die Konsequenzen und Hintergründe

der jüngsten Einfuhrbeschränkung von Bananen in die EG thematisiert, die für Ecuador, Costa Bica und Kolumbien verheerende wirtschaftliche Folgen mit rapide steigendem Arbeitsplatzabbau hat, während Spanien die eigenen Bananen von den Kanarischen Inseln besser schützen und Frankreich aus den Kolonien verstärkt liefern kann. Die fortlaufenden Schwerpunkte der lesenswerten Ausgaben sind Poesie, Philosophie, Ökologie, Indianer und abwechselnd Essayistik, Theater, Prosa und Bildende Kunst aus und über Lateinamerika. Einerseits soll hierzulande die authentische lateinamerikanische Kultur und Tradition nahegebracht werden, andererseits wird den interessierten Lesern in Lateinamerika ein Einblick in die österreichische Gesellschaft vermittelt. „XIC6ATL" gehört zu den bemerkenswerten Zeitschriftenneugründungen und zu den phantasievollen, kritischen und poetischen Impulsen des vergangenen Kolumbusjahres.

Das Doppelheft der Berliner Zeitschrift für neuere Literatur „Park", herausgegeben von Michael Speier, bringt russische, tschechische, irische und deutsche Gegenwartslyrik ins fruchtbare Gespräch. Neben dem poetischen Schwerpunkt gehört der Essay zum Konzept der halbjährlichen Zeitschrift. In Heft 43/44 ist der bemerkenswerte Beitrag „Montaigne oder Das Wagnis, durch Sprache zu leben" des 1990 verstorbenen Berliner Poeten Gerd Henniger enthalten.

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