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Er wurde zum Symbol des Reiches

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..Lang mog er herrschen, uns und dir zur Lust!

Als Fürst sei er der erste unter Gleichen,

Als Herzog zieh' er her vor seinem Volk

Und zieh' als solcher jeden Titel nach

mit dem ein Land je seine Hoffnung grüßte..."

Mit diesen Worten begrüßte Franz Grillparzeram 18. August 1830 die Geburt des Thronerben, des Erzherzogs Franz Joseph.

86 Jahre später stand der junge Josef Roth aus Brody in Galizien als Soldat im Spalier, als der greise Kaiser zu Grabe getragen wurde. Er erinnerte sich später:

..Der Erschütterung, die aus der Erkenntnis kam. daß ein historischer Tag eben verging, begegnete die zwiespältige Trauer über den Untergang eines Vaterlandes, das selbst zur Opposition seine Söhne erzogen hatte. Und während ich es noch verurteilte, begann ich schon, es zu beklagen."

Zwischen diesen zwei Aussagen liegt nicht nur fast ein Jahrhundert. Sie umschließen eine Epoche, die die fran-zisko-josephinische genannt wird. Eine Epoche, deren Ende nicht nur für Österreich mit dem Zusammenbruch einer Welt zusammenfiel. Zu dieser Zeit erinnerten sich in Österreich nur die Allerältesten noch, daß es einmal eine Zeit ohne „den Kaiser" gegeben hatte.

Franz Joseph selbst bemerkte in seinen letzten Lebensjahren einem österreichischen Diplomaten gegenüber: „Ich bin mir seit langem bewußt, wie sehr wir in der heutigen Welt eine Anomalie geworden sind."

So sehr er zum Begriff, zum Inhalt einer Epoche wurde, so sehr wurde er während seiner Zeit verglichen mit jenen Männern seiner eigenen Familie, die für neue Ideen größere Aufgeschlossenheit zeigten - mit dem jüngeren Bruder Ferdinand Max, der in Mailand versuchte, die unruhigen Italiener zu befrieden; mit dem Sohn Rudolf, der die Bindung an das Deutsche Reich zugunsten einer Zusammenarbeit mit Frankreich aufgeben wollte; mit dem Neffen Franz Ferdinand, der den Ausgleich mit den slawischen Völkern der Monarchie erreichen wollte. Bei den Nachdrängenden fanden diese mehr

Anklang als der „erste Beamte" in der Hofburg.

Aber Franz Joseph war es - wie Adam Wandruszka in seiner Geschichte des Hauses Habsburg ausführt -, der als Devise „Viribus unitis" -„Mit vereinten Kräften" - wählte. Obwohl er im streng dynastischen Denken erzogen worden war, wollte er damit das Zusammenwirken der verschiedenen Völker des Habsburgerreiches untereinander und mit der Dynastie betonen.

Franz Joseph fühlte sich am Beginn seiner Epoche durchaus als deutscher Fürst. Er widmete dem Erzherzog Albrecht, „dem beharrlichen Kämpfer für Deutschlands Ehre", das Denkmal auf dem Heldenplatz und nahm an Preußens Seite am Krieg gegen Dänemark teil.

Erst nach Königgrätz - 1866 -, als Österreich endgültig aus Deutschland verdrängt worden war, näherte sich auch der Kaiser der Meinung, die Franz Palacky schon 1848 formuliert hatte: daß der Bestand der Habsburger-Monarchie „im Interesse Europas, im Interesse der Humanität selbst" gerechtfertigt, ja unerläßlich sei. Als einziger sicherer Schutz gegen das unabsehbare und unnennbare Übel einer Universalmonarchie Rußlands, als Haus und Hort für die kleinen, in Mitteleuropa lebenden Völker", wie Wandruszka schreibt.

Es war die Tragik dieses Reiches -und dieses Mannes - daß die Völker, um die es ging, lieber den Phrasen nationalistischer Demagogen folgten - und damit den Boden bereiteten für den Zerfall der Monarchie und in weiterer Folge für das Vordringen des (sowjet-) russischen Bären bis ins Herz Mitteleuropas.

Franz Ferdinand bezeichnete die Habsburgerkrone später als eine Märtyrerkrone, zu der sich keiner drängen sollte, der nicht in sie hineingeboren war. Franz Joseph war in sie hineingeboren - und er trug sie bis zum bitteren Ende.

Er stand in der Spannung zwischen dem Gedanken an die Pflicht gegenüber dem Herrscheramt und der „ex-ceptionellen" Stellung der Mitglieder des Herrscherhauses einerseits, und dem Verlangen nach stillem, persönlichem Glück in der Familie andererseits. Die Liebesheirat mit Elisabeth von Bayern versandete - sicherlich aus beiderseitigem Unvermögen, dem Partner echt verstehend entgegenzukommen. Im Gespräch mit Katharina Schratt fand der Kaiser späten Trost.

Franz Joseph mußte den gewaltsamen Tod seines Bruders in Mexiko erleben - und sich sagen, daß sein starres Bestehen auf der Verzichtserklärung vielleicht dazu mitgewirkt hatte. Der Selbstmord des Sohnes machte den Achtundfünfzigjährigen über Nacht zum Greis.

Fast zehn Jahre später fiel die Kaiserin einem Attentat zum Opfer. Der Tod des Neffen und seiner Frau in Sarajewo löste den Krieg aus, den zu vermeiden der Kaiser nicht mehr stark genug war.

Der Kaiser, der außer auf der Jagd und im Ischler Urlaub stets Uniform trug, hatte am Beginn seiner Herrschaft den Krieg in Italien gewonnen, die folgenden - 1859 und 1866 - verloren. Er wollte Frieden - ihn zu erhalten, war ihm nicht mehr gegeben.

Noch heute kann es dem Urlauber, der irgendwo zwischen Dubrovnik und Rijeka - damals hießen diese Städte Ragusa und Fiume - eine der schönen Kirchen besichtigt, passieren, daß er von einem Alten beobachtet wird. Auf die Frage „Kommen aus Daitschland?" und die Antwort „Aus Österreich!" geht dann ein Strahlen über das faltige Gesicht und die Reaktion ist stets dieselbe: „Oh Österreich - war ich Soldat

unter Franz Joseph!" Wie lange noch?

Im Friulanischen wird der Kaiser-Geburtstag noch heute gefeiert - nicht nur bei .runden' Anlässen -, mit Plakaten in vier Sprachen, schwarz auf gelb, der Kaiseradler darüber, Angehörige der k. u. k. Armee haben freien Eintritt ...

Noch der Lebende war schon zur Legende geworden, schreibt Franz Herre in seiner Biographie des Kaisers. Um den Toten wob sich ein Schleier der Nostalgie, umso dichter, je mehr die Menschen in offensichtlich schlechten Zeiten Heimweh nach einer vermeintlich guten alten Zeit bekamen, und Sehnsucht nach dem alten Kaiser, der sie zu verkörpern schien.

Dem Menschen Franz Joseph ist die Statue im Burggarten gewidmet, fährt Herre fort. „Unauffällig steht er hinter Bäumen, bescheiden und schlicht, wie

er gelebt hatte, in Dienstuniform, eher leger als stramm, mehr Kavalier als Soldat, den Rücken gebeugt und den Blick zu Boden gesenkt, auf einen verdorrten Lorbeerkranz mit schwarz-gelber Schleife. Der Ringstraße steht er abgewandt,

als ob er im Winter, wenn die entlaubten Bäume den Blick freigeben, nicht mit ansehen wollte, wie die Fassaden vom Nebel verschluckt werden und der Doppeladler auf der Neuen Hofburg im Nichts versinkt."

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