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Flexible Arbeitsmarktpolitik für Frauen in Osterreich

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Seit der Jahrhundertwende sind zwei von fünf Berufstätigen weiblichen Geschlechts. Allerdings unterscheiden sich die Qualifikation der beruflichen Tätigkeit und damit zusammenhängend verschiedene Arbeitsbedingungen, insbesondere Entgelt und beruflicher Aufstieg, der meisten weiblichen unselbständig Beschäftigten von jenen der berufstätigen Männer. Und zwar abweichend in negativer Richtung. Vielfach sind die beruflichen Positionen von Frauen und Männern nicht vergleichbar, weil Frauen im allgemeinen eine sehr schmale Berufsbasis aufweisen.

Die berufliche Besserstellung der Frau stellt somit eines der Ziele der Arbeitsmarktpolitik dar. Neben den Förderungsmaßnahmen zur beruflichen Qualifizierung und Sicherung von Arbeitsplätzen ist für Frauen eine breit angelegte Beratungs- und Informationstätigkeit besonders wichtig.

Seit Inkrafttreten des Arbeitsmarktförde-rungsgesetzes werden jährlich Arbeitsmarktvorschauen erstellt und darauf basierend im (dreigliedrigen) Beirat für Arbeitsmarktpolitik arbeitsmarktpolitische Schwerpunktprogramme entwickelt, die danach regional ausdifferenziert verwirklicht werden. Auf administrativer Ebene sind in dieser Hinsicht auch die Initiativen der Frauenabteilung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung und die Beratung im Ausschuß für arbeitsmarktpolitische Angelegenheiten der Frauen maßgebend. Die arbeitsmarktpolitischen Zielvorstellungen werden durch Grundlagenforschung unterstützt, d ie manche Voru rtei legegen über berufstätigen Frauen abbauen hilft, wie durch die Studie über Begabungsreserven bei jugendlichen Hilfsarbeiterinnen oder durch die statistischen Analysen von Volkszählungs- und Mi-krozensusdaten, z. B. über die Berufslaufbahnen von Frauen oder über Arbeitsplatzwechsel und beruflicher Zufriedenheit von Frauen.

In den siebziger Jahren nahm die Frauenbe- . schäffigung kontinuierlich zu, sowohl in absoluten Zahlen als auch in ihrem Anteil am Ge-samtbeschäftigtenstand. Diese Entwicklung zeigt sich in allen Bundesländern (Österreichs), allerdings mit unterschiedlichen prozentuellen Anteilen, die die Wirtschaftsstruktur in den einzelnen Regionen widerspiegeln. Im Jahresdurchschnitt 1977 wiesen die Bundesländer Steiermark (mit 35,8%), Oberösterreich (mit 36,6%), Kärnten (mit 36,7%) und Niederösterreich (mit 36,9%) die niedrigsten Frauen-

anteile an der Gesamtzahl der Arbeitskräfte auf; geringfügig unter dem österreichdurchschnitt (mit 39,4%) lagen Tirol mit 38,3% und Vorarlberg mit 38,8%, während Salzburg mit 39,6%, Burgenland mit 42,2% und Wien mit 44,5% Frauenanteile an den unselbständig Beschäftigten über dem Bundesdurchschnitt aufwiesen.

Auffallend ist in Österreich wie auch in anderen dienstleistungsorientierten Ländern die bei Frauen gegenüber Männern bedeutend höhere Zunahme ihres prozentuellen Anteiles der Angestellten und Beamtinnen an den unselbständig Beschäftigten. Daher zeigte sich in Österreich, wie auch in den meisten OECD-Ländern durch diese disproportionale Konzentration der beschäftigten Frauen im Dienstleistungssektor, daß während der Rezessionsphasen Frauen „als Gruppe“ weniger stark betroffen sind, als die vorwiegend im Industriesektor beschäftigten Männer. Obgleich die Arbeitslosenrate der Frauen im Vergleich zu jener der Männer immer höher ist, hat sich der Abstand zwischen den Arbeitslosenraten von Frauen und Männern im Verlauf der letzten Jahre zunehmend verringert: Vom Jahresdurchschnitt 1972 mit 3,5 bei Frauen und 0,9 bei Männern zum Jahresdurchschnitt 1978 (1977) mit (2,6) bei Frauen und mit (1,7) bei Männern.

Die Bedeutung der Arbeitsämter ist für Frauen beispielsweise beim Dienstgeberwechsel besonders groß, jedoch sehr unterschiedlich nach der Qualifikation der Tätigkeit und der beruflichen Stellung der arbeitssuchenden Frauen. 8% der Frauen, die während ihres Arbeitslebens mindestens einmal einen Dienstgeberwechsel durchgeführt hatten, fanden den neuen Dienstgeber durch das Arbeitsamt, gegenüber 6% der Männer. Der Weg zum Arbeitsamt ist bei Frauen mit niedriger Schulbildung, bei Hilfsarbeiterinnen und einfachen Angestellten von überdurchschnittlicher Bedeutung.

Obgleich immer mehr junge Österreicherinnen vom Bildungsboom der letzten Zeit profitieren konnten, wirkt sich dies noch relativ wenig in der Gesamtpopulation der berufstätigen Frauen aus. Bezogen auf die Bevölkerung im Erwerbsalter (15 bis 60 Jahre) haben nach der Volkszählung 1971 68,2% der Frauen, das sind 1,5 Mio., und 45,9% der Männer, das sind 910.000, keine über die Pflichtschule hinausgehende formale Ausbildung. Weiters haben

Männer dreimal häufiger als Frauen eine Lehrausbildung absolviert. Unter den Männern gibt es doppelt so viele Maturanten und dreimal so viele Hochschulabsolventen. Daher weisen Frauen noch immer einen hohen Nachholbedarf an formaler beruflicher Ausbildung auf, der durch die Förderung von Schulungen auf allen Qualifikationsebenen sukzessive behoben wird. Durch die flexible Anwendung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wurden Frauen nicht nur angelernt, sondern auch ihrem ausbildungsmäßigen Nachholbedarf entsprechend in verstärktem Ausmaß in die kurs-und lehrgangsmäßigen Arbeitsmarktschulungen einbezogen. Zwischen 1971 und 1975 waren die Anteile der Frauen an den Arbeitsmarktschulungen immer höher als ihre Anteile am Gesamtbeschäftigtenstand.

Die Bestimmungen des Arbeitsmarktförde-rungsgesetzes enthalten ein weitgespanntes Netz von Beihilfen (auf die allerdings kein Rechtsanspruch besteht). Beihilfen können gewährt werden für

• berufliche Ausbildung in einem Lehrberuf;

• Ein-, Um- oder Nachschulung;

• Arbeitserprobung;

• Maßnahmen zur Berufsvorbereitung;

• Maßnahmen zur Weiterentwicklung im Beruf.

Im einzelnen informieren über die Beihilfengewährung die verschiedenen Broschüren und die Beratungskräfte bei jedem Arbeitsamt.

Trotz der steigenden Anzahl von weiblichen Beschäftigten und trotz der Tatsache, daß die größte Zahl von neuen Arbeitsplätzen im Dienstleistungssektor, wo die Frauen überwiegen, geschaffen wurde, wird die Vorstellung von berufstätigen Frauen als „Arbeitsmarktreserve“ beibehalten. Diesem latenten Antifemi-nismus wird durch wiederholte Hinweise auf die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen, die Auswirkungen der Familienrechtsreform in Österreich und nicht zuletzt auch durch die Umsetzung partnerschaftlicher Verhaltensweisen in Trainingsseminaren u. ä. zu begegnen versucht.

Einen besonders flexiblen Einsatz von arbeitsmarktpolitischen Instrumenten erfordert die Überwindung des nach Geschlecht geteilten Arbeitsmarktes. Die ungleiche Verteilung von Frauen und Männern in einzelnen Berufen und Wirtschaftsklassen beginnt bereits am Lehrstellenmarkt, wo 95% der Mädchen ihre Lehrausbildung nur in 10 Lehrberufen beginnen, Burschen hingegen 72 Lehrberufe zur Auswahl stehen.

Die sich daraus entwickelnde Konzentration von berufstätigen Frauen in Positionen mit niedrigem Status und niedrigem Entgelt, wo keine vergleichbaren männlichen Arbeitskräfte beschäftigt sind, führt letztlich als Ergebnis des geteilten Arbeitsmarktes auch zu den Lohndifferenzen zwischen Frauen und Männern. Daher war die Arbeitsmarktpolitik im letzten Jahr besonders darauf ausgerichtet, durch konzertierte Aufklärungsarbeiten den traditionellen Berufsvorstellungen der Mädchen entgegenzuwirken und der Jugend, deren Eltern, Lehrern sowie den Arbeitgebern eine weitere Streuung von Berufswahl- und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen aufzuzeigen. „Technische Berufe für Mädchen sind ,in' “ hieß bei-

spielweise ein Slogan dieser gemeinsam von der Arbeitsmarktverwaltung und den Interessenverbänden getragenen konzertierten Aktion zur Überwindung des geteilten Arbeitsmarktes.

Viele der für Frauen traditionell typischen Berufe (wie Schreibkraft oder Gebäudereinige-rin) können mit genau den gleichen Tätigkeitsmerkmalen in verschiedenen Branchen ausgeübt werden; hingegen entsprechen spezialisierte - „männliche“ - Berufe eher auch bestimmten Wirtschaftsklassen. Was eine Änderung der beruflichen Position der Frauen bringt, ist dabei nicht so sehr das Eindringen in bisher vielfach von Männern dominierten Qualifikationsgruppen. Im Vergleich zum Mikrozensus 1972 zeigt sich im Juni 1975 eine bedeutsame Zunahme der Frauenanteile bei den qualifizierten Tätigkeiten in Angestelltenberufen von 23 auf 30% und bei den leitenden Tätigkeiten in Angestelltenberufen von 9 auf 15%. Infolge der strukturellen Unterschiede inner-! halb Österreichs und der dadurch notwendigen differenzierten Behandlung wurden vor kurzem bei jedem Landesarbeitsamt Kontaktpersonen zur Förderung der Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf nominiert.

Anläßlich der Eröffnung eines nach Wien eingeladenen Internationalen Symposiums konnte daher Bundesminister Dr. WEISSEN-BERG darauf hinweisen, daß die berufstätigen Frauen in Österreich wie auch in anderen Industrieländern ihre Teilnahme an qualifizierter Ausbildung erhöhen, versäumte Ausbildung teilweise nachholen, ihre Arbeitsbedingungen verbessern und ihre Möglichkeiten im Berufsleben erweitern konnten. Probleme zeigen sich aber in ihrer Beteiligung an Interessenvertretungen auf Betriebsebene, in lokalen, regionalen, nationalen und internationalen Beratungsund Entscheidungsgremien. Dadurch haben Frauen oft wenig Möglichkeiten, ihre Forderungen nach Chancengleichheit und Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf durchzusetzen.

Mit der Beratung solcher Fragen befaßte sich das Symposium „Die Frau in den Arbeitsbeziehungen“. Die Diskussionsergebnisse sind ebenso wie die vorher erwähnten Erhebungsdaten in der vom Bundesministerium für soziale Verwaltung herausgegebenen Schriftenreihe zursozialen und beruflichen Stellung der Frau enthalten, die von den Herausgebern angefordert werden können.

Was die Dienstleistungen des Arbeitsmarktservices anbelangt, können sie bei jedem Arbeitsamt von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Anspruch genommen werden. Sie stehen jeder Frau und jedem Mann zur Verfügung, die einen Lehrling oder eine Arbeitskraft mit bestimmter Qualifikation suchen bzw. die einen Arbeitsplatz erlangen odensfeh-beruflich verändern wollen, weiterbilden möchten und insgesamt Beratung und Informationen brauchen. In vielen Fällen bedeutet Arbeitsmarktservice auch finanzielle Unterstützung. Allerdings werden die verschiedenen Arten der Arbeitsmarktförderung flexibel angewendet, das bedeutet den regionalen Erfordernissen in Österreich, aber auch den besonderen Bedürfnissen der Frauen entsprechend.

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