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Flucht zur Traumfabrik

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Eine Ausstellung in Hollywood machte die bedeutenden Leistungen österreichischer und deutscher Emigranten in der amerikanischen Filmmetropole bewußt.

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Eine Ausstellung in Hollywood machte die bedeutenden Leistungen österreichischer und deutscher Emigranten in der amerikanischen Filmmetropole bewußt.

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Leon Askin, der sich kürzlich in Hollywood vehement dafür einsetzte, den österreichischen Film „1938 - auch das war Wien“ mit einem Oscar auszuzeichnen, ist bekanntlich nur einer von vielen ehemaligen Österreichern, die in I der amerikanischen Filmmetropole erfolgreich waren. Auch wenn sein Einsatz für den Film von Wolfgang Glück erfolglos

blieb, hat er uns doch wieder einmal bewiesen, daß Österreich nach wie vor auf ein erhebliches Potential von Sympathie und Loyalität bei Menschen zählen kann, die das Land verließen oder verlassen mußten.

Eine Ausstellung, die vor kurzem in Hollywood stattfand, befaßte sich mit den Leistungen ehemaliger Österreicher und Deutscher im amerikanischen Film. Der Katalog dieser Ausstellung ist ein wichtiger Beitrag zu einem Teilgebiet der Zeitgeschichte, das in den letzten Jahren

stark an Bedeutung gewann, nämlich zur Emigrationsforschung.

In den Katalog wurden nur Personen aufgenommen, die ihre Karriere im deutschen Sprach- raum begonnen hatten, bevor sie „zu neuen Ufern aufbrachen“ oder aufbrechen mußten - Bürger der Donaumonarchie, sofern sie der deutschen Kulturtradition zuzuzählen waren — nicht aber Künstler wie Alexander Korda, die sich als reine Ungarn gesehen hatten.

Auch die Künstler wanderten in , Wellen aus. Von 1884 bis 1918 waren ihre Motive meist dieselben wie die aller anderen Amerika- Auswanderer: Armut, große Familien, Talent, das in der Alten Welt kein Betätigungsfeld fand, oft auch einfach die Sehnsucht nach dem großen Abenteuer oder die Kunde von der Fülle der Möglichkeiten, die sich in Amerika boten.

Ein wichtiger Österreicher in dieser Gruppe ist Erich von Stroheim, der 1885 in Wien geboren wurde, zwischen 1906 und 1909

nach Amerika kam, 1926 „naturalisiert“ wurde und 1957 starb. Er arbeitete in den verschiedensten Berufen, ehe er Assistent und Militärberater des großen Regisseurs David W. Griffith bei der Produktion von „Birth of a Nation“ wurde. Man schrieb das Jahr 1915. Cineasten erinnern sich an Stroheim als dämonischen Chauffeur der alternden Diva Gloria Swanson in „Sunset Boulevard“ .

Die zweite Welle kam in den zwanziger Jahren. Nun dominierten nicht mehr diejenigen, die um jeden Preis in den USA Fuß fassen wollten, notfalls als Tellerwäscher — Hollywood war reich und selbstbewußt geworden und holte sich Europäer, von denen es sich etwas versprach, mit verlockenden Vertragsangeboten. So mancher Österreicher, der in dieser Phase in die Vereinigten Staaten kam, hatte freilich seine Heimat schon früher verlassen. Österreich war in der Zwischenkriegszeit kein Land, das Talente zu halten verstand, und sowieso schon viel länger keines, das Künstler unbedingt halten wollte.

Fred Zinnemann, 1907 in Wien geboren, eingewandert in die USA 1929, hatte sich sofort nach seinem Jus-Studium aus Wien empfohlen und war, beeindruckt von den Filmen von King Vidor und Erich von Stroheim, in Paris und Berlin Kamera-Assistent geworden — unter anderem bei Robert Siodmak! —, ehe er, noch keine 23 Jahre alt, Europa den Rük- ken kehrte. Einer seiner vielen zur Legende gewordenen Filme: „High Noon“ („12 Uhr Mittags“ ). In ei-

nem Interview in der Radiosendung „Synchron“ äußerte er sich vor wenigen Tagen über die Chancen künstlerisch anspruchsvoller Filme im heutigen Hollywood ziemlich skeptisch.

Der andere ganz große aus Österreich stammende Hollywood-Regisseur, Billy Wilder,

Leon Askin in „Das Gewand“

kam bereits als Emigrant. Wie Zinnemann hatte auch der 1906 im heutigen Polen geborene Wilder in Wien Jus studiert, ehe er Journalist in Wien und Berlin wurde, Drehbücher zu schreiben begann, Erich Kästners „Emil und die Detektive“ für den Film bearbeitete… Billy Wilder verließ Deutschland 1933 wenige Tage nach dem Reichstagsbrand und kam als einer der ersten Emigranten nach Hollywood. Er drehte „Ninotschka“ mit Greta Garbo und „Manche mögen’s heiß“ mit

Marilyn Monroe — um nur zwei Beispiele zu nennen.

Als Emigranten kamen die in Wien geborenen Regisseure Fritz Lang und Otto Preminger; Max Reinhardt, der 1937 seinem schon 1932 eingewanderten Sohn Gottfried folgte, hat in Hollywood nur wenig gearbeitet. Als Emigrant kam Leon Askin, der bei Max Reinhardt gelernt und im Theater in der Josefstadt gespielt und bis 1938 in Wien auch im politischen Kabarett als Regisseur mitgewirkt hatte. Während viele seiner Hollywood-Emigranten Österreich schon vor 1938 verloren hatte, zählen Menschen wie Max Reinhardt und Leon Askin zum gewaltigen eigentlichen kulturellen Aderlaß unseres Landes.

Ein Unterkapitel im zeitgeschichtlichen Kapitel Emigrationsforschung wäre die Frage, ob sich Österreich nach 1945 bemüht hat, Emigranten zurückzuholen. Beziehungsweise - warum dies unterblieb.

Auch im großen Kultfilm „Casablanca“ spielten Österreicher mit. Neben dem „Bösewicht vom Dienst“ Peter Lorre und dem Ungarn Szöke Szakall in der köstlichen Rolle des Kellners Paul Henreid, der den bedrohten Nazi- Gegner spielt. Otto Preminger (1935 ausgewanderter Wiener) hatte den Triestiner Bankierssohn Paul Georg Julius von Henried an das in der Nachfolge von Max Reinhardt von ihm geleitete Theater in der Josefstadt geholt. Henried, der in Wien Schauspiel studiert hatte, kehrte nach Hitlers Einmarsch von einer Einladung an eine Londoner Bühne nicht zurück und machte als Paul Henreid Karriere.

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