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Erinnerung an den vielgeschätzten Georg Weis

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Am 1. September 1939 begann der Weltkrieg mit dem deutschen Überfall in Polen, am 3. September erklärte England Deutschland den Krieg und am Tag darauf Uberreichte der in der Londoner Emigration befindliche ehemalige Leitmeritzer Rechtsanwalt Dr. Georg Weis der tschechoslowakischen Exil-Regierung des Eduard Benesch in London ein ausführliches Memorandum über die Rückerstattung des beschlagnahmten oder zwangsverkauften jüdischen Eigentums.

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Am 1. September 1939 begann der Weltkrieg mit dem deutschen Überfall in Polen, am 3. September erklärte England Deutschland den Krieg und am Tag darauf Uberreichte der in der Londoner Emigration befindliche ehemalige Leitmeritzer Rechtsanwalt Dr. Georg Weis der tschechoslowakischen Exil-Regierung des Eduard Benesch in London ein ausführliches Memorandum über die Rückerstattung des beschlagnahmten oder zwangsverkauften jüdischen Eigentums.

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Benesch soll darauf mit den Worten reagiert haben: „Wollen Sie damit sagen, daß die ganze Bahnhofstraße in Mährisch-Ostrau wiederum nur jüdische Geschäfte haben wird?" Diese Einstellung führte zum endgültigen Bruch des Georg Weis mit der tschechischen Exilregierung.

Bald daraufbekam er die englische Staatsbürgerschaft und stellte sich während des Krieges voll in Dienst der englischen Administration, wo er unter anderen beauftragt wurde, juristische Grundlagen für die zukünftige Besetzung eines besiegten Deutschland auszuarbeiten. Als es 1945 so weit war, wurde er im Range eines Lieutnant-Colonels juristischer Berater der englischen Militärregierung in Deutschland.

Während dieser Tätigkeit knüpfte er enge und wichtige Beziehungen mit den führenden jüdischen Displa-ced Persons (DP) der britischen Zone an, etwa mit Jossele Rosenhaft in Ber-gen-Belsen und mit der israelischen Delegation in München, an deren Spit-

ze der auch aus der CSR stammende Chaim Hoffmann (Jachil) stand. Obwohl kein Zionist, konnte er erfolgreiche Hilfe den DPs und der zionistischen Delegation angedeihen lassen.

Ein „ausgezeichneter" Offizier

Georg Weis konnte schon damals auf eine erste erfolgreiche Karriere zurückblicken, 1898 im sudetendeutschen Dux geboren, schloß er sein Jus-Studium summa cum laude ab, trat als Einjährig-Freiwilliger Unterleutnant der Infantrie in die k.u.k. Armee ein, und nahm an den Kämpfen in den Karpathen und an der Piave teil, wofür er auch einige Male ausgezeichnet wurde. Als Kompaniechef führte

er seine Einheit, in der zuletzt nur noch Sudetendeutsche und Juden übrig geblieben waren, am Ende des Krieges nach Prag zurück. Danach praktizierte er zunächst in der Kanzlei seines Vaters Gustav Weis in Dux, war einer der Mitbegründer der Duxer Volkshochschule, an der er ein gern gehörter Dozent über juristische und historische Themen war. Bald eröffnete er sein eigenes Rechtsanwaltsbüro in Leitmeritz. 1929 brachte er die Novelle zum unlauteren Wettbewerb ein, die vom Prager Parlament angenommen wurde und für die er den Staatspreis der CSR erhielt. Zwei aufsehenerregende Prozesse über bedeutende Erbschaften, in denen er englische

Staatsbürger vertrat, machten seinen Namen auch im Ausland bekannt, so daß englische Firmen im Sommer 1938 seine Emigration ermöglichten.

1946 begann seine zweite Karriere, als er für jüdische Institutionen die verantwortliche Vertretung zunächst in Berlin übernahm. Als dort die Arbeit im wesentlichen beendet war, berief ihn der damalige österreichische Außenminister Bruno Kreisky nach Wien, um das Entschädigungsverfahren der sogenannten Hilfsfonds abzuwickeln. Obwohl englischer Staatsbürger, ernannte ihn die österreichische Regierung zum Sektionschef des Finanzministeriums. Während der Jahre der komplizierten Abwicklungs verfahren

des ohnehin im Gegensatz zu der BRD eher bescheidenen Fonds, wurde er als unbedingt geradliniger, unbestechlicher Leiter des Fonds bekannt und geschätzt.

In diese Epoche fallen auch seine Bemühungen, um im ehemaligen Ghetto Theresienstadt, in dem sein Vater verstarb und von dem aus die Familie seiner Schwester deportiert wurde, eine würdige Gedenkstätte zu schaffen. Das damals noch kommunistische Justizministerium lud ihn einige Male als wichtigen Gast ein, seine Kontakte beschränkten sich jedoch strikt auf Theresienstadt. Seit dieser Zeit bestanden auch enge persönliche Kontakte zwischen dem damaligen österreichischen Botschafter in Prag, Rudolf Kirchschläger, und ihm.

Ein anerkannter Mann

Anläßlich seines 80. Geburtstages erschienen nicht nur die Botschafter Deutschlands, Frankreichs, Englands, Israels und der CSSR bei einem Empfang im Palais Schwarzenberg, sondern auch Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, um, zusammen mit anderen, ihre Wertschätzung dem profunden Wissen und außerordentlichem Organisationstalent Georg Weis' auszudrücken.

Georg Weis war äußerst belesen, und immer up-to-date auf juristischem wie politischem Gebiet. Er schrieb auch in blendendem Stil; zahlreiche Beiträge in der „Presse", den jüdischen Zeitungen in der BRD und in England wurden gerne abgedruckt. Unter anderen Auszeichnungen war er Träger des päpstlichen Sylvester-Ordens, Träger des großen Ehrenzeichens der Republik Österreich sowie tschechoslowakischer Staatspreise.

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