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Friedenshüter Waldheim startet in die Ära II

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Als es im Jahr 1971 um die Wahl des Bundespräsidenten ging, meinten in Österreich so manche geringschätzig: „Den Waldheim kann man so nicht wählen, bei der UNO hat er's ja auch zu nichts gebracht...“. Heute ist Waldheim ein bereits zum zweiten Mal gewählter Generalsekretär dieser Organisation mit einem Vertrauen ausgestattet wie kaum ein Generalsekretär vor ihm. Freilich läßt sich einwenden, daß Kurt Waldheim nur deswegen in New York so beliebt ist, weil er sich unentwegt bemüht, es womöglich allen gleichzeitig recht zu machen.

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Als es im Jahr 1971 um die Wahl des Bundespräsidenten ging, meinten in Österreich so manche geringschätzig: „Den Waldheim kann man so nicht wählen, bei der UNO hat er's ja auch zu nichts gebracht...“. Heute ist Waldheim ein bereits zum zweiten Mal gewählter Generalsekretär dieser Organisation mit einem Vertrauen ausgestattet wie kaum ein Generalsekretär vor ihm. Freilich läßt sich einwenden, daß Kurt Waldheim nur deswegen in New York so beliebt ist, weil er sich unentwegt bemüht, es womöglich allen gleichzeitig recht zu machen.

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Tatsache ist jedenfalls, daß selbst der chinesische Vertreter im Sicherheitsrat, der in der ersten Abstimmung gegen Waldheim votierte, sich das zweite Mal nicht der Stimme enthielt, sondern für den Österreicher die Hand hob. Was also bedeutet, daß selbst das einzige „Nein“ der ständigen Sicherheitsratsmitglieder nur als symbolische Geste der Dritten Welt gegenüber gedacht war. Wirklich antreten gegen Kurt Waldheim wollte gar keiner.

Soweit es sich heute überhaupt schon beurteilen läßt, ist es dem in der Wahlauseinandersetzung gegen Franz Jonas unterlegenen Präsidentschaftskandidaten, der ob seines jähen Aufstieges auf internationalem Parkett von Kollegen und Insidern naturgemäß etwas neidvoll angesehen wird, sicherlich gelungen, innerhalb der Staatengemeinschaft dem Kleinstaat Österreich zu einer über seinen geographischen Stellenwert hinausgehenden Bedeutung zu verhelfen.

Gleichzeitig kann auch gesagt werden, daß Österreich in der politischen Routinearbeit des Völkerbund-Nachfolgers einen nicht unerheblichen Beitrag leistet: so etwa im Rahmen der „Peace-keeping“-Operationen auf den Golan-Höhen und auf Zypern, aber auch auf der Seerechtskonferenz oder in Weltraumfragen sowie last, not least als Gastgeberland verschiedener UNO-Organisationen.

Im außenpolitischen Bericht, den der frühere Minister Erich Bielka im Herbst dieses Jahres dem Parlament erstattete, wird Österreichs Funktion innerhalb der UNO als immerwährend neutraler Staat als besondere Position begriffen: „Durch die Bereitstellung von Kontingenten zu den friedenserhaltenden Operationen der Organisation leistet Österreich einen greifbaren echten Beitrag zu den Bemühungen der Vereinten Nationen um die Erhaltung des Weltfriedens. Als Sitz internationaler Organisationen und als Ort internationaler Konferenzen trägt Österreich zur Förderung der zwischenstaatlichen Beziehungen bei. Im Rahmen der Vereinten Nationen ist Österreich beständig für die Beachtung der Prinzipien der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts, des Respekts der Souveränität, des Gewaltverzichts und der Streitbeilegung auf friedlichem Weg eingetreten.“

Heute kann Österreich, wie Gesandter Dr. Karl Wolf als UNO-Experte des Außenministeriums versichert, auf beste Beziehungen mit allen Mitgliedern der UN rechnen. Besonders profilieren konnte sich Österreich in den letzten Jahren durch seine Beteiligung an den friedenserhaltenden Operationen. Zur Zeit sind 320 österreichische Soldaten auf Zypern im Rahmen der „United Nations Peace Keeping Force in Cyprus“ (UNFICYP) sowie 520 Österreicher als wesentlicher Bestandteil der Truppenentflechtung auf den Golanhöhen postiert. Pro Halbjahr leistet Österreich für die Konfliktbekämpfung auf Zypern und auf den Golanhöhen einen finanziellen Beitrag von 125.000 bzw. 224.000 US-Dollar.

„Österreich hat sich aber auch gewissermaßen auf eine Art Vorsitzendenrolle spezialisiert ... das heißt, Österreich ist langsam hineingewachsen“, fügt Karl Wolf hinzu. Gemeint sind damit die Weltraumkommission, auf der Österreich traditionell den Vorsitz führt, sowie die Seerechtskonferenz, bei der sich Österreich zum Sprecher der Binnenstaaten und geographisch benachteiligten Länder gemacht hat. Für Österreich bedeutungsvoll ist etwa auf der Seerechtskonferenz die Frage der Aufteilung der Nutzung der Meeresressourcen zwischen Küsten- und Binnenstaaten.

Österreichs Engagement in der demnächst 147 Mitgliedsstaaten zählenden UNO läßt sich also nicht auf den Namen Kurt Waldheim allein reduzieren, wenngleich natürlich Waldheim, der bereits vor Österreichs Aufnahme in die UNO als Beobachter in New York akkreditiert war, an so gut wie allen politischen Vorgängen innerhalb der UNO, die Österreichs Handschrift tragen, seinen Anteil hat. So verhält es sich auch mit der im Bau befindlichen UNO-City, für die sich Waldheim als damaliger Außenminister der österreichischen Volkspartei sehr engagiert hat. Es klingt heute nahezu paradox, daß gerade die Volkspartei, die damals Waldheim als Außenminister aufstellte, mit einer nicht immer glücklichen Argumentation gegen die UNO-City zu Felde zieht.

Gesandter Karl Wolf gibt sich optimistisch: „Es ist ja nicht so, daß nur die UNO-City dauernd teurer würde. Ob man Gemeindewohnungen baut oder eine UNO-City, die Baukosten sind in den letzten Jahren überall enorm gestiegen.“ Alle Österreicher, so Wolf, sollten bemüht sein, das UNO-City-Projekt zu einem guten Ende zu führen: „In zehn bis zwanzig Jahren wird so wieder alles zu klein sein. Da werden dann alle wieder schimpfen, daß keine direkte Autobahn nach Schwe-chat führt... Kritisieren ist leicht. Ich halte die UNO-City für die Krönung unserer Bemühungen, die Idee einer internationalen Zusammenarbeit zu fördern.“

Kritiker wie Befürworter der UNO-City müssen freilich daran erinnert werden, daß die Füllung der Bürotürme zwar nicht sekundär, aber doch zumindest mit nicht mehr Fragezeichen umgeben ist als die UNO selbst. Bedenkt man, daß einige Dutzend jener Mitgliedsstaaten, die regelmäßig bei Menschenrechtsresolutionen ihr gewichtiges Wort erheben, in ihrem eigenen Lande dieselben Menschenrechte mit Füßen treten, denkt man weiters daran, daß etwa die Länder der Dritten Welt zwar nur 15 Prozent der Weltwirtschaftsleistungen erbringen und gleichzeitig mit mehr als zwei Drittel aller Stimmen in der Generalversammlung jede Abstimmung beeinflussen können, so füllt sich das Ideengebäude unserer Völkerrechtsgemeinschaft mit einem gewissen Zynismus. Der größte Erfolg derUNO, so scheint es manchmal, besteht wohl darin, daß es sie im Gegensatz zum Völkerbund überhaupt noch gibt.

Nicht zu widerlegen ist auch, was Gesandter Wolf all diesen kritischen Argumenten entgegenhält: „Ein Jahresbudget der UNO ist immer noch hundertmal billiger als nur ein einziger Tag 3. Weltkrieg. Den finanziellen Beitrag für die UNO sollte man angesichts der Alternativen zu verschmerzen wissen.“ Österreichs Kurt Waldheim, der das 38. Stockwerk des UNO-Hauptquartiers mitunter auch in der Nacht nicht verläßt und gleich neben seinem Büro in einem spartanisch eingerichteten Kabinett schläft, wird weitere fünf Jahre seinen bescheidenen Beitrag leisten, daß es zu den drohenden Alternativen nicht kommt.

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